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Popkultur

Willkommen in einer Welt nach dem Selfie

Warum auf Instagram alle so tun, als würden sie die Kamera nicht sehen und warum der "Plandid"-Trend damit eigentlich tot ist.
Public Domain CC0

Wenn Instagram es in letzter Zeit in die Nachrichten geschafft hat, dann entweder wegen eines Accounts, der anders war als alle anderen Accounts (zum Beispiel der von Erni Stollberg, dem 95-jährigen Wiener Insta-Model) oder aber, weil das Facebook-Unternehmen wieder mal Nippel oder Regelblut zensiert hat. Gelegentlich gibt es auch Meldungen wie "Instagram kann sehen, wie depressiv du bist" in die Schlagzeilen.

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Und dann sind da noch echte Hypes. Große, neuartige, nie dagewesene Dinge auf dem Weg zum nächsten Netz-Trend. Womit wir bei den sogenannten Plandids wären. Die Headlines dazu lesen sich so: "Plandids are the Instagram trend of the moment", "Plandids are all over Instagram" und "The Instagram trend taking over your feed this summer". Ach du liebes Internet!

Jemand da draußen ist also auf die Idee gekommen, diese selbstvergessenen Instagram-Posen, bei denen alle so tun, als würden sie die Kamera nicht bemerken, mit "Plandid" zu benennen. Und jetzt stehen alle Plandid-Fotografen der Insta-Welt im Kreis und onanieren auf den heißen, neuen Social-Media-Hype.

Aber wie sagt man so schön? Ein Trend ist dann vorbei, wenn darüber berichtet wird. RIP in Peace, Plandids. Wir blicken zurück:

"Plandid" ist ein Kofferwort, das sich aus "planned" und "candid" zusammensetzt. "Candid" heißt übersetzt so viel wie "offen" oder "aufrichtig" und bezeichnet im Bereich der Fotografie auch spontane, ungestellte und daher authentische Bilder, auf denen das Subjekt meist nicht weiß, dass es fotografiert wird. Gibt es etwa aktuelle Paparazzi-Schnappschüsse von Britney in Jogginghosen bei Starbucks, dann sind das Candids. Plandids sollen genau diesen Eindruck der Ahnungslosigkeit des Models erwecken, nur eben inszeniert. Geplante Zufälligkeit also. Jap.

Ihr kennt das aus eurem Feed: Jedes sonnenbebrillte Mädchen, das sich in die Haare greift, nach unten schaut und dabei lächelt. Jeder Typ, der auf irgendeinem Balkon, wahlweise auch am Strand steht und stoisch in die Ferne blickt. Alle, die eiskalt so tun, als würden sie nicht wissen, dass sie gerade fotografiert werden und dadurch eine vermeintliche Mühelosigkeit vermitteln, die in Wahrheit ziemlich viel Aufwand kostet.

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Aber sind Plandids wirklich die neuen Selfies? Warum machen das Menschen überhaupt? Und bedeutet das, dass unsere Tanten in zwei Jahren auch damit anfangen werden? Sucht man auf Instagram nach dem Hashtag #plandid wird man jetzt nicht gerade von Ergebnissen überschwemmt – andererseits, wenn es beim Plandid einzig und allein darum geht, eine gefälschte Momentaufnahme echt aussehen zu lassen, wird man das wohl auch kaum in Form eines Hashtags offenlegen.

Weder die Praktik noch die Bezeichnung "Plandid" ist übrigens wirklich neu. Tatsächlich stammt der erste Eintrag auf Urban Dictionary aus dem Jahr 2010 – falls ihr zu den Leuten gehört, die glauben, 2010 wäre gefühlt gestern gewesen: 2010 ist sieben Jahre her. Wirklich. Wir haben das überprüft. Eine ganze Heptade, wenn man so möchte.

Im selben Jahr – zur Erinnerung: wir reden immer noch von 2010, also vor sieben langen Kalenderjahren – kam übrigens auch Instagram auf den Markt. Das Phänomen ist also auf gewisse Weise so alt wie die App selbst.

Seither wurde Instagram bekanntlich von Facebook gekauft, nach und nach so gut wie all ihrer charakteristischen Merkmale entledigt und mit ganz viel Liebe zur Belanglosigkeit in Richtung Snapchat verschlimmbessert. Letztendlich wurde die einstige Einschränkung auf quadratische Bilder genauso abgelegt wie die Option auf Rahmen in Fotofilm-Optik und – für immer in unseren Herzen – der chronologische Feed.

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Als letztes Jahr dann auch noch das klassische Kamera-Icon einem patzigen Farbverlauf aus Microsoft Word weichen musste, wurde deutlich, dass Instagram den namensgebenden Instant Camera-Aspekt endgültig fallen lässt. Man erinnere sich an die anfänglichen Lomografie-Spielereien, die Vintage-Filter, die Polaroid-Rahmen und die fehlende Möglichkeit, Fotos aus dem eigenen Telefonspeicher posten zu können. Damals war Instagram nämlich so instantan, dass die geposteten Fotos noch innerhalb der App geschossen werden mussten. Kaum auszudenken! Das gaukelte einerseits zwar Retro-Ästhetik auf modernen Gadgets vor, andererseits war es aber irgendwie, naja, candid und hatte im Grunde genommen genau die Spontaneität, die man mit Plandids versucht, vorzutäuschen.

Ob auf den Tod des Plandids ein neuer Trend folgt, wird sich zeigen, es wäre allerdings dringend – einige Blogger behaupten jetzt nämlich, sie würden Plandids zwar schon lange machen, hätten allerdings erst kürzlich von der Bezeichnung erfahren – was also bedeutet, dass sie unbewusst Plandids gemacht haben. Und das bedeutet wiederum, dass die jetzt glauben, sie hätten zwar die ganze Zeit Zufälle inszeniert, aber versehentlich. Und das, liebe Freunde, geht über unsere Vorstellungskraft hinaus und außerdem zu weit.

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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