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Die Facebook-Epidemie wird spätestens 2017 zu ihrem Ende kommen

Forscher haben diagnostiziert, dass Facebook wie eine ansteckende Krankheit funktioniert. Und spätestens in drei Jahren wird die Infektion ausgestorben sein.
Bild: Brian Solis, FlickR. Lizenz: CC BY 2.0

Schon bald werden wir alle von Facebook geheilt sein. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie aus Princeton, die auf dem Arxiv-Server veröffentlicht wurde. Die Forscher untersuchten Facebooks Popularität mithilfe eines Modells, das normalerweise zur Analyse von Infektionskrankheiten herangezogen wird. Das Ergebnis mag dich schockieren, doch die Wissenschaftler sagen voraus, dass Facebook schon bald 80 Prozent seiner Nutzer verlieren wird. Ja, es hört sich unglaublich an—aber wenn du erstmal weißt, wie gründlich die Zahlen ermittelt wurden, dann wirst auch du es glauben.

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Epidemiologische Modelle werden schon länger nicht mehr nur dafür benutzt, Krankheiten zu analysieren. 2005 veröffentlichte eine Gruppe von amerikanischen Forschern einen Artikel darüber, wie sich Ideen ausbreiten und verglich die Verbreitungsformen mit jener von ansteckenden Krankheiten. Später stellte sich heraus, dass sie damit recht hatten. Ein Modell, mit dem man den Verlauf von Krankheiten verfolgen kann, hat genau vorhergesagt, wie sich das Feynman-Diagramm in der Wissenschaftswelt ausbreiten würde.

Beide Studien basieren auf dem SIR-Modell, welches schon für so sinnvolle Berechnungen wie die Vorhersage hypothetischer Zombie-Ausbrüche verwendet wurde. Weil es unmöglich ist, alle individuellen Faktoren innerhalb einer Population zu berücksichtigen, teilt man eine Gruppe in drei Kategorien auf: die Gefährdeten (Susceptible S), die Infizierten (Infectious I) und die Genesenen (Recovered R), wobei die letztere Gruppe sowohl die Geheilten als auch die Verstorbenen beinhaltet. Lass uns aber in diesem Fall annehmen, wir reden von Geheilten—ich hoffe nämlich nicht, dass dein Ausstieg aus Facebook ein tödliches Ende haben wird.

Wenn sich nun immer mehr Gefährdete anstecken, dann wächst die Gruppe der Infizierten, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass weitere Menschen angesteckt werden. Weil aber keine Infektion eine 100-prozentige Effizienz hat, erholt sich die Population der Infizierten irgendwann wieder (entweder durch eine Heilung oder durch den Tod—ja, auch durch den Tod kann eine Population geheilt werden). Über längere Zeit betrachtet fällt die Zahl der Gefährdeten gegen Null, dem folgt auch die Population der Infizierten. Grafisch dargestellt sieht dieser Prozess folgendermaßen aus.

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Blau entspricht den Gefährdeten, Grün den Infizierten und Rot den Genesenen.

Wenn wir bei dem Beispiel von Facebook bleiben, dann kann man die Nutzer wie folgt aufteilen: 1) die Gefährdeten, wie dein Onkel und deine Tante, die kein Facebook haben, es aber benutzen würden, wenn deine Mutti ihnen sagt, dass es cool ist; 2) die Infizierten, wie du und ich—oder wie bist du auf diesen Artikel gestoßen, doch wohl über Facebook; 3) und schließlich die Genesenen, die Facebook hinter sich gelassen haben, weil es zu viel von ihrer Zeit stiehlt oder weil ihre Onkel und Tanten auf einmal anfingen, ihre Fotos zu kommentieren, oder auch einfach nur weil Facebook eigentlich voll scheiße ist.

Weil die verantwortlichen Wissenschaftler nun einmal Wissenschaftler sind, haben sie nicht einfach angenommen, dass ein Modell, dass normalerweise die Ausbreitung von Mumps berechnet, auch den Niedergang eines Multi-Millionen-Dollar-Unternehmens akkurat vorhersagen kann.

Die Forscher haben ihre Theorie auch gleich noch anhand des längst vergessenen und beerdigten MySpace einem Praxistest unterzogen. Um das machen zu können, haben die Wissenschaftler einfach öffentlich-zugängliche Daten von Google genutzt, die den Untergang von MySpace dokumentieren. Mit diesen Daten haben sie dann das SIR-Modell gefüttert. Die zwei resultierenden Graphen sahen sich, trotz kleiner Abweichungen, verdammt ähnlich.

