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Dieses Modell sagt die Ebola-Entwicklung mit erstaunlicher Präzision voraus

Ein Hoffnungsschimmer aus der Mathematik: Laut dem IDEA-Modell wird der aktuelle Ausbruch im Dezember dieses Jahres nach 14.000 Infizierten langsam nachlassen.
Bild: CDC/Flickr. Lizenz: CC BY-2.0

Epidemiologe zu sein, ist insbesondere dieser Tage fürwahr kein fröhlicher Beruf. Sowohl vor Ort in Westafrika, als auch in den Modellen, mit denen die Wissenschaftler die dynamische Krankheitsausbrüche am Computer errechnen, sieht die Lage finster aus. Aber bei einem genaueren Blick können genau diese Methoden den Viren-Forschern immerhin einen abstrakten Trost spenden—in Form des Zaubers mathematischer Präzision.

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Das IDEA-Modell erweist sich momentan als eine überraschend genaue Methode zur Aufzeichnung des Ausbruchs von Ebola in Westafrika. Dabei ist es nicht einfach, mit einem Modell zu beschreiben, wie sich ein Virus in einer Bevölkerung tatsächlich ausbreitet: Die Stichprobengröße ist klein und die Zahl der Variablen gleichzeitig äußerst groß.

„Wenn das Modell validiert wird, sind die Implikationen enorm", prognostizierten die Entwickler der Methode schon 2013 in einem Paper in PLOS One:„Dann hätten wir die Möglichkeit, schon innerhalb von zwei Wochen nach dem Ausbruch sehr genau die endgültige Größe und Dauer einer saisonbedingten Krankheitswelle vorherzusagen."

Bild: Greer et al.

Der Graph oben zeigt das Modell im Vergleich zum momentanen Ebolaausbruch und die statistischen Voraussagen erweisen sich bislang als nahezu perfekt. Und wenn man der Präzision des IDEA-Modells Glauben schenken darf, dann wird Ebola im Dezember nach insgesamt 14.000 Fällen langsam nachlassen. Bisher erkrankten laut dem US-amerikanischen Zentrum für Seuchenkontrolle CDC 8.400 Personen. Wir haben leider also noch einen weiten Weg vor uns bis der Graph langsam stagniert.

Doch wie genau funktioniert das Modell? Vor ein paar Wochen haben wir bereits über die berüchtigte r_0-Zahl berichtet anhand derer die Übertragung von Krankheiten (vor allem in Bezug auf das Verhältnis von Neuinfektionen pro infizierter Person) errechnet werden kann. Weiterhin gibt es noch ein Modell namens SIR, welches die mächtigen Dynamiken beschreibt die entstehen, wenn sich Verdachtsfälle (S für susceptible), Infizierte (I) und Immune (R für recovered) innerhalb einer von Ebola heimgesuchten Bevölkerung untereinander vermischen.

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Das SIR-Modell wird meistens herangezogen, um zu demonstrieren, wie stark eine Infektion innerhalb der Bevölkerung wachsen kann, sobald aus den Verdachtsfällen  infizierte Kranke werden und sich die Infizierten wiederum erholen oder immun werden. (Gut erklärt wird das hier am Modell einer möglichen Zombieinvasion.) Zusammen mit r_0 sind diese Berechnungen in der Lage, die Stärke eines Ausbruchs darzustellen.

Meistens entstehen neue Epidemiemodelle auf der Basis des SIR-Modells und jede neue Variante fügt der Ursprungsidee eine weitere „Kategorie" hinzu. Wie zum Beispiel das SEIR-Modell mit dem eingefügten E für eine Bevölkerungsgruppe, die Kontakt mit dem Virus hatte, das Pathogen ausbrütet, und dennoch noch nicht ansteckend ist—der erste US-Patient Thomas Eric Duncan würde zu dieser Gruppe gezählt werden, als er in Liberia ins Flugzeug stieg.

Das MSIR-Modell fügt dem Modell ein M hinzu, das für eine Gruppe mit natürlicher, angeborener Immunität steht. Das SIS-Modell wiederum streicht die Tatsache der Immunität vollständig aus der Gleichung. Diese Annahme ist dem Wesen herkömmlicher Erkältungen und Grippen ähnlich, bei denen eine einmalige Infektion keinen zukünftigen Schutz darstellt.

Es gibt noch andere Variationen des Basis-Kategorien-Modells und genauso noch eine Vielzahl weiterer Modellstrategien. Um die gerade angesprochenen Methoden jedoch besser zu verstehen, sollten wir uns jedoch einfach IDEA-Modell zu.

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IDEA steht für „incidence decay and exponential adjustment", also eine fallbasierte Darstellung vom Nachlassen und dem exponentiellen Verlauf. Dank diesem Modell können wir nun endlich mit ordentlichen, konkreten exponentiellen Daten arbeiten, anstatt nur auf ein schwammiges generelles Datenmeer zu schauen.

