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Deshalb sind Gamer auch nach 14 Jahren noch von 'World of Warcraft' besessen

Auf privaten Servern halten leidenschaftliche Retro-Fans das alte 'World of Warcraft' am Leben – und bekommen Ärger vom Entwickler.
World of Warcraft

In dem Jahr, als World of Warcraft erschien, trat Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen Parteivorsitz an Franz Müntefering ab; das erfolgreichste Lied des Jahres war "Lebt denn der alte Holzmichl noch…?" von De Randfichten, und Hunderttausende deutsche Jugendliche betranken sich auf 1-Euro-Partys mit Alcopops. Viel ist seit 2004 passiert, aber World of Warcraft gibt es immer noch. Seit über 14 Jahren treffen sich täglich Millionen Spielerinnen und Spieler, um durch die Fantasy-Landstriche der gigantischen Spielwelt zu spazieren, Monster zu erlegen, Erfahrungspunkte zu sammeln oder Mitspielende zu bekämpfen.

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Über die Jahre hat sich World of Warcraft dabei immer wieder grundlegend verändert: Sieben große Add-ons erweiterten die Spielwelt um neue Landstriche, neue Geschichten, neue Charaktere. Diese regelmäßigen Umbrüche gefielen längst nicht allen Fans. 14 Jahre nach Release des Spiels haben sich Hunderttausende zu einer Sub-Community zusammengetan, die auf eigene Faust längst überholte Spielversionen programmiert, auf privaten Servern zur Verfügung stellt und dort WoW spielt, als hätte es das Morgen nie gegeben. Doch ihre Tage sind bereits gezählt.

World of Warcraft

Seit 2004 sind sieben große Add-ons für World of Warcraft erschienen, die die Spielwelt grundlegend umgekrempelt haben. Zuletzt erschien 2017 die Erweiterung Battle for Azeroth | Bild: Blizzard Entertainment

Auf private Servern lebte das alte 'World of Warcraft' weiter

Die 32-jährige Elektronikerin Laurena aus Finnland spielt seit 2006 täglich World of Warcraft. Sie startete als Blizzard-Fan. Heute ist sie eine Skeptikerin. 2016 brachte die Erweiterung 'Legion' einige neue Spielmechaniken. "Mit denen konnte ich nichts anfangen", sagt Laurena. "Es gab neue Gegenstände und Raids für große Spielergruppen. Da war ich raus."

World of Warcraft endgültig beiseite zu legen, das ist für Laurena und für viele andere WoW-Veteranen aber keine Option: Zu stark ist die Bindung an die Spielwelt, für die sie seit 2004 monatlich 13 Euro Eintrittsgeld zahlt, zu groß die Liebe zu diesem Fantasy-Universum, zu eng die Freundschaft mit ihren Mitspielenden.

Statt also ihr Lieblingsspiel aus ihrem Leben zu verbannen, spielt Laurena seit 2016 ausschließlich auf einem privaten Server, der nicht vom Entwicklerteam, sondern von anderen Spielern kontrolliert und verwaltet wird. Mithilfe einiger technischer Kniffe wird hier das alte World of Warcraft am Leben gehalten.

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Statistiken zu World of Warcraft

Warmane ist ein privates Serverkollektiv, das fünf unterschiedliche spielbare Versionen von World of Warcraft anbietet. Den Server Icecrown, der eine Version aus dem Jahr 2008 rekonstruiert, besuchen täglich über 10.000 Menschen. Einige von ihnen zahlen Geld, um nicht zu lange in den Warteschlangen zu stecken | Bild: Screenshot Warmane.com

Laurena ist nur eine von Hunderttausenden Spielenden, die sich täglich auf den privaten Servern tummeln. Wer sich einloggen will, muss Schlange stehen. Minutenlange Wartezeiten beim Login lassen sich hier und da gegen einmalige Eintrittsgelder von bis zu zehn Euro abkürzen. Dabei wenden sich die Retro-Fans vor allem wegen Details der Vergangenheit zu: Es geht um alte Items, um längst überholte Spielmechaniken oder um Landstriche, die irgendwann im Laufe der 14-jährigen Geschichte aus der Welt von WoW gestrichen wurden. Solche Details sind langjährigen Fans für den Spielspaß enorm wichtig. Das Spiel mit der Vergangenheit ist aber auch ein Geschäft, das sich für die Betreiber finanziell lohnt. Dem Entwicklerteam Blizzard gefällt das überhaupt nicht.

Seit Jahren bannen die Entwickler private Server, die alte Spielversionen von World of Warcraft anbieten. Blizzard geht dabei rigoros vor, nimmt kleine Server ebenso vom Netz wie große Communitys mit mehreren hunderttausend Spielenden.

Einer dieser Privatserver ist 'Felmyst', der eine Spielversion von WoW aus dem Jahr 2007 anbot und im November 2017 vom Netz genommen wurde. Den Betreiber 'Gummy' traf das plötzliche Ende seines Projekts schwer, vier Jahre hatte er daran gearbeitet. "Die Warnhinweise waren bereits da, dass sich Blizzard daran stören würde”, schreibt er in einem Statement, das für einige Wochen auf der nun inaktiven Seite des Servers zu sehen war. "Aber dass alles dann so schnell gehen würde, hat wohl kaum jemand erwartet."

