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Polizei sammelt IMEI-Nummern von Demonstranten – aber was bringt das überhaupt?

“Es wurden keine Apps oder persönlichen Daten gelöscht”, erklärte die Hamburger Polizei noch zur Beruhigung. Doch auch eine IMEI-Nummer kann schon einiges über den Handy-Besitzer verraten.
Bild: imago

Während der Proteste zur G20 hat die Hamburger Polizei die Handys von mehreren Demonstranten überprüft, um an die sogenannte IMEI-Nummer zu kommen. Die Polizei habe "verlangt, dass die Leute ihre Handys entsperren, weil sie reinschauen wollen", twitterte die Hamburger Linken-Abgeordnete Christiane Schneider über einen Vorfall in der Nähe der Hamburger Hafen City. Ob Demonstranten tatsächlich ihre Telefone entsperren mussten, ist bisher nicht bestätigt. Klar ist allerdings, dass "mehrere Mobiltelefone überprüft wurden", wie ein Sprecher der Polizei Hamburg gegenüber Motherboard bestätigte.

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Auf Twitter schrieb die Hamburger Polizei zu dem Fall, es gehe beim "Reinschauen" nicht um "Apps" oder "persönliche Daten", sondern nur um die IMEI-Nummer. Aber was ist die IMEI-Nummer, also die International Mobile Equipment Identity? Und was genau kann die Polizei damit machen?

Was ist die IMEI-Nummer?

Die IMEI ist eine 15-stellige Nummer, die jedem Telefon und GMS- oder UMTS-fähigem Gerät (also zum Beispiel auch Surfsticks) vom Hersteller zugewiesen werden. Zu finden ist die IMEI bei vielen Telefonen auf dem Akku oder auf der Rückseite des Geräts. Bei manchen neuen Smartphones wie dem iPhone 7 oder Samsungs Galaxy S7 befindet sich die IMEI nicht auf dem Gehäuse, sondern kann nur in den Einstellungen angezeigt werden.

Was kann man mit der IMEI-Nummer herausfinden?

Mit der IMEI lässt sich im Prinzip herausfinden, wo sich wann ein Telefon befunden hat. Netzanbieter nutzen die IMEI, um Geräte in ihrem Netz zu registrieren und identifizieren. Deshalb wird die IMEI auch immer wieder als Diebstahlschutz bezeichnet. So raten Verbraucherzentralen dazu, die Nummer für diesen Zweck unbedingt zu notieren. Denn wenn die IMEI-Nummer bekannt ist, lässt sich ein gestohlenes Telefon theoretisch orten und vom Netzbetreiber sperren lassen, indem die IMEI-Nummer auf eine schwarze Liste gesetzt wird.

Was will die Polizei mit IMEI-Nummern?

Eine naheliegende Hypothese, was die Hamburger Polizei nun mit den IMEI-Nummern von G20-Demonstranten vorhat, ist: Die Bewegung von Handys und ihren Besitzern nachverfolgen, um beispielsweise festzustellen, wo sich ein Demonstrant befunden hat, als ein Auto brannte. Diese Daten ließen sich gewinnen, wenn die Netzanbieter mit der Polizei kooperieren und die Logs bestimmter IMEI-Nummern aufgrund einer richterlichen Verfügung herausrücken.

Andererseits ist es für die Polizei jedoch auch mit einem anderen Verfahren möglich, herauszufinden, welches Handy sich wo befindet: Mit einer sogenannten Funkzellenabfrage kann die Polizei ermitteln, welche Handys zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle eingeloggt waren. Diese Maßnahme bedarf immer einer richterlichen Anordnung.

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Ob sie aktuell zum G20-Gipfel eingesetzt wird, ist nicht bekannt. In der Vergangenheit gab es zumindest einen Fall, in dem die Polizei eine Funkzellenabfrage im Umfeld von Demonstrationen nutzte: Im Jahr 2011 setzten sächsische Ermittler die Maßnahme in der Nähe von Antifa-Demonstrationen gegen die Gedenkfeiern zur Dresdener Bombennacht ein. Der Fall machte deutschlandweit Schlagzeilen, weil die Aktion später vom Landgericht für illegal erklärt wurde und die Polizei die Daten wieder löschen musste.


Bei Motherboard: Die Mathematik eines Massenaufstands


Bei der Funkzellenabfrage werden sowohl Telefonnummer als auch IMEI aufgezeichnet. Allerdings liefert eine Funkzellenabfrage die Daten eines Ortes, nicht die Bewegungsdaten eines bestimmten Handys an mehreren Orten.

Ein ganz genaues Bewegungsprofil lässt sich aber weder mit IMEI noch mit der Funkzellenabfrage erstellen. Wie genau die gewonnen Daten sind, schwankt stark. Auf dem Land, wo es weniger Funkzellen gibt, wären die Angaben eher kilometergenau, in Großstädten wie Hamburg können sie manchmal unter besonderen Umständen bis auf wenige Meter genau sein.

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Die Hamburger Polizei will seit ihrem gestrigen Tweet auch auf Motherboard-Anfrage keine genauen Angaben zu den Gründen für die IMEI-Sammelei geben. Nur dass mehrere Telefone überprüft wurden, bestätigte uns ein Sprecher der Hamburger Polizei. Auch die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider hat bisher nicht auf unsere Rückfragen geantwortet, ob und wenn ja wie viele Handys tatsächlich entsperrt werden mussten. Wir werden den Text entsprechend aktualisieren, wenn wir Antworten erhalten.

Unklar ist noch die rechtliche Lage der IMEI-Abfrage. Zwar behauptet die Hamburger Polizei auf Twitter, dass keine persönlichen Daten ausgelesen wurden, der Düsseldorfer Kreis aus Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich zählte aber bereits 2014 die IMEI zu den personenbezogenen Daten, die eine eindeutige Identifizierung des Nutzers ermöglichen. Auf unsere Anfrage, auf welcher Rechtsgrundlage die Überprüfung der IMEI-Nummern in Hamburg gestern erfolgte, hat die Polizei erklärt, öffentlich aktuell keine näheren Angaben bereitstellen zu können.