Das klassische SIR-Modell geht davon aus, dass sich eine Population nach einer bestimmten Zeitspanne erholt, wenn Menschen aber einem sozialen Netzwerk beitreten, kann man nicht davon ausgehen, dass die Nutzer einfach nach einer bestimmten Anzahl von Wochen oder Monaten aussteigen. Vielmehr steigen die Nutzer dann aus, wenn ihre Freunde das Netzwerk verlassen. Daher nahmen die Wissenschaftler an, dass Nutzer, die früher beigetreten sind, auch länger bleiben würden als jene, die erst vor Kurzem dazu gekommen sind.

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Diese Annahme stützt ebenfalls die Vermutung, dass der Prozess des Beitretens in ein soziales Netzwerk in etwa genauso abläuft wie der Prozess des Austritts. Sagen wir: Du steigst aus, weil Facebook immer mehr zu einer Datenschleuder wird, dann überzeugst du deine Freunde, das Gleiche zu tun, und die überzeugen wiederum ihre Freunde und so weiter. Die Anzahl der Aussteiger steigt so fast exponentiell, was bedeutet, dass die Nutzerzahlen rasant abfallen—ironischerweise genauso rasant, wie sie einst anstiegen.

Mach's gut, Facebook.

Nachdem die Wissenschaftler ihre Hypothese für MySpace angepasst und das SIR-Modell modifiziert hatten, probierten sie es auch mit Facebook-Daten, die sie bei Google gesammelt hatten. Und was glaubst du, was passiert ist? Das Modell passte verblüffend genau zu den verfügbaren Daten, was so viel heißt, dass Facebook kurz vor einer massiven Austrittswelle seiner User steht. Basierend auf ihren Hochrechnungen für die Zukunft schreiben die Autoren: „In den kommenden Jahren wird Facebook einen rapiden Abfall seiner Nutzerzahlen erleben und dabei bis zu 80 Prozent seines Nutzerstamms zwischen den Jahren 2015 und 2017 einbüßen." Das klingt verrückt! Bei genauer Betrachtung ist das aber nicht so abwegig, wie du vielleicht denkst.

Teenager verlassen Facebook bereits heute und wechseln zu Alternativen wie Instagram oder Tumblr. Während frühere Expertenvorhersagen über Facebooks bevorstehenden Tod sich allesamt als Schwachsinn entpuppten, wurde eine Schlussfolgerung der Studie—nämlich, dass Teenager Facebook scheiße finden—bereits anderswo bestätigt.

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Diese Entwicklung zusammen mit den begründeten Ängsten über eine bröckelnde Privatsphäre im Internet könnten dazu führen, dass der beschworene Exodus aus der Parallelwelt-Facebook schon bald Realität wird. Auch wenn die Meisten ihren Account wahrscheinlich nicht komplett löschen werden, muss man doch anmerken, dass ein soziales Netzwerk nur dann seinen Zweck erfüllt, wenn Menschen es häufig nutzen, um mit ihren Freunden zu kommunizieren. Steigen deine Freunde aber erstmal aus, dann werden viele diesem Beispiel folgen und was wird dann aus Facebook?

Natürlich kann man einwenden, das ein Modell, das den Niedergang von MySpace richtig rekonstruiert hat, noch lange nicht auf Facebook anwendbar ist—vergessen wir nicht, dass MySpace nie im gleichen Maße wie Facebook mit der Struktur des Internets verwoben war. Vielleicht ist die Princton-Studie ja auch nur ein weiterer Ausdruck von wissenschaftlichem Pessimismus. Aber die Theorie erscheint einleuchtend: Wenn Nutzer massenweise aussteigen, warum sollte der Rest dann bleiben? Sollte sich das Modell wirklich bewahrheiten, dann verkommt Facebook vielleicht schon in einem Jahr zu einer verlassenen Geisterstadt, in der du nur noch deinen rückständigen Onkel sowie ein paar digital Junkies antriffst.

Update: Datenanalysten von Facebook haben als Reaktion auf die aktuelle Studie todsicher diagnostiziert, dass Princeton selbst akut gefährdet ist, bald vollständig auszusterben

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