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Trolle des "spanischen 4chan" sorgen für Absage von feministischem Gaming-Event

Falls noch jemand einen Beleg braucht, dass es in manchen Ecken der Gaming-Community noch immer ein Sexismus-Problem gibt. Doch diesmal haben sich die frauenfeindlichen Gamer selbst ins Bein geschossen.
Gaming Ladies/Facebook

"Die Idee ist folgende: Wir verkleiden uns als Frauen und sagen, dass wir Transgender sind. Sobald wir drinnen sind, lassen wir unsere ganze Wut raus." Es war dieser Post eines gewissen Edgar16v im geschützten Bereich des spanischen Forums Forocoches, der Journalistin und Gamerin Marina Amores am Dienstagabend zugespielt wurde – und der schließlich sogar zur Absage einer ganzen Konferenz führte.

Zu diesem Zeitpunkt ging Amores noch davon aus, dass das von ihr ins Leben gerufene Event "Gaming Ladies" – eine Konferenz von Frauen für Frauen, die in der spanischen Gaming-Industrie arbeiten – wie geplant Ende Juli in Barcelona stattfinden würde. Erst am Vortag hatte sie die zweite Ausgabe der Veranstaltung freudig auf Facebook und Twitter angekündigt.

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Ihre Vorfreude schlug aber noch am Montag abrupt in Sorge um: Über verschiedene Social-Media-Kanäle erreichten Amores hasserfüllte Nachrichten männlicher Gamer. Die "Idee" von Edgar16v, mit mehreren Männern das Event tatsächlich aufzusuchen, um es zu sprengen, war dabei nur die Spitze des Eisbergs. "Die stärkste Hetze kam von Forocoches, aber ich hatte schon am Vortag eine Menge respektloser Nachrichten ohne Bezug zum Thema bekommen: Beleidigungen, Spott, Drohungen", erzählt Amores gegenüber Broadly Spanien.

Bei Forocoches handelt es sich um ein Forum mit teils öffentlichen, teils nur für Mitglieder sichtbaren Beiträgen. Ursprünglich als Austauschplattform für Autofans gegründet, ist es mittlerweile zu einem der größten spanischsprachigen Foren der Welt avanciert. In der Vergangenheit machten Mitglieder von Forocoches immer wieder durch Troll-Aktionen, wie dem Hacken von Bildschirmen auf einem Mediziner-Kongress in Madrid oder der Manipulation von Abstimmungsergebnissen bei einer spanischen Fernsehshow auf sich aufmerksam. Ziemlich passend bezeichnet das Magazin Mic die Seite dann auch als spanische Version von 4chan.

Die verärgerten männlichen Gamer, die sich auf Forocoches sammelten, hatten nicht nur Direktnachrichten an Amores geschickt, sondern sich auch auf diversen anderen Plattformen Luft verschafft. "Der Feminismus des 21. Jahrhunderts ist schlimmer als Krebs", hieß es beispielsweise in einer Twitch-Gruppe. "Demnächst: Eine Veranstaltung nur für Deutsche. Zugang für Juden verboten", echauffierte sich ein Twitter-Nutzer, dass Gaming Ladies ausschließlich an Frauen gerichtet sei.

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Doch es waren vor allem die Direktnachrichten der Trolle, die Amores so sehr zusetzen, dass sie Dienstagmorgen auf Twitter verkündete, heute offline zu bleiben: "Ich fühle mich sehr schlecht wegen dieser ganzen Scheiße, und Gesundheit geht vor."

Allerdings blieb es nicht lange bei diesem Vorhaben: Schon am Nachmittag teilte Amores den besagten Screenshot. Sie hatte wohl die Hoffnung, die Trolle mit ihrer unreflektierten Kritik am Gaming Ladies-Konzept eines "safe space" für Frauen entlarven zu können. Warum ein solcher "safe space" gerade in der Gaming-Branche so wichtig ist, hatte sie bereits vor Ankündigung des Events ausführlich erklärt: "Wenn eine unterdrückte Gruppe eine Veranstaltung organisiert, in der sie der Gruppe der Unterdrücker den Zugang verwehrt, tut sie das, damit sie sich organisieren kann und Ansichten teilen kann, die sonst unterdrückt werden."

In den sozialen Netzwerken gab es auch andere Reaktion. Auf Twitter bekam Amores auch jede Menge Zuspruch. Doch keine zwei Stunden später musste sie sich dann mit trauriger Kunde auf Twitter erneut zu Wort melden: "Ich habe eine schlechte Nachricht." Kurz und knapp erklärte sie, dass der Mobile-Games-Entwickler King, der die Räumlichkeiten für die Veranstaltung zur Verfügung stellte, sich gezwungen sehe, „aufgrund des Drucks, den ich heute abbekommen habe, das Event abzusagen."

Auf Twitter hatten sich zuvor auch Nutzer zu Wort gemeldet, die bezweifelten, ob die Online-Drohungen sich wirklich in Aktionen vor Ort niederschlagen würden: "Ich glaube nicht, dass die wirklich etwas machen", schreibt zum Beispiel eine Nutzerin. Dem Mobile-Games-Entwickler King allerdings war das Risiko dennoch zu hoch. In einer Stellungnahme hieß es, dass man es nicht zulassen könne, "dass es Sicherheitsprobleme gibt."

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Damit war die Absage raus – egal wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs auf die Konferenz tatsächlich war. Auch für Amores war es letztlich zweitrangig, wie hoch das Risiko ist, dass aus den Troll-Posts Aktionen im echten Leben werden – die Drohnachrichten, die bei ihr ankamen waren schon sehr real und verletzend. Sie zeigen auch noch einmal nachdrücklich, dass es unter manchen Gamern noch immer Sexisten gibt und wie wichtig die Veranstaltung war, die sie ausrichten wollte.

Doch eines haben die Trolle wohl nicht geschafft: Die Veranstaltung komplett loszuwerden. Denn der Entwickler King erklärte gerade auch: "Wir ermutigen Marina [Amores] dazu, die Veranstaltung noch einmal neu aufzulegen", so ein Sprecher von King gegenüber Voz Populi.

Auch Amores verkündete direkt mit der Absage, dass "Gaming Ladies" nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben sei. Darüber hinaus habe sie bereits weitere Angebote von Organisatoren in Barcelona und Madrid für die Durchführung des Events erhalten.

Gleichzeitig haben die aufgebrachten männlichen Gamer mit ihren Drohungen und Hasstiraden vor allem eins erreicht: Über all die Themen, die Amores am Herzen liegen und für deren Erörterung Gaming Ladies gedacht war, wird gerade in der gesamten Gaming-Welt wieder angeregt diskutiert – und es gibt von anderen Gamern auch jede Menge Solidarität für das Event.

Auch im deutschsprachigen Reddit ist inzwischen ein fast 500 Kommentare starker Thread entstanden, in dem sich Nutzer mit der Thematik auseinandersetzten. Sogar im tiefsten Sumpf der Trolle beginnen einige die Drohgebärden gegen Marina Amores und die weibliche Gaming-Welt zu hinterfragen. So schreibt beispielsweise der Forocoches-Nutzer Manu_sensei: "Es macht mir Spaß in den Threads zu lurken und im Rahmen des Akzeptablen zu trollen, aber heute deaktiviere ich meinen Troll-Chip und werde mit euch mit allem Ernst der Welt über dieses Thema reden". Sprach's und beginnt eine durchaus differenzierte Abhandlung über das Konzept von "safe spaces".