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Sehr wütender Mt.Gox-Mitarbeiter plaudert aus, wie sein Chef Bitcoin ruinierte

So waschen echte Nerds schmutzige Wäsche: „Wir werden ihn im Gefängnis besuchen und vor seinen Augen Pizza essen!“
Mark Karpelès bei einer Tokioter Pressekonferenz im Februar 2014, nachdem Mt.Gox Insolvenz angemeldet hatte. Bild: imago

Vielleicht erinnert ihr euch noch: Die Implosion der damals wichtigsten und größten Bitcoin-Börse Mt.Gox war hässlich.

Im Zentrum des Meltdowns der Börse im Februar 2014 befindet sich der unter dringendem Betrugsverdacht stehende damalige Chef der Plattform, Mark Karpelès. Er wurde an diesem Wochenende in Japan verhaftet und sitzt seitdem im Gefängnis. Karpelès wird vorgeworfen, die Bilanzen der Bitcoin-Börse gefälscht, Gelder veruntreut und sein eigenes Konto mehr als 30 Mal manipuliert zu haben; ein Skandal, der den Ruf der Kryptowährung nachhaltig schädigte. Umgerechnet 365 Millionen Euro Kundeneinlagen verschwanden letztes Jahr gemeinsam mit der Vision einer ganz neuen, sicheren Handelsplattform und Währung. Karpelès' Festnahme resultierte nicht zuletzt aus den Aussagen einiger seiner entfremdeten Ex-Mitarbeiter gegenüber der japanischen Polizei. Doch diese Aussagen reichten anscheinend nicht, um ihrem Ärger Luft zu machen.

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Nun wäscht sein ehemaliger Mitarbeiter Ashley Barr schmutzige Wäsche in einem Reddit-AMA, in dem er mit kaum verhohlener Verachtung und Wut von den Manipulationen und haarsträubenden Geschäftspraktiken erzählt, die den Untergang der vielversprechenden Bitcoin-Börse besiegelt haben.

Wo ist das ganze Geld hin? „Meine Oma lebt in einem Schloss in der Schweiz."

„Wir haben vor, Mark im Gefängnis zu besuchen und vor seinen Augen Pizza zu essen", schreibt der „dienstälteste Mt.Gox-Mitarbeiter und angebliche DreadPirateRoberts" wild entschlossen in seinem Vorstellungspost. (Mark zittert sicher schon angesichts dieser gemeinen Folterdrohung.)

Dieses Experiment beweist die Alltagstauglichkeit von Kryptowährungen: Ich habe eine Woche lang nur mit Bitcoins überlebt

„Mark und die Entwickler haben Super Meat Boy und andere Spiele gezockt, während um sie herum alles den Bach herunter ging. (…) Mark war ein Irrer im reinsten Wortsinn, der die Börse in Echtzeit manipulierte (was manchmal gut funktionierte und manchmal nicht). Mt.Gox war ein Rollenspiel für Mark. Er hat einfach nicht verstanden, dass das deponierte Geld auf seinem Konto manchen Menschen mehr bedeutete als nur Zahlen auf seinem Bildschirm", schreibt er weiter.

Bild: Screenhot Reddit

Ein wenig Hintergrund: Mt.Gox, ursprünglich eine Tokioter Handelsbörse für Magic-Sammelkarten (!), war unter Mark Karpelès schnell zur weltweit größten Handelsbörse für die noch junge Kryptowährung Bitcoin gewachsen und versammelte viele überzeugte Idealisten, die an das neue, staatenunabhängige System glaubten.

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Nachdem die Börse urplötzlich alle Transaktionen mit der virtuellen Währung eingestellt hatte und auch keine Abhebungen mehr erlaubte, beantragte Mt.Gox Insolvenz. Im Februar 2014 verloren die Kunden dann über Nacht ihr Geld. Karpeles' offizielle Begründung war ein angeblicher Transaction Malleability-Bug im Bitcoin-Protokoll, der das schlagartige Verschwinden von Bitcoin im Gegenwert von 365 Millionen Euro erklären sollte.

Hast du also damals Geld an die Börse überwiesen, landete es direkt im persönlichen Bitcoin-Wallet von Karpelès.

Anleger protestierten damals vor der Mt.Gox-Zentrale in Tokio und hielten Schilder hoch: „Mt. Gox, wo ist mein Geld?!" Bislang bekamen sie wenige Antworten. Die Ausführungen von Barr—so persönlich eingefärbt und verbittert sie auch sein mögen— sind daher das erste bisschen Aufklärung und Einblick in das Geschehen, das die Geprellten überhaupt erhalten—auch damit erklärt sich das riesige Interesse am AMA vom 2. August.

