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Warum der aktuelle Ethereum-Hype auch eine Schattenseite hat

Wie eine neue Berechnung zeigt, verbraucht das Netzwerk der Kryptowährung Ether bereits jetzt so viel Strom wie Zypern – ein neuer Algorithmus soll das ändern.
Sechs RX 470 GPUs in einem Mining Rig für Ethereum. Bild: Daniel Oberhaus/Motherboard

Der massive Boom der Kryptowährung Ethereum hat in den letzten Wochen einen digitalen Goldrausch ausgelöst. Nachdem der Kurs für einen Ether Anfang des Jahres noch bei rund 10 US-Dollar lag, hat er zwischenzeitlich sogar die magische Marke von über 300 US-Dollar überschritten, während die parallel ebenfalls gehypte Kryptowährung Bitcoin sogar an der Marke von 3.000 Dollar kratzte. Das wiederum rief zahlreiche Amateur-Miner auf den Plan – User, die sich eigenes Computer-Equipment zulegen und mit dem sogenannten Mining eigene Ether produzieren. Beim Mining handelt es sich um einen dezentralisierten Prozess, bei dem jeder mit eigener Rechenpower kryptographische Berechnungen löst, so zur Sicherheit und Authentifizierung der gesamten Währung beiträgt und dafür mit neuem Ether belohnt wird.

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Häufig benutzen Miner reguläre Grafikkarten, die speziell zu sogenannten Mining-Rigs umgerüstet wurden. Der Mining-Wahn hat zwischenzeitlich auch dazu geführt, dass die Preise für das benötigte Equipment um ein Vielfaches anstiegen. Doch es gibt noch eine andere, kaum beachtete Nebenwirkung: Das Ethereum-Mining verbraucht eine beachtliche Menge Strom.

Weitere Hintergründe zum Mining findet ihr in unserem Einsteiger-Guide für Ethereum

Das zumindest geht aus dem Realtime-Index von Alex de Vries hervor. Der Gründer der Kryptowährungs-Analyseseite Digiconomist rechnet mit seinem Tool hoch, dass jede Ethereum-Transaktion rund 45 kWh Strom verbraucht. Das ist ungefähr so viel, wie eine durchschnittliche US-amerikanische Familie in anderthalb Tagen verbraucht. Zum Vergleich: Eine Visa-Transaktion schlägt nur mit 0,00651 kWh zu Buche. Das gesamte Netzwerk könnte also mittlerweile 4,2 Terawattstunden (TWh) verbrauchen – was dem Stromverbrauch Zyperns entspricht.

Wie auch bei Bitcoins benötigt das Mining von Ethereum beachtliche Mengen Energie. Je höher der Preis der Kryptowährung steigt, desto mehr rentiert es sich, mehr Rechenleistung ins Mining zu stecken, das neues Ether generiert. Die dafür benötigten Grafikkarten sind relativ energiehungrige Geräte.

Zwei Dinge sind aber wichtig, wenn wir die Energiebilanz von Ethereum bewerten und mit anderen Zahlungsmodellen vergleichen wollen. Erstens verarbeitet Ethereum nicht nur finanzielle Transaktionen – denn mit dem System werden auch sogenannte Smart Contracts programmiert und damit auch andere wirtschaftliche Abläufe abgewickelt. Zweitens plant die Ethereum-Community bereits, das Mining-Verfahren zu verändern. Wenn der Wechsel so wie geplant funktioniert, könnte das neue Verfahren den Strombedarf drastisch senken.

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Wie hat De Vries seine Berechnung, die natürlich nur eine Annäherung sein kann, überhaupt angestellt? Zunächst hat er den Gesamtumsatz berechnet, den Ethereum-Miner erreichen können. Mit anderen Worten: Die Summe an neuem Ether, die täglich durch Mining generiert wird. Um Raum für Gewinne und die Kosten der Mining-Ausstattung zu lassen, nimmt De Vries als Richtwert an, dass etwa 60 Prozent der Einnahmen für die Stromrechnungen der Miner draufgehen. Als durchschnittlichen Strompreis legt De Vries dabei den in den USA, wo in den letzten Wochen viele Mining-Aktivitäten hinzugekommen sind, durchschnittlichen Tarif von 12 Cent / kWh zu Grunde.

In Zukunft soll ein neues System das Mining weniger umweltschädlich gestalten

Laut seinen Berechnungen könnte das gesamte Ethereum-Netzwerk jährlich unglaubliche 4,2 Terawattstunden (TWh) verbrauchen. Davon ausgehend lässt sich dann wiederum die in jeder Transaktion steckende Energie ausrechnen, da die genaue Anzahl der täglichen Transaktionen bekannt ist. Bis zum 25. Juni beispielsweise lag der Ethereum-Rekord bei 308.488 an einem Tag durchgeführten Transaktionen.

Bild: Digiconomist

Es ist allerdings wichtig zu betonen, dass man angesichts der dezentralisierten Natur des Minings unmöglich den genauen Stromverbrauch von Ethereum bestimmen kann. Der Index, der sich zur Zeit noch in der Beta-Version befindet, versucht lediglich eine möglichst genaue Schätzung. Aber was, wenn die Schätzungen zu hoch angelegt sind?

