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Die tragische Geschichte der Cyborg-Katze, die für die CIA in den Kalten Krieg zog

Mit Batterien im Bauch und einer Funkantenne im Schwanz sollte das Tier russische Agenten ausspionieren. Die CIA ließ sich das 20 Millionen Dollar kosten – und erlebte einen epischen Fehlschlag.
Katze hinter einer Mauer
Das ist nicht die echte 'Acoustic Kitty' | Bild: imago | Blickwinkel

Wir haben uns fast schon daran gewöhnt, dass uns alles und jeder ausspionieren kann: Die Webcam filmt ungefragt, Apps schalten heimlich das Smartphone-Mikro ein und selbst Sexspielzeug gibt intimste Geheimnisse weiter. Dabei ist es keine neue Erfindung, dass kreative Geheimdienste alles in ein Spionage-Tool umwandeln, was sich im Entferntesten dazu eignet: Lippenstifte zum Beispiel, Streichholzschachteln oder auch eine lebendige Katze.

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Ja, ihr habt richtig gelesen. Als im Jahr 2001 ehemals geheime CIA-Dokumente für die Öffentlichkeit freigegeben wurden, kam neben grausamen LSD-Experimenten und geheimen Astralreisen auch eines der wohl ungewöhnlichsten Experimente des US-amerikanischen Nachrichtendienstes zu Tage: Operation Acoustic Kitty.

Alles begann 1961, als sich der Kalte Krieg immer weiter zuspitzte. Die CIA versuchte, die sowjetische Botschaft in Washington D.C. auszuspionieren – ohne großen Erfolg. Bis ein Mitarbeiter eine Idee hatte: Warum nicht einfach eine Katze in ein wandelndes Abhörgerät verwandeln? Schließlich können Katzen überall kommen und gehen, ohne dass sich jemand etwas dabei denkt. Man müsste eine Katze nur mit einem Mikrofon ausstatten, in der Nähe der Botschaft aussetzen und voilà: Schon hätte man ungehinderten Zugang zu russischen Geheiminformationen. Die CIA war von dieser Idee so überzeugt, dass sie ein Budget von 10 Millionen Dollar für das Projekt locker machte.

Mikro im Ohr, Antenne im Schwanz

Wer nun glaubt, dass die Agenten einfach einer Mieze ein Halsband mit Mikrofon umlegten, hat weit gefehlt. Schließlich waren Aufnahmegeräte in den 1960er Jahren ungefähr so groß wie ein Toaster. Darum tüftelten die Mitarbeiter des Langley-Forschungszentrums der CIA , wie sie das nötige Equipment, also Mikrofon, Batterien und eine Antenne, innerhalb der Katze montieren konnten – idealerweise, ohne das Tier bei der Prozedur zu töten. Bedenkt man, dass PETA heute schon gegen das Angeln in Videospielen protestiert, kann man nur erahnen, wie die Tierschutzorganisation damals auf die Cyborg-Katze reagiert hätte.

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Nach langen Überlegungen hatten die Ingenieure schließlich einen Plan: Das Mikrofon sollte in den Gehörgang der Katze implantiert werden, während die Antenne entlang der Wirbelsäule bis zum Schwanz unter dem Fell entlang führte. Die Batterien und der Funksender sollten im Bauchraum platziert werden. Die Autorin Emily Anthes beschreibt in ihrem Buch Frankensteins Katze: Wie Biotechnologen die Tiere der Zukunft schaffen, wie ein Tierarzt eine gewöhnliche grau-weiße Katze während einer einstündigen Operation in ein Lauschangriff-Werkzeug verwandelte. Wie durch ein Wunder überlebte die Elite-Spionin den Eingriff. Victor Marchetti, der zu dieser Zeit Assistent des CIA-Direktors war, sagte später, dass an diesem Tag "ein Monster" geschaffen wurde. Damals waren offenbar alle Beteiligten mit dem Ergebnis zufrieden. Sie waren zuversichtlich, dass die Katze bald einsatzbereit sein würde und ihnen unbezahlbare Informationen liefern würde. Weit gefehlt.

Denn als sich die Abhör-Katze halbwegs von ihrer Operation erholt hatte, mussten die Agenten feststellen, dass sie sich immer noch wie eine ganz normale Katze verhielt. So lief sie bei den ersten Tests überall hin, nur nicht zu ihren Zielobjekten. Statt strategisches Feingefühl an den Tag zu legen, jagte die Katze lieber Vögeln hinterher, um ihren Hunger zu stillen. Die CIA-Agenten sahen nur eine Lösung: Die Katze musste erneut unters Messer. Diesmal sollte ihr Appetit gedrosselt werden, in der Hoffnung, dass sie dann konzentrierter arbeiten würde. Außerdem sollte sie ein spezielles Training durchlaufen, um sie gefügig zu machen. Auch wenn Details dieser zweiten Maßnahme nach wie vor der Geheimhaltung unterliegen, ist so viel bekannt: Die US-Regierung ließ offenbar weitere 10 Millionen US-Dollar dafür springen.

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Für das Training wurde Bob Bailey angeheuert, einer der besten Tiertrainer seiner Zeit. Bailey leitete auch das Delfin-Programm der US-Navy. Er sagte später gegenüber dem Smithsonian Magazin, dass es gelang, die Katze auf bestimmte Stimmen zu trainieren, bis sie ihrer Umgebung weniger Beachtung schenkte. Der kalifornische HNO-Arzt Robin Michelson half der CIA dabei, der Katze ein weiteres Implantat zu verpassen, mit dem sie sich über Ultraschall-Frequenzen zumindest teilweise steuern ließ. Denn was ist besser als ein wandelnden Abhörgerät, dass nur an völlig irrelevanten Orten herumstreunt?


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Das traurige Ende von Acoustic Kitty

Nach fünf Jahren harter Arbeit, mehreren Operationen, Hunderten Stunden Verhaltenstraining und 20 Millionen US-Dollar Steuergeldern war der große Tag endlich gekommen: In einem unauffälligen, weißen Van wartet Acoustic Kitty vor der sowjetischen Botschaft auf ihren ersten Einsatz. Die Mission: Sie soll zwei Russen auf einer Parkbank ausspionieren.

Doch dann nimmt das Schicksal seinen Lauf, wie der ehemalige CIA-Mitarbeiter Marchetti berichtet: Sobald die Abhör-Mieze aus dem Wagen gelassen wird, ignoriert sie alle Befehle, rennt schnurstracks auf die Straße – und wird von einem Taxi überfahren. Operation Acoustic Kitty ist gescheitert.

Ein anderer ehemaliger CIA-Mitarbeiter, Robert Wallace, bestreitet diese tragische Version der Geschichte. Er meint, dass die Katze nicht bei einem Unfall starb, sondern von der CIA wieder in ein ziviles Leben zurückgeführt wurde. Fest steht, dass die CIA das Projekt Acoustic Kitty 1967 einstellte, das geht aus den freigegebenen Dokumenten hervor. Die Begründung lautete: Trotz der wissenschaftlichen Pionierarbeit der CIA-Mitarbeiter seien Cyborg-Katzen als Geheimdienstmitarbeiter schlichtweg ungeeignet.

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