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Freundschaft

Wenn ein Freund stirbt

Es ist nie einfach, einen Todesfall zu verarbeiten, aber es würde helfen, wenn wir alle offener damit umgehen.
KP
illustriert von Kyle Platts

Ich war gerade zu Besuch in New York, als mein bester Freund mich anrief, um mir zu sagen, dass unser anderer bester Freund gestorben sei. Bei einem Unfall in Barcelona. Seit unseren frühen Teenagerjahren waren wir drei eine Clique gewesen. Am Anfang drangen seine Worte nicht wirklich zu mir durch. Irgendwas in der Art von "OK, puh. Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast" war das einzige, was ich dazu zu sagen hatte. Ich legte auf, als wäre nichts gewesen.

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Erst nachdem ich seine Worte mehrmals in meinem Kopf wiederholt hatte, rief ich ihn zurück. Ich musste wissen, wovon zur Hölle er da eigentlich geredet hatte. Die nächsten drei Stunden verbrachte ich damit, verwirrt durch Queens zu laufen und einen heftigen schuppigen Ausschlag in meinem Gesicht zu entwickeln – eine Begleiterscheinung des Schocks anscheinend. Für den Rest meines Aufenthalts in New York, Tausende Kilometer von meiner bekannten Umgebung entfernt, befand ich mich in einem Dämmerzustand. Alles erschien mir so surreal.


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Ein Gefühl der absoluten Machtlosigkeit hatte von mir Besitz ergriffen. Ein Kumpel meinte zu mir, ich solle nicht durchdrehen: "Es gibt kein Protokoll für so was, keine Anleitung dafür, was du als Nächstes machen musst." Und natürlich hatte er Recht. Nichts kann dich auf einen derartigen Schlag in die Magengrube vorbereiten. Klar, es gibt allgemeine Ratschläge, aber weil Trauerarbeit eine zutiefst persönliche Angelegenheit ist, erlebt jeder so etwas anders.

Als ich wieder zurück in Großbritannien war, wollte ich seinen Leichnam nicht sehen. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, aber ich hatte zugleich unfassbare Angst davor, einen toten Menschen zu sehen. Außerdem wollte ich nicht, dass mein letztes Bild von meinem Freund sein lebloser und kalter Körper ist. Das war ein Fehler. Wenn du nicht beim Tod eines Menschen anwesend bist, solltest du alles in deiner Macht stehende tun, dir sein Ableben so real wie möglich vor Augen zu führen. Auch Menschen mit viel Erfahrung in der Trauerbegleitung raten ihren Klienten oft dazu. Es fällt dir leichter, die Situation zu akzeptieren. Ich kann das absolut bestätigen.

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Bei eurer letzten Begegnung ist dieser Mensch noch rumgelaufen, hat geatmet, gedacht und getan, was er so tut. Dann sagt dir plötzlich jemand, dass er nicht mehr da ist. Natürlich verstehst du das in der Theorie. Du verstehst das Prinzip von Ursache und Wirkung, aber tief in dir drinnen willst und kannst du es einfach nicht wahrhaben. Die Endgültigkeit der Situation ist für dich dermaßen unbegreiflich, dass du dich jedes Mal übergeben willst, wenn dich irgendetwas daran erinnert, dass es wirklich passiert ist.

Dass dieser Mensch in meinem Fall so jung gewesen war, machte es für mich noch unbegreiflicher. Wir kommen in diesem lächerlichen Glauben zur Welt, dass der Tod etwas ist, um das wir uns jetzt noch keine Gedanken machen müssen – dass der Tod etwas ist, das in ferner Zukunft geschieht, wenn sich unsere persönlichen Erzählstränge dem Ende zuneigen. Das macht für uns alles nur noch befremdlicher, wenn das Leben eines Gleichaltrigen ein abruptes Ende findet.

Ich hatte immer gedacht, dass der Tod unseres besten Freundes mich und meinen anderen Freund näher zusammenbringen würde – und auf eine gewisse Art hat es das auch, nur überhaupt nicht so, wie ich das erwartet hatte. Wir hatten so ähnliche Dinge mit ihm erlebt, dass ich es nur natürlich fand, unsere Trauer gemeinsam anzugehen. Ich hatte mir vorgestellt, dass wir über ihn sprechen und über die vielen witzigen Aktionen, die er immer gerissen hat; dass wir zusammen alte Fotos und Videos von ihm anschauen. Aber es war überhaupt nicht so.