Barrs Ausführungen über die Geschehnisse im Februar 2014 gehen weiter: „Ungefähr dann erfuhren wir auch, dass Mark nur ein einziges Konto hatte, und zwar das mit den Mt.Gox-Kundeneinlagen. Das war der Sargnagel." Ein schier unglaublicher Vorwurf: Jegliches Geld, das damals von Anlegern in die Börse überwiesen wurde, sei schnurstracks im persönlichen Bitcoin-Wallet von Karpelès gelandet.

Es sollte an dieser Stelle vielleicht erwähnt werden, dass Karpelès noch nicht verurteilt ist und man sich dementsprechend auch mit Vorverurteilungen zurückhalten muss. Ashley Barr zeichnet jedenfalls ein düsteres Bild der Szenen hintern den Kulissen der größten Bitcoin-Börse und vor allem seines Gründers. Glaubt man dem ehemaligen Mitarbeiter, ließ Karpelès das Geschäft und das Geld seiner Kunden bereitwillig und gleichgültig gegen die Wand laufen; Veruntreuung und unterirdische Sicherheitsstandards seien an der Tagesordnung gewesen.

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Ein Beispiel: Niemand in der ganzen Firma außer Mark hätte Zugriff auf die Konten und auch nicht auf das Backend von Mt.Gox gehabt. Barr sollte CEO werden, ohne jemals auch nur einen einzigen Einblick in die Finanzen des Unternehmens erhalten zu haben.

Auch den Datenbankzugang und das Coding kontrollierte laut Barr Alleinherrscher Mark—und zwar mehr schlecht als recht. Dazu kamen die ganzen massiven Kursschwankungen, für die Karpelès, sollten sich seine Manipulationen als erwiesen herausstellen, direkt verantwortlich gewesen wäre.

„Also", fragt ein Nutzer mit dem Handle aquentin ungläubig im Bezug auf die diktatorische Finanzverwaltung: „…wäre er vor einen Bus gelaufen… puff?"

„Ja." antwortet Barr. „Mark sagte mir, sollte er sterben, könnte einer seiner besten Freunde bestimmten Hinweisen folgen, um auf die cold wallets zuzugreifen. Als ich besagten Freund danach fragte, meinte der, er hätte keine Ahnung, wovon Mark spreche."

Und wie wurde denn nun das ganze Geld der Anleger ausgegeben oder angelegt?, fragte Barr Karpelès, als er noch bei Mt.Gox arbeitete. Die nicht allzu erhellende Antwort des Vorstands könnte Comedy-Gold sein, wenn dahinter nicht die Ersparnisse vieler Tausend Kunden stehen würden „Meine Oma lebt in einem Schloss in der Schweiz." Mehr Details gab es nicht.

In dem lohnenswerten AMA, das sich hier in voller Länge nachlesen lässt, kommen noch weitere bizarre Details zutage—wie zum Beispiel, dass die US-Strafverfolgung Barr selbst eine ganze Weile lang für das Sprachrohr von DreadPirateRoberts, letztlich also für den SilkRoad-Gründer Ross Ulbricht, hielt—und dass Barr diese enorme Anschuldigung, die schon vor Monaten im New Yorker Gerichtsprozess zur Sprache kam, bis vorgestern nicht bewusst war.

„Es ist unglaublich frustrierend, wenn etwas, das du liebst und an das du glaubst, in den Händen von jemandem wie Mark landet", schließt Barr. Und doch kann er dem Chaos, das Karpelès anrichtete, etwas Positives abgewinnen: „So sehr ich ihn dafür hasse: Seine Machenschaften führten dazu, dass sich viel mehr Leute überhaupt für Bitcoin interessierten und sich letztlich auch dafür einsetzten."

Barr selbst unterrichtet übrigens gerade Englisch in Japan und ist „viel glücklicher mit weniger Status und Geld und einer Aufgabe, die tatsächlich wichtig ist". Auf seinem LinkedIn-Profil sucht er dennoch nach Partnern für revolutionäre neue Geschäftsideen, die die Gesellschaft positiv verändern könnten.

Währenddessen planen einige Redditor schon die Verfilmung dieses Dramas rund um Mt.Gox—mit Jack Black in der Hauptrolle.