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The Learnin' Corner: Nanotextilien

Mithilfe der Nanotechnologie arbeiten Textilwissenschaftler an intelligenter Kleidung.

Von Professor Juan Hinestroza, aufgeschrieben von Alex Dunbar

Foto mit freundlicher Genehmigung von Cornell’s Textiles Nanotechnology Laboratory

Juan Hinestroza ist Juniorprofessor der Textilwissenschaft und leitet das Textiles Nanotechnology Laboratory am College of Human Ecology an der Cornell University. Sein Forschungsfeld ist der Schnittpunkt zwischen Textil- und Polymerwissenschaft und Nanotechnologie. Das macht Professor Hinestroza zu einer der weltweit wichtigsten Autoritäten auf dem Gebiet der Nanotextilien. Im Folgenden erklärt er uns, warum ein stinknormales Paar Hosen eines Tages in der Lage sein könnte, Krankheiten zu verhindern, dir zu sagen, wie lange du noch weiter auf dem Laufband bleiben solltest, und dir automatisch den Arsch abzuwischen. Das Letzte war ein Scherz (hoffen wir zumindest). Mit ein bisschen Glück werden die Gewebe unserer Kleidung schon in nicht allzu ferner Zukunft auf der Nanoebene verarbeitet werden. Das wird es ermöglichen, in Textilien bislang noch nicht dagewesene Eigenschaften zu integrieren. Wissenschaftler können bereits heute kleine Proben Nanogewebe herstellen, indem sie die Materialoberfläche manipulieren und Nanopartikel, Nanodrähte und Nanoröhren hinzufügen; aber auch tragbare Kleidungsstücke könnten bald Realität werden. Mithilfe der Nanotechnologie werden Hersteller irgendwann in der Lage sein, Textilien zu entwickeln, die Wasser abstoßen, Bakterien abtöten und Strom leiten können. Sie werden auch Kleidung herstellen können, die die Herzfrequenz, den Puls und den Blutdruck des Trägers misst, ebenso wie elektroaktive Kleidung, die ihre Temperatur ändern kann. Mit Nanotechnologie hergestellte Bettlaken könnten deine Körperfunktionen überwachen, während du schläfst oder bewusstlos bist, und das ohne die Schläuche und anderen umständlichen technischen Vorrichtungen, die Mediziner heutzutage dafür verwenden. Ein anderes Beispiel ist Sportkleidung mit integrierten Sensoren, die dem Träger alle möglichen Informationen über seine Leistungen übermitteln kann. Es ist im Moment noch unmöglich, diese Art von Kleidung herzustellen, weil es zuvor noch so viel mehr über die Nanopartikel zu erforschen gilt. Die Wissenschaftler an der Cornell University arbeiten aber an einer Technologie, die eines Tages als Grundlage der Massenproduktion von Nanotextilien dienen könnte. Indem sie kleine Mengen Baumwollfasern mit Nanopartikeln beschichten und dieses natürliche Polymer so elektrisch leitfähig machen, können diese Wissenschaftler die Nanopartikel fest mit der Baumwolle verbinden. Diese Polymerisierung findet Schicht für Schicht, Partikel für Partikel statt, wobei der Abstand zwischen den einzelnen Partikeln auf das Genauste eingehalten wird. Zunächst wird auf der Oberfläche der Nanopartikel eine negative Gruppe geschaffen und dann wird das Polymer positiv aufgeladen. So verbindet sich die positive Ladung von selbst auf molekularer Ebene mit ihren negativen Pendants. In anderen Worten wird das Ganze Molekül für Molekül zusammengesetzt. Schließlich schafft diese Technik eine ca. 200 Nanometer dicke Schicht auf der Oberfläche der Baumwollfaser, sodass die Stoffprobe dann in der Lage ist Strom zu leiten. Natürlich kann man etwas derart Winziges weder sehen, noch berühren, noch fühlen. In einem so winzigen Maßstab zu arbeiten, macht es natürlich extrem schwierig, die Oberfläche eines Materials auf der Nanoebene genauer auf ihre Beschaffenheit zu untersuchen. Mittels einer neuen Technik, die als Akustische Rasterkraftmikroskopie (AFAM) bezeichnet wird, ist das Team an der Cornell University aber in der Lage, diese Topografie der Nanoebene zu verstehen. AFAM funktioniert, indem man eine Schallwelle durch eine Textilprobe schickt und die Geschwindigkeit misst, mit der die Welle das Material durchquert. So kann man bis auf 15 Nanometer genau ermitteln, wie dick eine Faser im Vergleich zu einer anderen ist. Bei anderen Techniken bleibt man hingegen im Bereich von Mikro- oder gar Millimetern. Eine Möglichkeit, um einzelne Atome auf der Oberfläche eines Gewebes anzulagern, ist ein Prozess, der als Atomlagenabscheidung bezeichnet wird. Es ist dieselbe Technologie, die verwendet wird, um die Schaltkreise in euren Computern oder Handys herzustellen. Mithilfe dieser Technik können Wissenschaftler Metalle und Metalloxide schaffen, die nur wenige Ångström breit sind. Diese Materialien sind extrem sauber, und weil der Prozess in einem Vakuum stattfindet, ist es möglich, sehr komplexe Formen zu beschichten und sogar einzelne Atome auf einer bestimmten Faser abzuscheiden. So konnten die Wissenschaftler der Cornell University z. B. durch eine extrem enge und präzise Platzierung der Partikel eines Nanotextils ein Gewebe schaffen, das zahlreiche schädliche Bakterienarten bekämpfen kann. Auch als medizinische Hilfsmittel haben die Nanotextilien ein riesiges Potenzial. Ein Beispiel wäre ein Gewebe, das bestimmte Allergene oder giftige Substanzen erkennt und Leute so vor gesundheitsschädigenden Umgebungen warnen könnte. Ein anderes Beispiel sind Kleidungsstücke, die Patienten sagen, wann sie ihre Medizin einnehmen müssen, oder diese sogar selbst durch die Textilien verabreichen können. In der Modewelt gibt es endlose Anwendungsmöglichkeiten. Stellt euch Kleidung vor, die Farben durch die Manipulation von Licht entstehen lässt—ganz ohne die Verwendung von Textilfarben. Man könnte die Farbe des Stoffs von Blau zu Rot zu Gelb wechseln lassen, einfach, indem man den Zwischenraum zwischen den Partikeln verändert. Wenn dich ein bestimmtes schwarzes T-Shirt zu langweilen beginnt—Abrakadabra—schon ist es weiß. Für die Mode eröffnet das endlose neue Möglichkeiten. Wenn ihr mehr über Nanotextilien wissen wollt, schaut euch einfach auf nanotextiles.human.cornell.edu um.