Kathrin Schwanz, Valentin N. und Christian Schwanz
Kathrin Schwanz, Valentin N., Christian Schwanz | Bild: Kathrin Schwanz || Viktoria Grünwald || Christian Schwanz

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Das erwartet dich im Internet, wenn du Ficker, Schwanz oder Goebbels heißt

Und trotzdem will Andreas Ficker seinen Namen behalten. Genau wie Kathrin Schwanz oder Friederike Goebbels.

Leute, die Ficker mit Nachnamen heißen, gibt es wirklich. Und wahrscheinlich geht ihr Name eher auf ein altes Wort für Beutelmacher als auf übermäßige Kopulationsambitionen zurück. Während du dir ohne Probleme als Andi Schmidt eine E-Mail-Adresse anlegen kannst, hat Andreas Ficker damit Probleme, wie auch ein Motherboard-Test bestätigt.

Wir haben mit fünf Menschen geredet, die ungewöhnliche Nachnamen haben: Ihre Namen sind sexuell aufgeladen, diskriminierend oder erinnern unrühmlich an Nazis. Einfacher macht ihr Name das Leben auf Social-Media-Plattformen nicht, und trotzdem haben sie eines gemeinsam: Loswerden wollen sie ihre ungewöhnlichen Namen nicht.

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Christian Schwanz, 41, Brand Specialist: "Facebook wollte eine Passkopie"

Foto von Christian Schwanz

Bild: Christian Schwanz

Motherboard: Kann man sich als Herr Schwanz problemlos auf Online-Plattformen registrieren?
Christian: Nein, Facebook wollte von mir eine Passkopie. Ich hab gleich vermutet, dass es am Nachnamen liegt. Finde ich etwas albern. Nervig war es natürlich auch, weil ich schnell einen Facebook-Account haben wollte. Stattdessen musste ich vier Tage warten. Bei Gmail konnte ich mir einfach einen Account mit meinem richtigen Namen zulegen.

Wie reagieren Menschen, wenn du beruflich E-Mails mit deinen Namen verschickst?
Ich lebe seit zehn Jahren nicht mehr in Deutschland, sondern in Asien. Und da weiß sowieso niemand, was "Schwanz" bedeutet. Das macht alles etwas leichter. Ich benutze also schon meinen vollen Namen, auch für berufliche Mails, und es kam da bisher nie zu Späßen.

Wie oft wirst du wegen deines Nachnamens ausgelacht?
Menschen, die mich vorher nicht kannten, müssen bei der ersten Begrüßung immer schmunzeln. Dafür ist der Name schön einprägsam. Einmal getroffen, nie wieder vergessen. Als kleiner Junge auf dem Schulhof war das anders. Aber es half damals, den großen Bruder auf der gleichen Schule zu haben. Da wurde dann auch schon mal ausgeteilt oder zumindest Drohungen verteilt. Mein Bruder hat übrigens den Namen seiner Frau angenommen, als er geheiratet hat.

Möchtest du deinen Namen auch loswerden?
Nein, ich bin auch schon lange verheiratet. Meine Frau hat einen arabischen Namen. Dann doch lieber was Versautes. Der arabische Nachname meiner Frau würde wohl an jeder Grenze den Alarm auslösen. Ich reise sehr viel und erspare mir lieber solch einen Spießrutenlauf. In ihrer Kultur ist es ohnehin nicht üblich, den Namen durch die Ehe zu ändern.

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Valentin Neger, Künstler, 25: "Leute fragen, was ich mir einbilde"

Bild von Valentin N.

Bild: Viktoria Grünwald

Motherboard: Was findest du, wenn du dich selbst googelst?
Valentin: Es gibt einen Artikel von der Welt über die Herkunft meines Familiennamens. Dort erklärt ein Namenforscher, dass der Nachname vom Beruf "Näher" kommt und schon existierte, bevor mit diesem Wort Schwarze Menschen bezeichnet wurden. Natürlich habe ich auch viele Seiten gefunden, die mit mir zu tun haben, aber auch super strange Seiten mit merkwürdigen Texten. Als ich den Namen meiner Mum gegoogelt habe, kamen lustigerweise Pornoseiten. Die haben aber nichts mit ihr zu tun. Es gibt zum Beispiel einen Porno, in dem die Frau wie meine Mum heißt und Sex mit einem Schwarzen Mann hat.