Laut Amy Greer beruht das von ihr mitentwickelt Modell auf der Annahme, „dass wir einfache, öffentliche Gesundheitsdaten aufgreifen und diese Informationen in verlässlich akkurate Voraussagen umwandeln können. So können wir vorhersagen, wie sich der Ausbruch auch kurzfristig verhält."

Laut seinen Erfindern soll das IDEA-Modell die Schwächen der r_0-Zahl ausgleichen, die die Maßnahmen der Epidemiekontrolle oft unberücksichtigt lässt.

Ebenso wie die Kategorienmodelle funktioniert r_0 am Besten ganz zu Beginn eines Ausbruchs unter Verwendung der Ursprungswerte. Im Verlauf der Epidemie ändert sich die Lage unter Umständen sehr schnell, außerdem können öffentliche Gesundheitsmaßnahmen tonnenweise neue Variablen in die Rechnung mischen.

Hätte also eine anfängliche Untersuchung der Ebolagebiete berechnen können, inwieweit Fehlinformationen und öffentliche Unruhen die Quarantäne-Maßnahmen unterwandern? Genau aus diesem Grund haben die Mathematiker IDEA entwickelt.

r_0 ist als die durchschnittliche Anzahl sekundärer Infektionen definiert, die eine Ursprungsinfektion erwarten lässt. Anders ausgedrückt: r_0 besagt, wie viele Menschen jeder Infizierte infizieren kann, bevor er selbst nicht mehr ansteckend ist.

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Ebola liegt in den USA bei ungefähr r_0=1.5 und in Westafrika, wo sich die Krankheit leichter ausbreiten kann, eher bei 2. Wichtig dabei ist, dass 1.5 ein Ursprungswert ist, der sinken sollte, sobald weitere Maßnahmen ergriffen werden.

Die Messung dieses Rückgangs ist schwierig, sagt Greer. Ihr Modell führt daher eine neue Variable d ein, um r_0 folgendermaßen zu modifizieren:

Das d stellt in dieser Gleichung einen Discount-Faktor dar, welcher sich mit der Zeit ändert—der Begriff rührt daher, dass er Preisabschlägen in Finanzierungsmodellen ähnelt. In diesem Fall wird er eingesetzt, um die Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie, also Impfungen, Quarantänen usw. darzustellen. Je größer d wird, desto kleiner die Ergebnisse I. Das I bezeichnet die Gesamtzahl der Infizierten.

Mit diesem ersten I können wir jetzt herausfinden, wie sich der Wert mit der Zeit verändert. Dafür gibt es diese Gleichung, in der Ret bei der Zeit 0 für r_0 steht:

Wenn wir also den R-Wert an einem bestimmten Zeitpunkt (was Ret ist) mit der ersten Gleichung multiplizieren, erfahren wir, wie viele Ansteckungen im nächsten Zeitintervall zu erwarten sind.

Das IDEA-Modell kann die Übertragbarkeit von Krankheiten also viel dynamischer darstellen als andere Modelle, da es mit Hilfe der verschiedenen Maßnahmen zur Epidemiekontrolle ständig modifiziert wird. Besser gesagt: Die beobachteten Effekte dieser Maßnahmen modifizieren das Modell.

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Spielen wir jetzt ein bisschen mit der Algebra in den Gleichungen herum, liefert sie uns weitere interessante Prognosen wie zum Beispiel die zu erwartende Zeit, bis die Epidemie wahrscheinlich stagniert, eine geschätzte Maximalzahl an insgesamt Infizierten und so weiter. Das Modell kann auch Seuchenexperten helfen und bestimmen, wie effektiv ihre Maßnahmen sind.

Greer und ihr Team testeten das Modell anhand von Daten eines H1N1-Ausbruchs in Nunavet in Kanada (Also anhand einer ziemlich isolierten Population). Die Ergebnisse könnt ihr euch unten ansehen. Die Modelle folgten den beobachteten Daten ziemlich gut. SI bezieht sich hier darauf, wie viele Zeitintervalle (ts) berechnet wurden.

In den simulierten Epidemien stellten die Forscher fest, dass ihr Modell es mit niedrigen oder moderat angesetzten r_0-Werten aufnehmen kann—genau das hat dem SIR-Modell bislang Probleme bereitet. Greer und ihrem Team zufolge funktionierte IDEA dagegen nahezu perfekt.

„Wir haben herausgefunden, dass die Ergebnisse des IDEA-Modells für Seuchendynamiken mit niedrigem oder moderaten r_0 außerordentlich genau waren. Parameter in dritter oder vierter Ableitung können das volle Ausmaß der simulierten Epidemien ebenfalls mit bemerkenswerter Genauigkeit voraussagen", resümierte das Team in seinem PLOS One-Paper.

Das IDEA-Modell wird seine Präzision in den nächsten Monaten noch weiter unter Beweis stellen müssen.