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In einer E-Mail erläuterte de Vries dazu seine Schätzung des geringsten durchschnittlichen Stromverbrauchs. Für diese Berechnung legte er die Annahme zugrunde, dass jeder mit der beliebten Grafikkarte AMD Radeon RX 480 minen würde. "Damit würden man ~29 MH/s bei 135W produzieren. Das wären also bei der gegenwärtigen Hashrate etwas mehr als 2 TWh für das gesamte Ethereum-Netzwerk pro Jahr", schrieb er.

Natürlich nutzt nicht jeder Miner diese relativ effiziente Karte und es lohnt sich auch, mit leistungsschwächeren Geräten zu minen, der tatsächliche Verbrauch ist also wahrscheinlich höher.

Es ist auch eine Frage an die Entwickler und die Community von Ethereum

Es gibt zahlreiche Faktoren, die den Index in beide Richtungen verfälschen könnten. Leute mit sehr günstigen Stromtarifen könnten es sich leisten, mehr Strom zu verbrauchen und ältere Geräte zu benutzen. Oder aber der aktuelle Mangel an Grafikkarten könnte die Leute davon abhalten, mit neuen Geräten mehr Strom zu verbrauchen. Außerdem unterstützt Ethereum programmierbare Contracts, was bedeutet, dass für jede beliebige Einheit von Strom die Möglichkeit besteht, mehr Wert zu erzeugen, als bei einer einfachen Transaktion verbraucht wird. Insgesamt ist der Index aber eine sachliche Analyse der wirtschaftlichen Anreize des Ethereum-Minings und seiner Konsequenzen für den Stromverbrauch.

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Genau wie Bitcoin benutzt Ethereum im Moment den sehr energieintensiven Proof of Work-Algorithmus – in Zukunft soll aber ein neues System das Mining weniger umweltschädlich gestalten: Ein Hybridmodell mit einem sogenannten Proof of Stake-System würde den Strombedarf mit Sicherheit bedeutend senken.

Ethereum-Gründer Buterin hat ein solches Proof-of-Stake-Modell namens Casper entwickelt und will es schrittweise in das herkömmliche Proof-of-Work Modell implementieren; der Plan ist, es letztlich komplett abzulösen. Einfach gesagt könnten Ether-Holder dann bereits einfach minen, wenn ihre Computer miteinander verbunden sind, sagt de Vries.


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Bei Casper "bewerben" sich die Miner mit einem Ether-Einsatz darum, einen Block validieren zu dürfen. Wer mehr Ether in den Validierungs-Topf wirft, der wird vom System auch mit höherer Wahrscheinlichkeit zum "Sieger" erkoren und für seine Validierungsarbeit vergütet.

Wie genau das Ether Mining funktioniert, erklären wir in unserem Einsteiger-Guide

Wenn Ethereum sogar ganz auf den Proof of Stake-Algorithmus umsteigen würde, "würde der Stromverbrauch minimal werden", sagte er, und nur geringfügig mehr Strom verbrauchen, als die tausenden Desktop-Computer, die sowieso angeschaltet sein würden. Das Mining wird sozusagen virtualisiert statt stationär abgearbeitet.

Bis der Übergangsplan fertig ist und läuft, werden die Nutzer aber weiterhin Ether bis zu der jährlichen Gesamtmenge von 18 Millionen Ether unter der Nutzung von so viel Strom minen, wie es der Preis der Kryptowährung ermöglicht.

Natürlich wird das Design von Kryptowährungen immer kompliziert bleiben: Weil Kryptowährungen dezentral sind, muss ein neuer Weg gefunden werden, um vertrauenswürdige Transaktionen zwischen Fremden im Internet zu ermöglichen. Und aus technischen Gründen ist die beste Lösung dafür bisher, Blockchains mit riesigen Mengen an Strom und Rechenleistung zu sichern.

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Sind die 18 Millionen Ether im Jahr also diese ganze Mühe und Energie wert? Das hängt davon ab, welche Themen uns wichtig sind: wirtschaftliche Freiheit, der Wert von Autoritäten, die Unmittelbarkeit des Klimawandels und viele andere. Es ist auch eine Frage an die Entwickler und die Community von Ethereum. Sollte Ethereum wirklich eine wirtschaftliche Revolution auslösen, so wie die Entwickler es behaupten, dann ist zu hoffen, dass sie sich dabei klug anstellen.

Update 28.6.2017; 14:40: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass Ethereum zwischenzeitlich einen Kurs von über 3.000 US-Dollar erreicht hätte. Tatsächlich erreichte Ethereum zwischenzeitlich einen Höchststand von über 300 Euro, während die bekanntere Kryptowährung Bitcoin parallel an der Grenze von 3.000 Dollar kratzte, diese jedoch (noch) nicht erreichte. Wir haben den Text entsprechend aktualisiert und bedauern die Ungenauigkeit.