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"Rechtsfreier Onlineraum": Innenministerium nimmt Linksunten.Indymedia vom Netz

Neben Aufrufen und Anleitungen zur Begehung von Straftaten war für den deutschen Staat wohl auch die Anonymität der linken Website ein Problem.
Screenshot der letzten Indymedia Linksunten-Startseite, 25.8. Stand: 7:45. Screenshot: Motherboard

Update, 28.8.: In der Pressekonferenz am 26.8. hatte Innenminister Thomas de Maizière erklärt, dass bei Hausdurchsuchungen der Betreiber von "Linksunten.Indymedia" auch Waffen beschlagnahmt worden seien. Diese Aussage hat das Bundesinnenministerium auf Nachfrage von Netzpolitik mittlerweile revidiert. Stattdessen habe die Polizei Waffen bei der Durchsuchung des Freiburger autonomen Kulturzentrum KTS sichergestellt.

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Das Deutsche Innenministerium (BMI) hat das linke Online-Portal "linksunten.indymedia.org" am Freitagmorgen verboten. Grund für die Verfügung, die den Betreibern der Seite heute Morgen zugestellt wurde: Die Website laufe "nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider", wie es in einer Bekanntmachung des Bundesinnenministeriums heißt.

Eine Sprecherin des BMI bestätigte das Verbot des Portals gegenüber Motherboard. Die technische Abschaltung der Seite vollzog sich dabei heute Morgen schleppend: Nachdem der Spiegel zuerst über Hausdurchsuchungen bei Betreibern und das Verbot berichtete, war die Startseite von "linksunten.indymedia.org" auch um 8:00 Uhr noch erreichbar. Um 08:15 Uhr waren dann nur noch einzelne Artikel abrufbar, seit circa 8:30 sind schließlich die gesamten Inhalte der Seite offline.

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Auch wenn der vorgeschaltete DDoS-Schutz noch aktiv ist, ist auf der Startseite selbst nur noch eine standardisierte Mitteilung des Website-Tools Pressflow zu lesen: "Diese Seite ist momentan aufgrund von technischen Problemen nicht erreichbar." Ob das Bundesinnenministerium nach einer möglichen Beschlagnahmung der Server noch einen eigenen Verbotshinweis wie bei Darknet-Razzien üblich auf die Seite schalten wird, ist bisher nicht bekannt.

So sieht "Indymedia Linksunten" nach der Abschaltung aus. Screenshot: Motherboard

Die Betreiber der wichtigsten Internetplattform der linksradikalen Szene in Deutschland haben sich bisher nicht offiziell zu dem Verbot geäußert. Die bereits seit der Jahrtausendwende bestehende Website fungierte sowohl als Plattform für politische Nachrichten aus dem linken Spektrum, veröffentlichte aber auch linksradikale Inhalte, wie Bekennerschreiben zu politisch motivierten Anschlägen. Nutzer konnten Beiträge, die vor der Veröffentlichung von der Indymedia-Redaktion gesichtet wurden, anonym veröffentlichen.

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Genau diese Anonymität sei dem Verfassungsschutz laut Berichten des Spiegel bereits in der Vergangenheit ein Dorn im Auge gewesen. "Die Autoren der teilweise strafbaren Texte seien wegen ihres konspirativen Verhaltens in keinem Fall zu ermitteln gewesen", hätten sich die Beamten intern beklagt und das Portal als "rechtsfreien Onlineraum" beschrieben.

Wie das Innenministerium gegenüber Motherboard per E-Mail erklärt, seien die Moderatoren der Seite in der Vergangenheit nicht ihrer Verantwortung nachgekommen, öffentliche Aufrufe zur Begehung von Straftaten auf Indymedia zu unterbinden. Tatsächlich gehört zu der Seite laut Ministerium auch ein Team von Moderatoren, die aber aus Sicht der Beamten in der Vergangenheit nicht ausreichend Aufrufe zu Straftaten und strafbare Inhalte moderiert hätten.

"Auf der Plattform finden sich beispielsweise Gewaltaufrufe gegen Polizeibeamte sowie Anleitungen zum Bau von zeitverzögerten Brandsätzen und die Aufforderung, diese auch zur Begehung von Straftaten zu verwenden. Diese Beiträge werden vom Betreiberteam trotz Moderation der Plattform nicht gelöscht."

Neben dem Online-Auftritt im Clearweb hat das Innenministerium auch die Darknet-Adresse von Indymedia verboten. Die Onion-Adresse leitete aber bisher nur auf die reguläre Clearweb-Adresse weiter. Daher ist Linksunten Indymedia auch über die Onion-Seite nicht mehr erreichbar. Der offizielle Twitter-Kanal des Vereins ist ebenfalls von dem Verbot betroffen, war aber zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch erreichbar.

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Wie Innenminister Thomas de Maizière heute Morgen um 09:00 Uhr in einer Pressekonferenz bekannt gab, führe die Landespolizei Baden-Württemberg zusammen mit Beamten der Bundespolizei seit heute Morgen um 05:30 Uhr Hausdurchsuchungen durch, die mit dem Betrieb der Plattform und dem Betreiberkreis in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Man habe dabei neben Laptops und IT-Technik auch Messer, Schlagstöcke, Rohre, Zwille und Teleskopschlagstöcke sichergestellt.

Wie das BMI erklärt, wurde der Verein "linksunten.indymedia" nach Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 3 des Vereinsgesetzes verboten. Laut einer Motherboard vorliegenden Bekanntmachung des BMI sei es ab sofort verboten, "Kennzeichen des Vereins 'linksunten.indymedia' für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots öffentlich, in einer Versammlung oder in Schriften, Ton- und Bildträgern, Abbildungen, Darstellungen […] zu verwenden."

Das betreffe "insbesondere die grafische Verwendung des prägenden Vereinsnamensbestandteils 'linksunten' im Schriftzug 'linksunten.indymedia.org'".

Wie de Maizière in der Pressekonferenz mitteilte, betreffe das Verbot ausschließlich den "linksextremistischen deutschen Ableger", nicht aber das weltweite Indymedia-Netzwerk.