Macht dir dein Nachname Probleme im Internet?
Ja, damals, als ich meinen Facebook-Account erstellen wollte, konnte ich mich mit meinem Nachnamen nicht anmelden. Es kam nur "der Name verstößt gegen die Nutzungsrichtlinien von Facebook". Mir wurde aber auch nicht angeboten, mich zu verifizieren. Es ging einfach nicht. Ich habe dann ein Leerzeichen in der Mitte eingebaut.

Zwei Jahre später habe ich nochmal versucht, meinen Namen dort zu ändern, und dann ging es. Vielleicht, weil ich damals schon einige Freunde hatte. Ich fand das total hängengeblieben. Ich heiße halt so. Ich verstehe irgendwo schon, dass es diese Listen gibt, aber ich finde, man hätte mir damals die Möglichkeit geben müssen, mich auszuweisen.

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Bei E-Mail-Adressen hatte ich keine Probleme, aber bei Instagram. Da wurde ich schon häufig von anderen Nutzern gemeldet und des Öfteren temporär gesperrt.

Wie hart war es mit dem Namen, als du jung warst?
In der Schule wurde ich sehr viel verarscht. Die Lehrer haben immer versucht, mir unterschwellig einzutrichtern, dass man meinen Namen nicht sagen dürfe. Alle anderen wurden mit Nachnamen genannt, wenn es um irgendwelche Listen ging – mein Nachname wurde immer weggelassen. Auch auf den Anwesenheitslisten stand immer nur Valentin. Meine Mutter wollte sich öfters deswegen beschweren, aber ich wollte nicht, dass sie sich einmischt. Ich bin da schon mit klargekommen.

Wie reagieren Menschen im Internet auf deinen Namen?
Die meisten Leute finden es einfach krass, dass es Menschen gibt, die so heißen. Ich poste und kommentiere aber auch nicht viel. Bei Instagram haben mich viele gefragt, ob ich wirklich so heiße oder was ich mir einbilden würde, mich so zu nennen. Deswegen hatte ich eine Zeit lang auch meinen Ausweis als Profilbild. Aber auch da gab es dann welche, die wollten, dass ich meinen Nachnamen ändere.

Wolltest du den Namen nie ändern?
Doch, als ich kleiner war. Aber heute nicht mehr. Das ist ein wahnsinnig alter Name und halt der Name meiner Familie. Ich würde den Namen bei einer Hochzeit auch nicht abgeben. Es würde sich für mich wie Aufgeben anfühlen. Als würde ich einen Teil von mir verleugnen.

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Friederike Goebbels, 32, Künstlerin: "Kommentiere manchmal nicht mit meinem Namen"

Motherboard: Kann man sich als Goebbels überhaupt bei Online-Plattformen registrieren?
Friederike: Ich wollte mir mal bei GMX eine E-Mail-Adresse mit meinem vollen Namen einrichten. Aus Seriositätsgründen. Und das ging tatsächlich nicht. Ich habe dann auch eine E-Mail an GMX geschrieben, aber da kam nie eine Antwort. Vielleicht versuchen Firmen dadurch Leute davon abzuhalten, mit falschen Namen etwas Schlechtes zu tun. Deswegen war ich nicht sauer auf GMX, aber ich fand es in dem Moment natürlich blöd. Statt meinem vollen Namen wurde mir friederike.g(at)gmx.de vorgeschlagen.

Wenn du in einem Forum einen Nutzer mit deinem Nachnamen triffst – glaubst du, die Person heißt wirklich so?
Nee, aber ich bin auch wirklich nicht so viel online unterwegs, außer auf Facebook.

Wie oft landen deine E-Mails im Spam?
Ich glaube, häufiger als bei anderen Leuten, aber das kann auch meine Paranoia sein.

Wirst du für deinen Nachnamen verarscht?
Als ich klein war, gab es in meiner Familie häufiger Probleme, weil wir damals noch im Telefonbuch standen. Dauernd haben Leute bei uns angerufen und irgendwelche Scherze getrieben. Manche haben nach Joseph oder Adolf gefragt. Eine Frau behauptete, bei der NPD zu sein und uns anwerben zu wollen. Und eine psychisch ernsthaft kranke Person machte über Monate hinweg Telefonterror bei uns, bis sie von der Polizei gestoppt wurde. Als ich noch klein war, habe ich das Telefon immer an meine Eltern weitergegeben. Später habe ich manchmal zurück gepöbelt oder gefragt, was das soll. Das hat aber nie jemand beantwortet. Im Internet ist mir das bisher noch nicht so aufgefallen. In der realen Welt reagiert stattdessen fast jeder irgendwie auf den Namen. Die meisten fragen tatsächlich, ob ich mit Joseph Goebbels verwandt sei.

