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Warum euch Krankenkassen jetzt eine Krankheits-Tracker-App aufschwatzen wollen

Mehr als 13 Millionen Versicherte können einer App ihre Krankheiten anvertrauen. Der Motherboard-Test zeigt: Manches an Vivy ist praktisch – einige Funktionen könnten euch eher Bauchschmerzen bereiten.
Bild: Shutterstock | Cookie Studio || Screenshot | Vivy | Uvita GmbH || Collage: Motherboard

Ihr Name ist Vivy und sie möchte deine Röntgenbilder und Krankenakten haben. Sie will auch wissen, welche Medikamente du nimmst und wann du welchen Arzt besuchst. Und sie möchte, dass du diese intimen Informationen jederzeit mit dir herumträgst. Vivy ist die neue Gesundheitsapp von 14 gesetzlichen und zwei privaten Krankenversicherungen; mehr als 13 Millionen Menschen können sie ab dem 18. September kostenfrei nutzen. "Nimm deine Gesundheit in die eigenen Hände!", werben die Macher.

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Auch große Krankenkassen wie die TK oder die AOK bieten eigene Gesundheitsapps mit weniger umfassenden Funktionen an. Doch wie ratsam und sicher ist es überhaupt, sensible Dinge wie Krankheiten dem eigenen Smartphone anzuvertrauen? Wir haben uns fünf Kernfunktionen von Vivy angeschaut – einige lohnen sich wirklich, andere sind wohl nicht für jeden etwas.

1. Notfallpass: Hilf dem Notarzt, dein Leben zu retten

Der QR-Code, den Rettungskräfte im Ernstfall scannen können.

Wenn du nach einem Unfall nicht sprechen kannst, müssen Ärzte schnell handeln – und wissen nicht, ob du zum Beispiel bestimmte Wirkstoffe nicht verträgst. Ein Notfallpass kann das ändern, einige tragen ihn analog ausgedruckt im Portemonnaie. Auf das Stück Papier lassen sich Allergien notieren, chronische Krankheiten, Unverträglichkeiten sowie die Telefonnummern von Personen, die im Notfall verständigt werden sollen.

Auch Vivy bietet diese Funktion: Nutzer können in der App ihre Daten hinterlegen und einen QR-Code ins Portemonnaie kleben, den Rettungskräfte dann abrufen können.

Doch auch ohne ausgedruckten QR-Code und die Vivy-App kann das Smartphone dein Leben retten: Viele iOS- und Android-Geräte bieten diese Funktion nämlich ab Werk. Du kannst damit zum Beispiel Infos zu Medikamenten, Allergien und Kontaktpersonen speichern, die der Arzt dann direkt über den Sperrbildschirm öffnet.

2. Röntgenbilder und OP-Befunde: Das möchte Vivy wissen

Screenshot der Vivy-App.

Vor drei Jahren beschloss die Bundesregierung das sogenannte E-Health-Gesetz, wonach eine elektronische Patientenakte eingeführt werden soll. Im kommenden Jahr soll es soweit sein, dann können Ärzte auf euren Wunsch Befunde, Laborwerte und Röntgenbilder an einem Ort speichern. Doch viele Ärzte wehren sich dagegen. Wie eine Forsa-Umfrage Ende August ergab, wollen fast ein Drittel der Ärzte ihre Computer nicht an ein zentrales System anschließen – um ihre Patienten zu schützen.

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Ebenfalls bei Motherboard: Medizin vom Meeresgrund


Mit Vivy kannst du unabhängig davon unter anderem Krankschreibungen, EKG-Ergebnisse und OP-Berichte an einem Ort speichern. Die Dokumente kannst du mithilfe der App einscannen oder von deinen Ärztinnen anfordern. Vivy-Nutzer sollen offenbar ihre Krankheitsgeschichte immer bei sich auf dem Smartphone tragen. Die Rechenzentren der Vivy GmbH stehen in Frankfurt am Main und werden von Amazon betrieben, wie aus der Datenschutzerklärung hervorgeht.

Vivy verspricht auf seiner Website zwar "Sicherheit auf höchstem Niveau". In der Datenschutzerklärung heißt es dennoch: "Außerdem behält sich Vivy vor, die Daten in vollständig anonymisierter Form zu Produktentwicklungen zu nutzen. Vollständige Anonymisierung im Sinne dieser Vereinbarung bedeutet, dass von den Einzelangaben nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft auf den Nutzer als Person geschlossen werden kann." Wie sehr man sich darauf verlässt, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.

3. Impftermine: Vivy ist was für Vergessliche

Der digitale Impfpass von Vivy.

Auch wenn Impfgegner wie der Filmemacher David Sieveking in seinem Buch "Eingeimpft" gerne das Gegenteil behaupten: Impfungen schützen vor Infektionskrankheiten und ersparen dir die Qual einer Erkrankung mit Masern, Diphtherie oder Rotaviren.

Trotzdem wissen mehr als zwei Drittel der Deutschen nicht, wann ihr nächster Impftermin ist – das geht zumindest aus einer Forsa-Umfrage hervor, die Vivy in Auftrag gegeben hat. Wenn du also jetzt schon ahnst, dass du es eher nicht schaffst, deinen Impfpass einmal im Jahr zu checken, könnte Vivy tatsächlich praktisch sein.

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4. Ein Wecker für die unangenehmen Untersuchungen

Es gibt Wörter, die man gerne liest, und es gibt Wörter wie Brustkrebsfrüherkennung, Hautkrebsscreening oder Zahnuntersuchung. Wörter, die man lieber verdrängt – und Arzttermine, die man lieber aufschiebt. Aber am Ende ist dir eine Vorsorgeuntersuchung beim Zahnarzt wohl lieber als eine Zahnwurzelbehandlung.

In Vivy kannst du dir deshalb Wecker stellen – für jede Vorsorgeuntersuchung einen. In Sachen Datenschutz ist das ziemlich unbedenklich, denn hier will Vivy keine Atteste oder Medikamente speichern.

5. Krankheitshistorie: Vivy weiß, wann du letzten Sommer gehustet hast

Die Passworteingabe bei Vivy.

Wenn du möchtest, kannst du bei Vivy alle Medikamente hinterlegen, die du brauchst, und dich an die Einnahme erinnern lassen. Wer schonmal vergessliche Leute gepflegt hat, weiß: Für manche Menschen sind solche Erinnerungen lebenswichtig. Andererseits erfährt Vivy dadurch ziemlich genau, woran ein Nutzer leidet. Dasselbe gilt für ärztliche Befunde, die du mithilfe der App von deinen Ärztinnen anfragen und bei Vivy hinterlegen kannst.

Auch wenn dieses Wissen zunächst gut geschützt ist, muss sich jeder fragen: Möchte ich diese umfassenden Informationen jederzeit auf meinem Smartphone mit mir herumtragen? Im Zweifel sind vielleicht Medikamenten-Boxen mit verschiedenen Fächern eine Lösung für vergessliche Patienten.

Zumindest kann nicht jeder, der dein Smartphone in die Hand bekommt, Vivy sofort durchstöbern. Die App verlangt zum Öffnen nämlich ein Passwort. Beim Erstellen des Passworts war Vivy während unserer Tests aber keine so gute Ratgeberin: Vivy bewertete unsere Passwortvorschläge mit einem grünen oder roten Farbcode – stufte aber selbst fragwürdige Passwörter wie "123412341234" als "ziemlich gut" und "meinpasswort1234" als "sehr sicher" ein.

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