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Blizzard will die Retro-Fans an sich binden

Die Betreiber sind machtlos gegen Blizzard, denn aus den offiziellen Nutzungsbedingungen geht eindeutig hervor, dass die Rechte aller Marken bei der Firma liegen und Blizzard allein darüber entscheidet, wer Grafiken, Namen und Charaktere verwenden darf. Trotz dieser Rechtslage treibt es weiterhin WoW-Fans auf die übrig gebliebenen privaten Server. Die Sehnsucht nach der Vergangenheit scheint stärker zu sein als die Angst vor rechtlichen Konsequenzen.

Ganz legal auf offiziellen Servern alte WoW-Versionen spielen zu können – das schien lange ein Traum vieler Gamer zu bleiben. Noch 2016 beteuerte ein Community-Manager von Blizzard im offiziellen BattleNet-Forum, es sei technisch unmöglich, mehrere Server mit alten Spielversionen parallel zu betreuen.

Die Wende kam ein Jahr später: Im Rahmen der hauseigenen Spielemesse Blizzcon 2017 kündigte Blizzard die sogenannten Classic Server an — offizielle Server mit denen Fans die Launch-Version von World of Warcraft erleben können, wie sie ursprünglich war. Mitspielen können alle, die die Standard-Abogebühren von monatlich 13 Euro zahlen.

Die Community reagierte auf diese Ankündigung positiv überrascht: Im offiziellen Subreddit des Spiels tauschten sich Fans wochenlang über die Neuigkeit aus und spekulierten über das genaue Release-Datum. Einen Shitstorm gab es nicht, in der Community überwiegt die Neugier, wie Blizzard die Retro-Fans an sich binden möchte.

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Ein WoW-Gamer, der diese Neugier teilt, ist Florentin Will: "Ich dachte erst mal 'megageil, das wird unglaublich'", erzählt der 27-jährige Moderator und Podcaster im Gespräch mit Motherboard. Will hat seit seiner Schulzeit World of Warcraft gespielt. Die Classic Server weckten in ihm die Hoffnung, dass er sich endlich wieder so sehr wie damals für die Welt begeistern könnte.

Will spielt seit seiner Schulzeit World of Warcraft und verfolgte jahrelang die Entwicklung des Online-Rollenspiels. Mit dem Einstieg in das Berufsleben verbrachte Florentin immer weniger Zeit mit World of Warcraft. Das Add-On Wrath of the Lich King aus dem Jahr 2008 hatte ihn enttäuscht – Will hatte den Eindruck, WoW richte sich damit verstärkt an neue, unerfahrene Spieler. Die Classic Server betrachtet er als Experiment: "Entweder ich suchte das wieder fünf bis zehn Stunden am Tag oder es interessiert mich nach 20 Minuten nicht mehr."

Blizzards Retro-Server könnten die Community spalten

Seit Monaten tauschen sich Fans in Gaming-Foren aufgeregt über die Classic Server aus. Ein paar, die im November 2018 ein Blizzcon-Ticket gekauft hatten, konnten die Classic Server in einer Art Testlauf rund eine Stunde lang anspielen. Anschließend beförderte sie eine halbstündige Zwangspause aus dem Spiel, um die Testserver zu entlasten. Außerdem konnten sie nur zwei Spielgebiete und einige, wenige Quests ausprobieren.

Auch Florentin Will war einer diese Testspieler. Er konnte sich insgesamt drei Stunden ein Bild von den Classic Servern machen. "Ich wollte wissen: Fühlt es sich wirklich wie früher an?", sagt Will. Mit dem Ergebnis war er zufrieden: Viele Oberflächen sehen wieder aus wie zum Launch, die Originalgrafik von 2004 gibt der Spielwelt ihre Ecken und Kanten zurück, alte Gebiete sind wieder frei begehbar, während auf moderne Features wie einen Online-Shop verzichtet wurde.

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Datensätze von World of Warcraft auf wowhead.com

Seiten wie wowhead.com stellen Datensätze zur Verfügung, die private Serverbetreiber als Bausteine nutzen können, um alte Spielversionen von World of Warcraft zu rekonstruieren | Bild: Screenshot wowhead.com

Die Verlierer sind dabei die privaten Serverbetreiber, die bisher noch nicht von Blizzards gebannt wurden. Mehrere Serverbetreiber befürchten im Gespräch mit Motherboard, dass bald kaum noch jemand Interesse an ihren privaten Spielwelten haben könnte. Blizzard könne nämlich auf alle originalen Spieldateien und Grafiken zugreifen. Die Entwickler können dadurch die alten Spielwelten viel besser nachbilden als Hobby-Programmierer, die auf Websites wie wowhead.com Datensätze händisch zusammensuchen und fehlende Inhalte selbst programmieren müssen. Die privat gebastelten Retro-Versionen von WoW hatten ihren Charme – aber auch jede Menge Bugs.

Motherboard hat mit acht Serverbetreibern gesprochen. Sie erwarten, dass sich die WoW-Community künftig weiter spalten wird. Die Mehrheit der Gamer werde sich den offiziellen Classic Servern zuwenden. Die übrigen würden weiterhin Privatserver suchen, auf denen sich WoW auf dem Stand von 2008, 2012 oder 2014 erleben lässt. Doch die Tage dieser Rückzugsorte scheinen gezählt.

Laurena, die selbst seit Jahren ausschließlich auf den privaten Servern spielt, kann dem Umbruch etwas Positives abgewinnen: "Die Leute auf den offiziellen Classic Servern werden sich kennenlernen und eine Community bilden, die nicht Angst davor haben muss, jederzeit von Blizzard vom Netz genommen zu werden", sagt sie. Die Spielerinnen und Spieler könnten sich dann ganz in Ruhe anfreunden oder in ihren Fehden verlieren. "Und genau das macht doch den Reiz eines Online-Rollenspiels aus."

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