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Rückblickend wäre es wahrscheinlich sowieso nicht das Beste gewesen, die Sache gemeinsam zu bewältigen. Schließlich trauerten wir beide zur gleichen Zeit. Es hätte einen von uns bestimmt aus der Bahn geworfen – und das wahrscheinlich an einem wichtigen Punkt in unserem jeweiligen Verarbeitungsprozess. Vielleicht hätte einer von uns den anderen an einem "guten Tag" erwischt, eigenwillig in ein paar Erinnerungen geschwelgt, wenn etwas Ablenkung von der ganzen Sache vielleicht genau das gewesen wäre, was der andere gerade gebraucht hätte.

Abgesehen von meinem Freund war ich überrascht, wie andere Menschen das Thema um jeden Preis vermieden. Als hätte jeder Angst davor, dass du sofort in Tränen ausbrichst, sobald sein Name fällt. So ist es die allermeiste Zeit nicht. Manchmal denkst du, dass sich alle in einem Schweigekomplott gegen dich verschworen hätten – als würde jeder von dieser "toter Freund Sache" wissen, aber das Thema in Unterhaltungen weitläufig umfahren. Und das ist problematisch: Wenn Leute so tun, als wäre nichts passiert, fühlst du dich verarscht und alleingelassen.

Aber natürlich kann es alles noch schlimmer kommen, wenn du wirklich über die Sache sprichst. Ich habe oft erlebt, dass in Gesprächen ganz natürlich mein Freund zur Sprache kam. Auf die Frage "Und was macht XY jetzt?" folgte dann in der Regel eine unbeholfene Beileidsbekundung, wenn ich meinem Gegenüber sagte, dass er nicht mehr lebt. Du hast das Gefühl, allen die Laune ruiniert zu haben, und fängst an, dich zu entschuldigen.

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Du entschuldigst dich dafür, dass du etwas ausgesprochen hast, das du definitiv selbst niemals wolltest – und das dein toter Freund, Elternteil, Bruder, Schwester oder Partnerin, bzw. Partner wahrscheinlich auch niemals wollte. Danach bin ich immer sauer auf mich selbst, weil ich mich überhaupt entschuldigt habe – nur weil anderen Menschen etwas unangenehm ist und weil es sich irgendwie so gehört.

Natürlich durchläuft jeder Mensch die einzelnen Trauerstufen zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedener Intensität – manchmal nur teilweise, manchmal gar nicht. Es hängt von den Umständen ab. Die deutlichste Veränderung war, als aus den konzentrierten Episoden akuter Trauer ausgedehnte melancholischen Phasen wurden. Nicht zu verstehen, warum etwas zuvor so Gewohntes plötzlich nur noch bruchstückartig vorhanden ist, ist ziemlich verwirrend. Trauer über den Tod eines Nahestehenden imitiert in gewisser Weise den Zustand einer Depression. Und wenn sich beide Dinge so ähnlich sind, dann sollte man sie vielleicht auch ähnlich betrachten – so vorübergehend der Trauerprozess auch ist.

Natürlich spreche ich hier über Trauer, die dich plötzlich und unerwartet trifft. Wenn man bedenkt, wie sehr oder wenig wir als junge Menschen auf so etwas vorbereitet sind, kann ich mir kaum vorstellen, dass der Tod eines Menschen leichter zu bewältigen ist, wenn er abzusehen ist. Hilft es wirklich, wenn du die Gelegenheit hast, dich auf den Abschied vorbereiten zu können, dich von den Angstzuständen und diesem Gefühl der Isolation abzulenken, wenn du gleichzeitig von jungen Menschen umgeben bist, die – im Gegensatz zu dir – zum größten Teil eine gute Zeit haben?

Es ist nicht einfach, über den Tod zu sprechen – insbesondere nicht, wenn man kaum oder keine Erfahrung damit hat. Niemand will das unsensible Arschloch sein, das einen Trauernden unnötig aufwühlt. Aber die Trauer ist ohnehin schon eine isolierende Erfahrung, also merk dir Folgendes: Wenn du einen Freund verloren hast oder einen Freund oder Freundin hast, dem oder der das widerfahren ist, dann sprich darüber. Sei offen. Sei ehrlich. Es hilft.

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