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Wie reagieren Menschen auf Facebook?
Es gibt schon Momente, in denen ich mich bewusst dagegen entscheide, mit meinem Namen etwas zu kommentieren. Bei Posts über die AfD oder zu Rassismus halte ich mich zum Beispiel eher zurück. Selbst, wenn es inhaltlich im Gegensatz zu dem steht, was man mit dem Namen assoziiert.

Kaum ein Name, außer Hitler, ist so eng mit dem Nationalsozialismus und dem Völkermord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden verbunden. Wie lebt es sich mit diesem Nachnamen?
Irgendwie hat jeder das Bedürfnis etwas zu meinem Namen zu sagen. Sogar die Supermarktverkäuferin, wenn ich mit Karte zahle. Das ist natürlich manchmal etwas anstrengend und eine Sache, die mich zumindest schon viel beschäftigt hat.

Warum hast du deinen Namen nicht geändert?
Meine Schwester hat ihren Namen tatsächlich geändert. Ich habe zur gleichen Zeit ein Videoprojekt gestartet, was sich mit diesem Prozess, aber auch den Auswirkungen von Namen auf die eigene Identität auseinandersetzt.



Bisher habe ich mich aber nicht zu einer Namensänderung entschieden. Andererseits hat es vielleicht auch einen Vorteil, wenn man mit diesem Namen rumläuft und es diese Konfrontation noch gibt. Ich finde es beängstigend zu sehen, wie Menschen sich zunehmend hemmungslos rassistisch oder antisemitisch äußern. Vielleicht kann so ein Name zumindest ein Reibungspunkt sein, durch den es zum Gespräch kommt. Wenn der Name keine Irritation mehr auslösen würde, hieße es, dass ein Teil der Geschichte vergessen oder nicht weitergegeben wurde.

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Andreas Ficker, Restaurator, 50: "Ich möchte mit dem Namen sterben"

Motherboard: Steht dein Nachname in deiner E-Mail-Adresse?
Andreas: Nein, weil mein voller Name vom E-Mail-Provider nicht akzeptiert wurde. Das entscheidet ja heute kein Mensch, sondern ein Computer, und da scheint mein Nachname auf der schwarzen Liste zu stehen. Vielleicht wird vermutet, dass hinter meinem Namen irgendwelche Pornogeschäfte stehen. Ich finde das aber nicht besonders tragisch, ich kann verstehen, dass mein Name problematisch ist. Trotzdem schließt man die wenigen Menschen, die wirklich so heißen, damit aus. Jetzt benutze ich in meiner E-Mail-Adresse eine Kombination aus meinem Vornamen, Nachnamen und Wohnort. Ein Computerprogramm wird da keinen Zusammenhang mit meinem Nachnamen erkennen.

Wie sieht es mit sozialen Netzwerken aus?
Ich bin bei keinen sozialen Netzwerken angemeldet, das ist mit meinem Namen sicherlich auch nicht günstig. Als Andreas Schmidt würde ich mich da aber ebenfalls nicht anmelden, weil mir die Art, wie Daten in sozialen Netzwerken verewigt werden, nicht geheuer ist.

Hast du schon einmal über eine Namensänderung nachgedacht?
Mein Name hat auch Vorteile: Er wird nicht vergessen. Meine Kinder haben den Nachnamen meiner Frau angenommen. Ihnen wollte ich den nicht unbedingt antun, aber ich selber möchte damit sterben. Als Schüler tauchte ich immer als "Ticker" auf den Schul-Listen auf. Das wurde auch während meiner Schulzeit nicht mehr geändert. Meine Schwester arbeitet an einer Schule. Da war es quasi unmöglich, den Namen Ficker zu behalten. Sie hat dann den Geburtsnamen unserer Mutter angenommen.

