Kaputtes iPhone
Bild: Jason Koebler

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Apple erklärt: Unsere iPhones müssen nur ein Jahr halten

Apple preist das iPhone gerne als das "langlebigste" Smartphone auf dem Markt an. Wenn es hart auf hart kommt, nimmt die Firma aber schnell Abstand von diesem Versprechen, wie ein aktuelles Gerichtsverfahren zeigt.

"Ich brauche sofort ein iPhone X" – Diesen Satz würden wohl viele Apple-Fans unterschreiben, die am Dienstag gespannt die Apple Keynote verfolgt haben. Vielen vermittelte die Präsentation des neuesten iPhone-Modells mit den Lobgesängen auf noch bessere Kameras, längere Akkudauer und kabelloses Laden schnell das Gefühl, dass das eigene Smartphone hoffnungslos überholt ist. Apple hat seine Kunden durch dramaturgisch herausragende Produktvorführungen ziemlich gut darauf konditioniert, jedes Jahr ein neues Gerät kaufen zu wollen.

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Tatsächlich braucht aber wohl kaum jemand nach nur zwölf Monaten bereits ein neues Smartphone. Die meisten Geräte halten um einiges länger durch – erst recht, wenn man den eingeklebten Akku mit seiner kurzen Lebensdauer austauscht. Doch wie lange soll ein iPhone nach Apples eigener Vorstellung eigentlich halten? Im Environmental Report zum iPhone 7, mit dem die Firma Transparenz hinsichtlich der Umweltverträglichkeit des Geräts bieten möchte, gab Apple an, dass sie einem neuen Gerät bei intensiver Nutzung eine Lebensdauer von mindestens drei Jahren einräumen. Diese Daten stützen sich laut des Berichts auf Kundendaten von vergleichbaren Produkten.

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Greg Joswiak, Apples Vizepräsident für Produktvermarktung, erklärte im August gegenüber Buzzfeed sogar, dass iPhones "die qualitativ hochwertigsten und langlebigsten" Smartphones auf dem Markt seien. Das sei laut Joswiak von Apple so gewollt, denn es wäre das Beste "für den Kunden, für das iPhone und für den Planeten."

Wenn es hart auf hart kommt, schlägt Apple jedoch ganz andere Töne an. Vor Gericht argumentiert der Konzern , er sei lediglich dafür verantwortlich, dass das iPhone ein Jahr lang hält – also die Zeitspanne, die dem normalen Garantieanspruch des Kunden auf Apple-Produkte entspricht.

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Der Touch IC-Chip, der sich bei vielen iPhone 6 und 6 Plus-Modellen löst. Bild: iFixit

Diese zu den bisherigen Äußerungen der Firma scheinbar gegensätzliche Aussage über die Lebensdauer des iPhones tratnun im Zuge eines aktuellen Gerichtsprozess zutage. Weil zehntausende iPhones 6 und iPhones 6 Plus auf Grund eines vermeintlichen Designfehlers, der sogenannten "Touch-Krankheit", vorzeitig den Geist aufgaben, läuft in den USA seit vergangenem Jahr eine Sammelklage gegen Apple.

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In dem Verfahren, das aktuell in Kalifornien verhandelt wird, argumentiert die Klägerseite, dass "Kunden erwarten dürften, dass Smartphones bei angemessener Nutzung mindestens zwei Jahre lang funktionsfähig bleiben". Diese Annahme begründen sie damit, dass der Großteil der Smartphone-Nutzer auch einen Zwei-Jahres-Vertrag mit Handy-Anbietern abschließen müsse.

Dieses Argument kontert Apple jedoch mit dem Verweis darauf, dass die Geräte der Kläger über ein Jahr nach Kaufdatum kaputt gegangen seien, also nachdem die Garantie bereits abgelaufen war. In einem Gerichtsdokument schreibt der Apple-Anwalt Arturo-González, dass es "dem Gericht nicht zustehe, die Bedingungen für den Garantieanspruch neu festzulegen, nur weil Kunden überhöhte Erwartungen an ein Produkt haben." Das vollständige Schreiben vom April könnt ihr hier lesen.

