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15.000 Wissenschaftler sprechen eindringliche "Warnung an die Menschheit" aus

Mit ihrer Hiobsbotschaft wollen Forscher aus der ganzen Welt die Menschheit wachrütteln – und bieten konkrete Lösungen an, um die katastrophalsten Folgen abzuwenden.
Eine riesige Menschenmenge nach einem Konzert in Paris | Bild: James Cridland | Flickr | Lizenz: CC BY 2.0

Mehr als 15.000 Wissenschaftler aus 184 Ländern sind sich einig: Wenn wir nichts gegen Klimawandel, Waldabholzung, mangelnde Frischwasserversorgung und das rasante Bevölkerungswachstum unternehmen, setzen wir die Zukunft der Menschheit auf’s Spiel.

Gemeinsam unterzeichneten die Forscher, zu denen renommierte Wissenschaftler wie Jane Goodall, E. O. Wilson und James Hansen gehören, einen Besorgnis erregenden Appell mit dem Titel "World Scientists’ Warning to Humanity: A Second Notice", der am Montag im Wissenschaftsjournal BioScience veröffentlicht wurde.

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Mit insgesamt 15.373 Unterschriften von Forschern aus den unterschiedlichsten Disziplinen
dürfte es sich um den Artikel mit dem größten wissenschaftlichen Rückhalt in der Geschichte handeln. Schon einmal hatten Wissenschaftler gemeinsam eine ähnliche Warnung verkündet: 1992 veröffentlichten 1.700 Wissenschaftler, darunter viele heutige Nobelpreisträger, den offenen Brief "World Scientists’ Warning to Humanity".

Bereits damals warnten sie, dass der menschliche Einfluss auf die Umwelt "die Zukunft, die wir uns für die Menschheit wünschen", extrem gefährde. In dem Schreiben wurden verschiedene besorgniserregende Trends und ihre drohenden Konsequenzen detailliert beschrieben. 25 Jahre später kommt die wissenschaftliche Gemeinde nun zu einem ernüchternden Schluss: Mit wenigen Ausnahmen haben sich die dramatischen Tendenzen bis heute dramatisch verstärkt.

"Wir haben das Update geschrieben, weil die Öffentlichkeit wissen soll, wo wir heute stehen", sagte William Ripple, Ökologe an der Oregon State University und einer der Autoren der "Second Notice", gegenüber Motherboard. "Seit 1992 sind der CO2-Ausstoß um 62 Prozent und die Temperaturen weltweit um 29 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist die Artenvielfalt der Wirbeltierarten um 29 Prozent zurückgegangen."

Die Daten der Wissenschaftler zeigen zahlreiche beunruhigende Entwicklungen in den letzten 25 Jahren auf:

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  • Pro Kopf sind weltweit heute 26 Prozent weniger Frischwasser verfügbar
  • Die sauerstoffarmen Todeszonen im Ozean haben um etwa 75 Prozent zugenommen
  • Fast 300 Millionen Acker Waldbestand wurden seit 1992 abgeholzt

"Das sind alarmierende Entwicklungen", sagt Ripple in Hinsicht auf das Ungleichgewicht unserer Natur. Denn Pflanzen, Tiere, Insekten, Fische und andere Spezien übernehmen Aufgaben, die auch für das Überleben des Menschens wichtig sind, darunter die Sauerstoffproduktion, Reinigung des Wassers und die Blütenbestäubung. Möchte man diese "Dienstleistungen" der Natur mit einem Geldwert belegen, so landet man jährlich bei etwa 105 bis 125 Billionen Euro. Da die Bevölkerungszahlen seit 1992 weltweit um 35 Prozent gestiegen sind, werde die Natur vom Menschen immer stärker strapaziert, so der Artikel.

Als eine positive Entwicklung nennen die Wissenschaftler die Erholung der Ozonschicht, die alle Lebewesen auf der Erde vor gefährlicher ultravioletter Strahlung schützt. Unter dem multilateralen Montreal-Protokoll verpflichteten sich die Staaten 1987 dazu, die Verwendung von ozonschädlichen Chemikalien zu stoppen. Auch der wachsende Trend hin zu erneuerbaren Energien betrachtet Ripple als positive Entwicklung.

Obwohl die ursprüngliche Warnung von 1992 nur wenig auf den Klimawandel eingeht, forderten die Wissenschaftler die Menschheit schon damals auf, Alternativen zu fossilen Brennstoffen zu finden. Auch auf der UN-Klimakonferenz in Bonn warnte eine Gruppe von Wissenschaftler am Montag davor, dass der globale CO2-Ausstoß wieder ansteigt, nachdem der Wert drei Jahre lang stabil geblieben war.

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"Der Klimawandel ist hier. Er ist gefährlich. Und er ist im Begriff, noch viel schlimmer zu werden", sagte Johan Rockström, Geschäftsführer des Stockholm Resilience Centre, einem internationalen Zentrum für nachhaltige Wissenschaften, in einem Statement.

Laut Prognosen wird der CO2-Ausstoß 2018 in den USA um 2,2 Prozent steigen, hauptsächlich weil ein strenger Winter vorhergesagt wird. Auch die Emissionen aus China und Indien steigen weiterhin, obwohl der Anstieg sich in den letzten Jahren verlangsamt hat.

"Die Nachricht, dass der CO2-Ausstoß nach einer dreijährigen stabilen Phase wieder ansteigt, ist für die Menschheit ein riesiger Schritt zurück", sagt Amy Luers, die Geschäftsführerin von Future Earth, einem Forschungsprogramm, das nachhaltige Strategien entwickelt. "Der CO2-Ausstoß muss bald seinen Gipfel erreichen und sich bis 2050 auf Null reduzieren", sagte Luers in einer Pressemitteilung.


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Auch Ripple meint, dass der CO2-Ausstoß dringend reduziert werden müsse. Mit ihrer "Second Notice" wollen die Wissenschaftler aus aller Welt jedoch nicht nur eine Hiobsbotschaft übermitteln – sie bieten konkrete Handlungsvorschläge, um die gefährlichen Umwelttrends aufzuhalten: Dazu zählt, mehr Parks und Naturschutzgebiete einzurichten, härter gegen Wildtierhandel vorzugehen, auf pflanzenbasierte Ernährung umzusteigen, Bildungseinrichtungen für Frauen und zur Familienplanung auszubauen und verstärkt auf erneuerbare Energien und andere "grüne" Technologien umzusteigen.

"Wenn wir zusammenarbeiten, können wir für die Menschheit und für den Planeten, von dem wir abhängen, große Fortschritte machen", schlussfolgert der Artikel optimistisch.

"Wir hoffen, dass unser Paper eine breite öffentliche Debatte über die Umwelt und das Klima anregen wird", fügt Ripple hinzu.

Bislang sieht es zumindest so aus, als ob die Wissenschaftler mit ihrer zweiten "Nachricht an die Menschheit" mehr Erfolg haben als 1992. Damals nämlich ignorierten viele internationale Medien die Warnung.