14.000 Jahre alter Zahn gibt Einblick in schmerzvolle Ursprünge der Zahnmedizin
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14.000 Jahre alter Zahn gibt Einblick in schmerzvolle Ursprünge der Zahnmedizin

In der Altsteinzeit wurden auch gerne mal Feuersteine zur Kariesentfernung eingesetzt.

Der älteste uns bekannte zahnmedizinische Eingriff in der Geschichte der Menschheit muss neu datiert werden: Wie Forscher der Universitäten Bologna und Ferrara sowie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung jetzt entdeckten, wurden bereits vor 14.000 Jahren Kariesbehandlungen durchgeführt. Bisher hatte man Funde aus der Jungsteinzeit, rund 9.000 Jahre alt, für den ältesten Nachweis einer zahnmedizinischen Operation gehalten.

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In ihrer am 16. Juli im Fachjournal Scientific Reports veröffentlichen Studie erklären die Wissenschaftler, dass der Backenzahn eines konservierten Skeletts, welches bereits 1988 in einem Felsvorsprung bei Villabruna (Norditalien) gefunden worden, nach neuerlicher Untersuchung eindeutig einen dentalmedizinischen Eingriff beweist.

War der untere rechte dritte Backenzahn des bei seinem Tod 25 Jahre alten Mannes bisher schlicht als von Karies befallen betrachtet worden, fanden die Forscher nun bei der Analyse mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) winzige Mikrolithensplitter und Kratzspuren. Sie stammen von dem Versuch, das infizierte Zahngewebe mit einem spitzen, scharfen Gegenstand—vermutlich Feuerstein—zu entfernen.

„Unsere Entdeckung lässt vermuten, dass die Menschen in der späten Altsteinzeit von der gesundheitsschädlichen Wirkung von Karies und der Notwendigkeit, diese zu entfernen, wussten", so Projektleiter Stefano Benazzi gegenüber der italienischen Zeitung Il Resto del Carlino.

Während bereits die alten Ägypter, Griechen und Römer verschiedene Arten von Bohrern für die Entfernung von Karies benutzten, wurde im Paläolithikum also noch gekratzt.

„Das Entfernen von Essensresten mit Hilfe von zahnstocherartigen Werkzeugen, z.B. aus Holz, ist schon von Beginn der Gattung Homo an dokumentiert. Anscheinend wurde diese Gewohnheit weiterentwickelt zu einer schabenden oder hebelnden Behandlung von schadhaften Zähnen, bevor die Methode des Bohrens entwickelt wurde, die wir heute in der modernen Zahnmedizin kennen", so Marco Peresani von der Universität Ferrara.

Der Zahnpatient aus Villabruna konnte also auch nach der schmerzhaften Behandlung weiterhin essen. Das fanden die Forscher heraus, als sie sahen, dass die Kratzspuren des Feuersteins in der Mitte des Lochs verschwunden waren. Dies sei auf die normale Zahnabnutzung zurückzuführen, die beim Benutzen eines Gebisses entsteht, schreiben sie in ihrem Paper.

Man geht übrigens davon aus, dass Karies vermehrt mit dem Übergang vom vielfältigen Nahrungsplan der Jäger und Sammler zur kohlenhydratlastigen Ernährung der landwirtschaftlichen Gesellschaften zum Problem wurde. Erste Plomben für die Zahnlöcher wurden aus Bienenwachs angefertigt, wie ein 6.500 Jahre alter menschlicher Zahn zeigt, der in der Slowakei gefunden wurde.

Das vollständige Paper „Earliest evidence of dental caries manipulation in the Late Upper Palaeolithic" könnt ihr hier lesen.