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Hast du dir mal überlegt, Kriegsberichterstatter zu werden?

Wir haben mit Rami Aysha gesprochen, einem angesehenen Kriegsjournalisten, der erst gefoltert und dann des Waffenschmuggels angeklagt wurde.

Rami (zweiter von rechts)

Rami Aysha ist Journalist und arbeitete gerade an einer Story über die Hisbollah, und wie sie die syrischen Rebellen mit Waffen versorgt, gleichzeitig aber auch Assad und seine Kämpfer unterstützt—bis er plötzlich gekidnappt wurde.

Er wurde von der Hisbollah gefangen, geschlagen und verhört und schließlich an libanesische Behörden übergeben, die ihn gegen Kaution freiließen, nachdem sie ihm Waffenschmuggel vorgeworfen hatten.

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Die Organisation Reporter ohne Grenzen bezeichnete seine Festnahme als „inakzeptabel“. „Es ist essentiell, dass die libanesischen Justizbehörden zwischen journalistischen Recherchen und Schwarzhandel unterscheiden“, wurde verlautet. Falls du Zweifel an Ayshas journalistischer Glaubwürdigkeit hegen solltest: Aysha leitet das libanesische Büro des TIME Magazine und hat schon mit vielen führenden Nachrichtenorganisationen im Nahen Osten zusammengearbeitet, unter anderem mit uns.

Gestern ist Rami zurück nach Beirut gekommen. Er kam vor Gericht, und sein Strafmaß wurde von sechs Monaten auf zwei Wochen reduziert. Weil er bereits mehr als zwei Wochen eingesperrt war, soll er nun direkt entlassen werden, erzählten Quellen der libanesischen Zeitung Daily Star. Nun bringt er seinen Fall vor den Obersten Gerichtshof und hofft, für unschuldig erklärt zu werden. Wir haben ihn für ein kurzes Gespräch getroffen.

Rami beim Chillen

VICE: Hey Rami, kannst du uns erzählen, wie alles anfing?  
Rami: Ich habe an einem Bericht über den Waffenhandel im Libanon gearbeitet und wurde von der Hisbollah gekidnappt und drei Stunden lang gefoltert. Als ich an den libanesischen Geheimdienst übergeben wurde, ging die Folter weiter. Drei Tage lang wurden mir Wasser, Essen und Schlaf entzogen. Eine Woche nach meiner Festnahme kam mein Fall vor den Militärrichter, der einen Haftbefehl gegen mich erließ, und ich saß einen Monat lang im Gefängnis. Dann wurde ich gegen Kaution entlassen.

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Was hast du herausgefunden, dass die Hisbollah es für nötig hielt, dich zu entführen?  
Na ja, ich habe herausgefunden, dass die Hisbollah korrupt ist und Lager voller Waffen besitzt, die sie an die syrische Opposition verkauft. Sie musste eine derartige Reportage stoppen, weil ich kurz davor war, der gesamten Welt zu beweisen, dass die Hisbollah die gesamte Region vergiftet, und die Kämpfe in Syrien anfacht.

Die Hisbollah kämpft an der Seite von Assad, aber bewaffnet zugleich die Rebellen. Warum tut sie das deiner Meinung nach?
Wie gesagt, dank der massiven Waffenvorräte in ihren Lagern verdienen einige der Kommandeure Geld durch den Verkauf. Es ist ein rein wirtschaftliches Ding. Ich wollte mit meiner Reportage zeigen, dass die Hisbollah kein Teil des Widerstands mehr ist. Es ist eine Miliz, die eine Menge Chaos in der Region anrichtet.

