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#stolzdrauf hat uns 326.000 Euro gekostet

Die Kampagne, die für einen besseren Zusammenhalt der Österreicher wirbt, setzt sich hauptsächlich aus Medieneinschaltungen zusammen. Was das gebracht hat, ist unklar.

Bild von VICE Media mit der #stolzdrauf-App bearbeitet

Am 25. November, knapp 2 Wochen nach Start der Integrationskampagne #stolzdrauf wurde von der Abgeordneten zum Nationalrat Alev Korun, eine parlamentarische Anfrage an Sebastian Kurz gestellt. In der Anfrage geht es zum einen um eine konkrete Aufschlüsselung der Kosten bezüglich Inseraten, Online-Werbung und TV-Spots, zum anderen wird nach konkreten Maßnahmen gefragt, die auch neben einer reinen PR-Kampagne dafür sorgen, dass der gewünschte Zusammenhalt und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund auch tatsächlich geschieht.

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Während gegen zugespitzte Kampagnen grundsätzlich nichts einzuwenden ist, so müssen diese aber auch in konkrete Maßnahmen eingebettet sein, die am Leben von Betroffenen etwas ändern und folglich ihr Zugehörigkeitsgefühl stärken.

Vor ein paar Tagen kam dazu die Antwort von Sebastian Kurz, heute wurde das Ganze dann auf Twitter aufgegriffen. Für Inserate in 11 Zeitungen, Online- und TV-Werbung hat man 326.028,70 Euro verbraten. Davon sind alleine knapp 107.000 Euro—ein gutes Drittel—für die insgesamt 8 Inserate in Heute, Krone und Österreich verwendet worden. Alle Inserate zusammen kommen sogar auf zirka zwei Drittel der Gesamtkosten.

Die Fragen von Alev Korun sind sehr allgemein beantwortet—zum Beispiel ist die erste Antwort zirka eine drittel Seite lang und soll gleich 11 Fragen auf einmal abdecken. Die Frage, ob bloße Zugriffe in den sozialen Medien, zum Beispiel auf Twitter, alleine schon ein Indikator für Erfolg sind, beantwortet Kurz folgendermaßen:

Eine Auseinandersetzung mit dem Kampagnenthema durch einen möglichst großen Personenkreis ist eine wesentliche Zielgröße. In diesem Sinne stellen Zugriffszahlen in den sozialen Medien sowie eine breite Medienberichterstattung Erfolgsindikatoren dar.

Die Frage von Frau Korun, warum bloße Zugriffszahlen einen Erfolg bedeuten, „da das bloße Sehen einer Kampagne keine Zustimmung oder Verbesserung des ,Zugehörigkeitsgefühls' per se bedeutet?" bleibt unbeantwortet—vielleicht auch, weil der Hashtag #stolzdrauf auf Twitter fast ausschließlich ironisch verwendet wurde und auch so gut wie nie irgendwelche Themen aufgegriffen werden, die tatsächlich mit Integration oder Erfolgsgeschichten von Personen mit Migrationshintergrund zu tun haben. Laut Kurz ist also die bloße Zirkulation der Kampagne ein Erfolgsbeweis.

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Ich bin — Robert Misik (@misik)10. November 2014

Die alte Binsenweisheit „Jede Publicity ist gute Publicity" zieht aber in der Politik nicht. Deswegen war es auch kein guter Schachzug, Andreas Gabalier, selbstbetitelten Volks-Rock'N'Roller, in diese Angelegenheit hineinzuziehen. Hier geht es nicht um Werbung und ein bisschen medialen Rummel, sondern darum, ob man ein wichtiges Thema so vermitteln kann, dass es verstanden und angemessen aufgegriffen wird. Es geht um konkrete Maßnahmen in der Integrations- und Migrationspolitik, die ja laut Kurz das Zugehörigkeitsgefühl vieler zum Land Österreich stärken soll. Und Zusammenhalt oder tieferes Verständnis füreinander ist nichts, was darüber entsteht, dass man gemeinsam denselben Hashtag verarscht.

Komisch ist außerdem, dass das Ministerium für Europa, Integration und Äußeres laut einem orf.at-Bericht schon wenige Tage nach dem Start der Kampagne über 15.000 Zugriffe auf die Website verzeichnet und der Erfolg der Kampagne deshalb außer Frage steht—gleichzeitig hat das YouTube-Video, das auf der Homepage automatisch abgespielt wird, aber bis heute nur insgesamt 3.800 Aufrufe zu verzeichnen. Passend zum Inhalt werden im Video übrigens alle #stolzdrauf-Bilder von Österreich in einen Rahmen präsentiert. Ein weiteres Beispiel dafür, dass hier kein „thinking outside of the box" betrieben wird, sondern die österreichische Vielfalt, unter anderem durch Menschen mit Migrationshintergrund verwirklicht, in eine kleine rechteckige Box gepresst wird. Eine schönere Metapher für Begrenztheit, Einschränkung und Assimilation gibt es kaum.

Auf die Frage, welche konkreten Maßnahmen wirklich durchgeführt werden, verweist Kurz auf das Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 bis 2018—ein 114-seitiges Dokument, in dem auf den ersten Blick (und auch auf den zweiten) nicht klar wird, wovon genau die Rede ist. Kurz' Kampagne kommt darin übrigens auch nicht vor.

Außerdem wird die Förderung der Deutschkenntnisse für Personen mit Migrationshintergrund hervorgehoben, die aber auch schon seit Sebastian Kurz' Einführung als Staatssekretär auf dem Programm steht und ebenfalls keine #stolzdrauf-spezifische Maßnahme ist.

Obwohl die Kostenaufschlüsselung ein richtiger Schritt in Richtung Transparenz ist, bleibt weiterhin die Frage offen, was die Kampagne denn nun konkret bewegt und erreicht hat, und wie man mit einer medial sehr zweifelhaft aufgenommenen PR-Kampagne denn nun wirklich alle Österreicher mit und ohne Migrationshintergrund vereint hat. Eine Frage, die mir weder die 4-seitige Antwort des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres noch ein YouTube-Clip beantworten kann. Und wie die größtenteils negative Anteilnahme an der Kampagne ausgesehen hätte, wenn man im Vorfeld bereits eingestanden hätte, dass man über 300.000 Euro ausgeben wird, und eine bloße Zirkulation und ein bisschen Medienrummel als Erfolg angesehen werde, möchte ich mir gar nicht erst vorstellen.

Adrian ist auch auf Twitter unterwegs: @doktorSanchez