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Die Reparatur-Expertin Jessa Jones hat einen großen Teil von 2016 damit verbracht, Geräte von der "Touch-Krankheit" zu heilen | Bild: Jessa Jones

Im Fall der "Touch-Krankheit" gingen Zehntausende iPhones 6 und iPhones 6 Plus bei normaler Nutzung kaputt: Die Geräte verbogen sich jedes Mal leicht, wenn sie beispielsweise in eine Hosentasche gesteckt oder herausgezogen wurden. Durch diese Biegungen über viele Monate hinweg verlor der Touch IC-Chip, der für die Funktion des Touchscreens verantwortlich ist, den Kontakt zum Logic-Board. Somit reagierte der Touchscreen irgendwann nicht mehr und schließlich wurde das gesamte Smartphone funktionsunfähig.

Apple ignorierte das weit verbreitete Problem lange Zeit. Schließlich richtete der Konzernin den USA ein Umtausch-Programm ein: Betroffene Kunden konnten ein generalüberholtes iPhone für 149 US-Dollar erwerben. Die Klägerseite argumentiert jedoch, dass Apple das Problem der Touch-Krankheit schon viel früher hätte bekannt geben müssen.

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González weist diese Vorwürfe entschieden zurück. "Ein Hersteller ist nicht verpflichtet, einen angeblichen Defekt offenzulegen, der nach der vertraglichen Gewährleistung auftritt, solange dieser Defekt kein Sicherheitsrisiko darstellt." Nur wenn Apple schon zum Zeitpunkt des Verkaufs mit Sicherheit gewusst hätte, dass ein späterer Defekt das Produkt unbrauchbar machen würde, hätten sie ihn offenlegen müssen, argumentiert der Anwalt weiter.

Natürlich ist es nicht überraschend, dass Apple vor Gericht darauf pocht, lediglich dazu verpflichtet zu sein, Telefone herzustellen, die den Zeitraum der Garantie überstehen. Gleichzeitig behauptet Apple jedoch in seinem öffentlichkeitswirksamen Umweltbericht, dass das durchschnittliche iPhone drei Jahre lang genutzt werden kann – und der Pressesprecher geht sogar soweit, das iPhone als das "langlebigste" aller Smartphones zu bezeichnen. Auf eine Anfrage von Motherboard US zu dem Thema hat Apple nicht reagiert.


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Im Gerichtssaal argumentiert die Firma unterdessen, dass Kunden eine längere Garantieleistung erwerben sollten – oder dass sie lieber gar kein iPhone kaufen sollten, wenn sie erwarten, dass Apple auch für Defekte gerade steht, die erst nach Ablauf der Garantie auftreten. "Die Kläger hätten auch ein Smartphone von einem Drittanbieter oder einen längeren Garantieanspruch kaufen können, um die einjährige Garantielaufzeit zu verlängern", betont González.

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Die Garantie auf Apples iPhone unterscheidet sich nicht groß von den Garantiebedingungen bei anderen Elektronikanbietern. Allerdings versucht Apple zunehmend auch zu kontrollieren, was mit seinen Produkten nach dem Verkauf passiert. Wenn man ein iPhone hackt oder modifiziert, gilt das als Eingriff in die Software und das Produkt des Herstellers. Geht das Gerät aber kaputt, ist man als Kunde selbst dafür verantwortlich, und nicht mehr der Hersteller.

Diese Entwicklung hält der Rechtswissenschaftler Aaron Perzanowski für problematisch. "Das Gerichtsverfahren unterstreicht, dass die Grenze zwischen Produkten und Dienstleistungen zunehmend verschwimmt und dass die Unternehmen das zu ihrem Vorteil nutzen. Wenn es ihnen passt, behandeln sie Geräte mit integrierter Software als Dienstleistungen", erklärt Perzanowski gegenüber Motherboard. "Doch wenn ihnen die Rolle als Dienstleister unvorteilhaft erscheint, beispielsweise wenn ein Produkt repariert oder ausgetauscht werden muss, dann sind Unternehmen schnell dabei, jede Gewährleistung auszuschließen - so wie man es sonst nur von Stand-Alone-Geräten kennt."

Zwar sollte man nicht so weit gehen, Apple zu unterstellen, sie würden die Lebensdauer des iPhones absichtlich auf ein Jahr begrenzen – schließlich gibt es auch heute noch genug Leute, die ohne Probleme ein iPhone 5S von 2013 benutzen. Aus juristischer Sicht hat es natürlich auch Sinn, dass Apple vor Gericht argumentiert, dass die Lebensdauer des iPhones nur an seiner offiziellen Garantie gemessen werden sollte, die ja nun mal in erster Linie ein juristisches Dokument ist. Das zeigt aber auch, dass wir uns im Härtefall nur darauf verlassen können, dass unser neues iPhone ein Jahr lang hält – nicht mehr und nicht weniger.