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Wie oft wird man als Andreas Ficker verarscht?
Heute schmunzeln die Leute höchstens, wenn sie meinen Namen hören. Ich lebe in einer Kleinstadt, meine Familie ist hier verwurzelt. Mein Vater war Arzt – zum Glück kein Frauenarzt. Die Leute kennen uns hier und haben sich an den Namen Ficker gewöhnt. In einer Großstadt wäre das vielleicht anders. Als Kind wurde ich natürlich auch ab und an gehänselt. Kinder haben gerufen: "Fick mal wieder" oder "Fick, Fick, Fick". Aber ich stand da immer drüber und konnte mich wehren. Trotzdem ist es kein schönes Gefühl, wenn in der Aula der Name jedes Kindes aufgerufen wird, und bei mir 500 schlecht erzogene Menschen lachen und grölen. Wirklich unter meinem Namen gelitten habe ich aber nie.

In der Uni habe ich mir sogar selbst einen Spaß aus meinem Namen gemacht. Ich hatte einen Kommilitonen, der Möse mit Nachnamen hieß. Wenn wir uns auf dem Campus getroffen haben, haben wir uns immer laut mit "Hey Möse" und "Hey Ficker" begrüßt. Die Gesichter der anderen Leute waren immer Gold wert.

Kathrin Schwanz, Achtsamkeits-Coach, 37: "Auf meiner Visitenkarte stand Kathrin Schwanz Yoga"

Bild von Kathrin Schwanz

Bild: Kathrin Schwanz

Motherboard: Hattest du schon mal Probleme, dir mit deinem Namen einen Online-Account anzulegen?
Kathrin: Ja, vor über zehn Jahren bei StudiVZ. Ich konnte mich mit meinem Namen nicht anmelden und musste mit einer Ausweiskopie beweisen, dass ich wirklich so heiße. Das war schon doof. Ich wollte dabei sein und das hat ewig gedauert. Einen Fake-Namen wollte ich nicht. Heute bin ich aber überall mit meinem vollen Namen angemeldet und hatte da keine Probleme.

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Wie reagieren Menschen im Internet auf deinen Namen?
Die meisten Facebook-Freunde kennen mich ja. Deshalb gibts da keine doofen Reaktionen. Wenn ich aber einen neuen Job anfange, ist es immer ein großer Spaß für die Leute. Ich habe schon öfter gehört, dass alle sehr gespannt waren, wie ich mich vorstellen werde. Es haben sich auch schon Kollegen im Büro total weggeschmissen, als ich zum ersten Mal ans Telefon gegangen bin. Ich sage immer: "Kathrin Schwanz, Firma XY, Hallo." Dann fragt die Gegenseite: "Schwarz?" Und ich sage dann: "Nein, Schwanz wie Schwanz."

Kommentierst du viel online?
Ja. Aber ich hab da noch nie was Blödes erlebt. Ich habe eher das Gefühl, dass mein Name Türen öffnet und man leichter einen Zugang findet – sowohl online als auch offline. Man merkt sich meinen Namen. Ich glaube für einen Mann ist der Name dramatischer. Da kann man mehr Witze machen. Mein Bruder wurde viel mit dem Namen geärgert. Als er zwölf war, haben sie ihn immer als "schwanzlos" bezeichnet. In der Pubertät ist das, glaube ich, schon blöd.

Gab es Menschen, die auf deinen Namen so gar nicht klarkamen?
Ich erinnere mich noch an meinen Mathe-Professor. Der kannte von Anfang an jeden Namen, meinen ganz sicher auch. Aber er hat mich das ganze Studium über nicht einmal dran genommen. Alle anderen Leute hat er mit ihrem Nachnamen aufgerufen, mich nicht, und das vier Jahre lang. Wenn er mich mal dran genommen hat, hat er nur mit der Hand in meine Richtung gezeigt. Ich finde es amüsant, dass er nicht über seinen Schatten springen konnte.

Wolltest du deinen Namen nie loswerden?
Nein. Ich habe meinen Nachnamen bei der Hochzeit behalten. Mein Mann wollte meinen Namen nicht annehmen. Aber ich bin 37 Jahre mit ihm groß geworden, ich will den behalten. Im Gespräch hast du immer direkt ein Thema und der Name macht die Leute fröhlich. Heute arbeite ich als Yogalehrerin. Auf meinen ersten Visitenkarten stand nur "Kathrin Schwanz Yoga" – alles in gleicher Schrift, mit gleichem Abstand. Und ich hab's überhaupt nicht geschnallt, bis eine Freundin mir irgendwann gesagt hat, dass die Leute Schwanz-Yoga lesen. Jetzt benutze ich die Karten nicht mehr, aber ich gucke sie immer noch sehr gerne an.

Mitarbeit: Anna Biselli, Max Deibert

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