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Dieser Typ hat aus Trotz elf Zeilen Code gelöscht und das Internet kaputtgemacht

„Fickt euch doch. E-Mailt mir nicht mehr zurück.“
Bild: GitHub

Auch wenn er es nicht nicht zugeben wollte; ein bisschen bockig war Azer Koçulu schon, als er vergangene Woche mal eben das Internet kaputtmachte. Wenn der türkischstämmige Programmierer nicht gerade mit seinem BMX-Bike durch Oakland cruist oder in Flüchtlingscamps fotografiert, schreibt er nämlich leidenschaftlich gern Open-Source-Code, den alle nutzen dürfen—und genau das wollte ihm ein verhasster Anwalt madig machen.

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In einer E-Mail an Quartz erzählt Koçulu, er sei „ein autodidaktischer Highschool-Absolvent, und alles, was ich weiß, habe ich von der Open-Source-Community gelernt. (…) Ich verdanke den Leuten, die ihre Open-Source-Prinzipien nicht aufgegeben haben, alles." Bedeutet: Koçulu ist nicht nur von der Hackerethik des MIT und Stallmann's Manifest beeinflusst, sondern auch ein entschiedener Gegner der Kommerzialisierung von Systemsoftware.

Eins der vielen JavaScript-Pakete unter Open-Source-Lizenz, die Koçulu geschrieben hat, heißt kik. Damit können Programmierer Templates für ihre Projekte erstellen—ein hilfreiches, aber nicht sehr weit verbreitetes Code-Paket, das auf einem Dienst namens npm registriert und verwaltet wird. Eines Tages bekam Koçulu Post von einem Herrn namens Stratton, der die Messenger-App Kik mit 270 Millionen Kunden vertrat und ankündigte, dass Kik ihr eigenes Paket unter diesem Namen entwickeln wolle. Ob man ihn denn vielleicht dazu bewegen könne, sein kik-Paket umzubenennen?

Tut mir leid, aber ich baue da gerade an einer Open-Source-Geschichte, die so heißt, antwortete Koçulu. Der E-Mail-Austausch ging folgendermaßen weiter:

„Wir wollen nicht arschig sein, aber Kik ist eine eingetragene Handelsmarke in den meisten Ländern und wenn du wirklich ein Open-Source-Projekt unter diesem Namen veröffentlichst, werden unsere Anwälte direkt bei dir auf der Matte stehen, deine Accounts löschen und solche Sachen—wir haben keine Wahl, entweder man setzt Markennamen durch oder verliert sie."

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„Haha", antwortete Koçulu, „das ist allerdings ziemlich arschig von euch. Tja, fickt euch doch. E-Mailt mir nicht mehr zurück."

Machte Stratton aber, und bot Koçulu auch an, ihm den Namen abzukaufen.

„Klar, 30.000 Dollar für den Stress, dass ich mein Lieblingsprojekt wegen eines Haufens Firmenanwalts-Arschlöcher aufgeben muss", so die nicht sehr freundliche Antwort von Koçulu, der sich offenbar als David gegen einen übermächtigen Goliath fühlte und nicht im Ansatz die Absicht hatte, sich zu beugen.

So brachte Stratton die Geschichte vor die Firma npm, auf der Koçulus und tausende andere Open-Source-Pakete registriert waren. Und was machte die? Enttäuschte Koçulu bitterlich und schlug sich auf die Seite von Kik—der App.

Koçulu, mittlerweile schäumend, fühlte sich und seine felsenfesten Prinzipien verraten: „Ich kenne euch seit Jahren und hätte nie gedacht, dass ihr euch auf die Seite von Patentanwälten schlagt, die Open Source-Entwickler bedrohen!"

Und so zog er die letzte ihm noch mögliche Konsequenz und schrieb npm, er wolle alle seine Pakete, die er dort registriert hatte, sofort zurückziehen: „Ich finde, ich habe das Recht, meine eigenen Sachen zu löschen", schrieb er. „Ich will kein Teil mehr von npm sein."

Kurze Zeit später ging das Internet kaputt.

Programmierer und Entwickler rund um die Welt bekamen plötzlich Fehlermeldungen, nach der ein Paket namens left-pad sich nicht mehr in der npm-Registry befände. Das sorgte für echte Probleme beim Updaten von Apps, bei der Weiterentwicklung von Software, aber auch bei Facebook, Quartz, und auf Websites von Tschechien über die USA bis Deutschland und Australien gab es ernsthafte Schwierigkeiten durch die Abwesenheit eines winzigen Codeschnipsels namens left-pad. Auf der GitHub-Seite von left-pad wunderten sich Entwickler aus aller Herren Länder in hunderten Kommentaren, was zur Hölle nur mit ihrem Code los war.

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Des Rätsels Lösung liegt in den Abhängigkeiten von Javascript-Paketen und in der Tatsache, dass Software aufeinander aufbaut. Fällt eine Kleinigkeit aus, kann das oftmals bedeuten, dass auch größere Zusammenhänge nicht mehr funktionieren.

Koçulu erklärte später in einem Blogpost, dass er alle seine 273 Pakete gelöscht hatte—und eins davon war eben left-pad. „Ich mache open source, weil: Power to the people", triumphierte er. „Ich entschuldige mich bei euch, falls eure Sachen gerade deswegen kaputt gegangen sind."

Die Geschichte von kik zeigt, wie stark Code im Netz am seidenen Faden hängt, wie anfällig er für Störungen ist und wie sehr er von der Gnade der Programmierer und ihrer Zusammenarbeit abhängt. „Ein elfzeiliges npm-Paket namens left-pad wurde von der Veröffentlichung zurückgezogen… und hat manche der wichtigsten Pakete auf npm kaputtgemacht", hieß ein Reddit-Thread, der unter Programmierern heiß diskutiert wurde.

In jedem Fall entschied sich npm nur wenige Stunden nach der Löschung von Koçulus Paketen, die elf Zeilen Code wiederherzustellen, um das Internet nicht noch weiter lahmzulegen. „Hier steht das Interesse der ganzen Community gegen den Autor, deswegen haben wir uns für die Wünsche der Mehrheit entschieden", hieß es von Seiten npms.

So abhängig ist das Internet von diesem Codeschnipsel, dass schon Parodie-Seiten entstanden sind, auf denen left-pad allen Besuchern zur Verfügung steht, „damit sich so eine Tragödie niemals wiederholen kann".

Man könnte es als Ironie des Schicksals bezeichnen, dass unter den vielen Firmen, die ein fettes Code-Problem durch die Abwesenheit von left-pad hatten, auch eine ganz bestimmte Messaging-App war: Kik.