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Der Klimawandel fördert eine längst vergessene strahlende US-Basis zutage

Diesel, Schmutzwasser, giftiges PCB und eine unbekannte Menge radioaktiver Kühlflüssigkeit schlummern in den eisigen Tiefen der Arktis—und dank der Erderwärmung werden sie früher oder später wieder ans Tageslicht gelangen.
Ein Blick auf den Hauptgraben des Camp Century, Grönland. Bild: Pictorial Parade | Archive Photos | Getty Images

Seit mehreren Jahrzehnten schlummert eine verlassener atombetriebener US-Militärstützpunkt unter dem Eis von Grönland—zusammen mit gefährlichen Abfällen wie radioaktivem Material. Das US-Militär hatte die Camp Century genannte Basis wohl schon abgeschrieben und vermutet, dass sie auf ewig von Eis und Schnee bedeckt bleiben wird, doch jetzt beginnen die dicken Eisschichten Grönlands aufgrund des Klimawandels langsam zu schmelzen.

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Nun droht eine Menge gefährlicher Schadstoffe freigelegt zu werden: Unter anderem etwa 200.000 Liter Diesel, 240.000 Liter Schmutzwasser, giftige, polychlorierte Biphenyle (PCB)—und eine unbekannte Menge radioaktiver Kühlflüssigkeit aus dem Atomgenerator der Anlage. Das rechnet zumindest eine neuen Studie vor, die in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters veröffentlicht wurde.

Der Forscher William Colgan in Grönland. Bild: William Colgan

Die Militärbasis Camp Century wurde 1959 auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs unter der Oberfläche der nordwestlichen grönländischen Eisdecke erbaut. In den eiskalten Tiefen haben die USA den Einsatz von Atomraketen gegen Russland erforscht.

„Hier waren bis zu 200 Soldaten stationiert, die sogenannten Eiswürmer, die im Eis lebten", erklärte William Colgan, ein Klima- und Gletscherforscher von der York University in Toronto und Hauptautor des neuen Papers. Tatsächlich wurde die Basis im Eis errichtet statt nur auf dem Eis. Der praktische Nebeneffekt, das Ganze bis zu 35 Meter unter der Oberfläche zu errichten, bestand darin, dass die Gebäude nicht einfach vom unnachgiebigen Schnee begraben würden, wie der Wissenschaftler weiter erklärte.

Nachdem die Basis 1967 stillgelegt wurde, haben die USA so gut wie alles so stehen und liegen gelassen, wie es war—keine ungewöhnliche Vorgehensweise in den damaligen Zeiten. „Es ergab Sinn, anzunehmen, dass es für immer weiterschneien würde", führte Colgan aus und fügte hinzu, dass Camp Century und andere Stützpunkte ganz legal im Rahmen eines Abkommens zwischen Dänemark und den USA errichtet wurde. „Der Vereinbarung lag eine implizite Annahme zugrunde: dass der Schneefall ewig andauern würde", sagte er.

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Angesichts dessen, was wir heute über den

Klimawandel

und die Arktis wissen, die sich

Jahr für Jahr schneller erwärmt

, als andere Teile der Welt, „müssen wir feststellen, dass diese Orte keine ewigen Gräber sind. Vielleicht werden sie in einem Jahrhundert beginnen, auszuschmelzen."

2010 wurden im Camp Century Proben entnommen. Bild: William Colgan

Colgans Klimasimulationen legen nahe, dass es im Camp Century bereits im Jahr 2090 zur großen Eisschmelze kommen könnte. Danach wird der Abfall allmählich ausschmelzen, und die Schadstoffe werden wohl kaum an einem Ort bleiben. Sie könnten ins Meer gelangen, was verheerende Folgen für die Umwelt haben würde.

Den Abfall zu entsorgen ist relativ unkompliziert—die USA sind schon länger dabei, die DEW Line Radarstationen entlang der Arktis aufzuräumen. Ganze Ladungen gefährlichen Mülls werden in den Süden verschifft, wie Colgan erklärte—schwieriger ist dagegen die politische Entscheidung, wer eigentlich für die Aufräumaktion verantwortlich sein soll.

„Hier geht es längst nicht mehr nur um Dänemark und die USA und das zwischen ihnen abgeschlossene militärische Abkommen von 1951. Grönland ist [mittlerweile] weitgehend autonom und Kanada liegt nur 400 Kilometer [von Camp Century] entfernt. Es handelt sich also um eine multinationale Herausforderung, mit der wir durch den Klimawandel konfrontiert sind, und die uns noch über mehrere Generationen beschäftigen wird."

Eine Karte der Militärstützpunkte in Grönland. Bild: William Colgan

Camp Century ist jedoch nicht die einzige gefährliche Mülldeponie, die unter dem Eis vergraben ist. Wie Colgan anmerkt, sind ähnliche Militärstützpunkte aus dem Kalten Krieg über das gesamte Land verteilt.

„Wir bewegen uns in eine Zeit, in der es eher immer mehr als weniger Stützpunkte in der Arktis geben wird, jetzt wo sie immer stärker frequentiert wird", erzählte er mir. „Die USA und andere NATO-Partner sollten also mit gutem Beispiel vorangehen und einen verantwortungsbewussten Umgang mit den verlassenen Stützpunkten beweisen."

Würde man heute zum Camp Century reisen, würde man nur eine „flache, weiße" Fläche vorfinden, ohne sichtbare Spuren davon, was unter dem Eis lauert, wie Colgan, der zuletzt 2010 bei dem ehemaligen Militärstützpunkt war, berichtet. Aufgrund des Klimawandels wird das aber nicht für immer so bleiben und das giftige Erbe der Vergangenheit wird früher oder später ans Tageslicht gelangen.