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Die Kackepille gegen Krankenhauskeime

Fäkalientransplantation aktuell: Im Kampf gegen hartnäckige Bakterien muss niemand mehr Schläuche mit Darminhalt schlucken, es reichen in Zukunft 15 Kackepillen am Tag. Leider sind sie durchsichtig.
Gefrorene Kackepille. Bild: Hohmann Lab. Mit freundlicher Genehmigung.

Der Krankenhauskeim Chlostridium diffizile ist hartnäckig. Zuerst löst er eine Darmentzündung mit Durchfall aus, langfristig können die Toxine dieses Bakteriums auch die Darmwand schädigen und mit etwas Pech werden unangenehme medizinische Maßnahmen wie Fäkaltransplantationen notwendig. Als besonderes Bonbon können diese bisher nur durch eine Darmspiegelung oder per Nasensonde verabreicht werden.

Um diesen unappetitlichen Konsequenzen zu begegnen, haben Forscher vom Massachusetts General Hospital nun eine Pille entwickelt, mit der die heilenden Bakterien oral verabreicht werden können. Mit dem aktuellen Erfolg scheint die Fäkalforschung ein weiteres Vorzeige-Produkt aus der medizinischen Reihe „Nicht hingucken, nur schlucken" hervorgebracht zu haben.

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Infektionen durch Chlostridium difficile können übrigens auch eine gefürchtete Folge von Antibiotikatherapien sein. Diese töten die guten Darmbakterien ab und sind allzu oft eher Teil des Problems statt Teil der Lösung. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem gefährlichen toxischen Megakolon, und dann ist, pardon, die Kacke wirklich am Dampfen: Oft muss der stark erweiterte Darm komplett entfernt werden.

Aber es geht auch einfacher: Die milde Gabe eines gesunden Kackespenders hilft der Darmflora, wieder normal zu arbeiten. Fäkaltransplantationen können Leben retten—nur die damit verbundenen Prozeduren machen ihre Anwendung eben etwas unbehaglich und gefährden auch die Erfolgschancen einer Therapie. Ein Schlauch mit flüssigen Fäkalien, der durch die Nase in den Magen eingeführt wird, ist offensichtlich nicht ganz so leicht runterzukriegen wie ein Chai Latte.

In einer neuen Studie hat die Ärztin Dr. Elizabeth Hohmann, die sich hauptsächlich mit bakteriellen Impfstoffen beschäftigt, nun herausgefunden, dass die Fäkalmasse ihre Pflicht (die überwuchernden Bakterien mit guten zu besiedeln), genausogut erfüllt, wenn sie als Kacketablette geschluckt werden.

DAMIT STEHT DEM SIEGESZUG DER KACKEPILLE NICHTS MEHR IM WEGE.

Für einen Test ließ Dr. Hohmann Stuhlproben sammeln, filtern, verdünnen und in Kapseln füllen. Testpatienten im Alter von 11 bis 89 Jahren (Chlostridium difficile ist besonders kompliziert zu behandeln, wenn das Immunsystem geschwächt ist und deswegen auch häufig in Altenheimen ein Problem) mussten dann 15 (!) dieser Kapseln an zwei aufeinanderfolgenden Tagen schlucken. Und es funktionierte: Der Darm regenerierte sich mit einer durchschlagenden Erfolgsrate von 90 Prozent. Damit steht dem Siegeszug der Kacketablette also kaum mehr etwas im Wege.

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Eine Tagesdosis Verdautes aus dem Labor. Bild: Hohmann Lab. Mit freundlicher Genehmigung.

Leider gibt es jedoch magensaftresistente Kapseln momentan nur in transluzider Ausführung. Das verleiht den Tabletten einen unappetitlich-braunen Schimmer, der überdeutlich auf ihren Inhalt hinweist. Immerhin können die Pillen auch direkt aus dem Eisfach kommen, durch den Frost legt sich dann ein zarter Schleier über die stinkende Füllung. Das hat noch einen weiteren Vorteil: Spender können vorsorglich ihren Stuhl abgeben und die Masse muss nicht frisch gesammelt werden.

Ein Patient ass die Fäkalien seines Mitbewohners als Gonzo-Selbstversuch—doch Dr. Hohmann rät von Home Brew-Lösungen ab

Hohmann's Labor berichtet von einem abtrünnigen Patienten aus der Testgruppe, der die Therapie in einer Art radikalem Gonzo-Selbstversuch weiterführen wollte—es stellte sich heraus, dass er sich daheim die, auf welche Art auch immer gespendete, Fäkalmasse seines Mitbewohners einverleibte, die ihm wohl sympathischer war. „Aber solche Home Brew-Lösungen können wir keinesfalls empfehlen", so Dr. Hohmann. „Nicht jeder Patient, wie zum Beispiel ältere Personen, haben noch Freunde, die erwiesenermaßen gesund genug für eine Spende sind."

Ein kleines Restrisiko lauert bei der Einnahme von Fäkalien weiterhin, denn es handelt sich schließlich um eine absichtliche Infektion mit lauter fremden Bakterien. Die Gesundheit des Spenders muss medizinisch genau analysiert werden, auch auf Reste von Allergenen wie Nüssen oder Eiern. Nichtsdestotrotz ist die Therapie mit Scheiße der elegantere und effizientere Weg gegenüber der Antibiotikakeule, um den Darm zu sanieren.

Aber was passiert, wenn die Pillen im Hals klebenbleiben? Oder wenn der Patient vor Ekel brechen muss, könnte er dann Fäkalmasse inhalieren? „Ziemlich gruseliger Gedanke", räumt auch Dr. Hohmann ein. Daher wäre es trotz aller Medizin vielleicht angebracht, die Kapseln ganz ummedizinisch mit einer dicken, köstlichen Hülle aus Minze und Zucker in frischem Karibikgrün zu überziehen. Hört auf Mary Poppins, die wusste: A spoonful of sugar helps the medicine go down.