Was ist dir während der Haft passiert?  
Ich bin mitten auf der Straße und vor Augenzeugen gekidnappt und zu einem der geheimen Gefängnisse der Hisbollah gefahren worden. Sie haben versucht, mich zu einem Geständnis zu zwingen, dass ich Waffen erwerben wollte, aber ich hielt daran fest, dass ich wegen meiner Berichterstattung da war. Meine Kamera wurde mir von Hisbollah-Mitgliedern über dem Kopf zerschlagen. Sie fragten mich sogar, mit welcher Hand ich schreibe, und als ich sagte, dass ich Linkshänder bin, fingen sie an, mit einer Waffe auf meine Hand zu hämmern. Ich wurde gefoltert und geschlagen, sie brachen mir meine Nase, Finger und Rippen und ich hatte am ganzen Körper Prellungen. Während der Folter bin ich sogar zweimal ohnmächtig geworden.

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Sie wussten doch, dass du nur ein Journalist bist, oder?  
Sie wussten es. Aber es war ihnen egal. Sie folterten mich einfach weiter. Sie sagten mir sogar mehrmals, dass sie versprochen hätten, mich bis „zum Ende der Tage“ vom Schreiben abzuhalten.

Rami wieder beim Chillen

Danach wurdest du ja an die Behörden ausgeliefert. Wie haben die sich verhalten?  
Selbst der libanesische Geheimdienst hat sich dafür interessiert, wen ich getroffen habe, an was für Reportagen ich arbeitete. Der Richter sagte, dass er mich entlassen würde, wenn ich meine Probleme mit der Hisbollah gelöst hätte. Das zeigt, wie die Hisbollah das Justizsystem und besonders die Militärtribunale im Libanon kontrolliert. Während meiner Befragung bat ich den Richter, seine Nachforschungen auszuweiten und zu versuchen, meine Entführer zu verhaften, aber er lehnte es ab.

Denkst du, dass die Behörden in diesem Fall für die Hisbollah gearbeitet haben?
Ich bin mir sicher. Es ist kein Geheimnis, dass die Hisbollah die Armee, den Geheimdienst und Militärtribunale kontrolliert, sie kann dir jede mögliche Geschichte vorwerfen. Wenn dein Gegner die Hisbollah ist, wirst du nie einen fairen Prozess bekommen.

Obwohl es Beweise gegen die Hisbollah gibt, wurde nie gegen die entsprechenden Mitglieder vorgegangen?
Nein, ihnen ist nichts passiert, und keiner hat diejenigen bestraft, die mich gekidnappt und gefoltert haben.

Welche Beweise wurden gegen dich vorgelegt?
Ich fordere sie auf, mir ein einziges belastendes Beweisstück zu zeigen. Ich fordere sie auf, die Nachforschungen auszuweiten. Es tut mir leid für den Libanon, dass Verbrecher zu Helden und Opfer zu Verbrechern gemacht werden. Ich bin jetzt wegen des gescheiterten Versuchs des Waffenkaufs angeklagt. Die einzige Waffe, die ich an diesem Abend hatte, war meine Kamera.

Was sagt das deiner Meinung nach über die Freiheit im Libanon aus?
Es gibt keine Pressefreiheit im Libanon und die Redefreiheit ist auf ein gefährliches Level gesunken. Wir entwickeln uns zu einer echten Diktatur. Journalisten erleben ihren Tiefpunkt in der libanesischen Geschichte.

Aber ist dein Strafmaß nicht gemindert worden?  
Für mich machen zwei Wochen und sechs Monate keinen Unterschied, denn wenn ich als schuldig verurteilt werde, ist meine Karriere als Journalist in Gefahr. Ich brauche meine jährliche Presseakkreditierung, um als offizieller Journalist arbeiten zu können—besonders wegen der Art der Themen, über die ich berichte, weil sie sehr sensibel sind. Sie bringen meinen Fall vor den Obersten Gerichtshof. Ich hoffe, das ich für unschuldig erklärt werde, denn ich glaube, dass ich aus politischen Gründen verfolgt worden bin. Ich werde bis zuletzt um Gerechtigkeit und meine Unschuld kämpfen.

Danke, Rami. Viel Glück.