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Physiker haben einen atomaren Superspeicher entwickelt

Mit der neuen Speichertechnologie könnte man den gesamten Inhalt der weltgrößten Bibliothek in einem winzigen Würfel speichern.
Bild: IBM

Forschern von der TU Delft ist es erstmals gelungen, ein überschreibbares Datenspeichergerät zu entwickeln, das für jedes digitale Bit nur ein Atom benötigt.

Die dafür angewandte neuartige Technik, die in der aktuellen Ausgabe der Nature Nanotechnology ausführlich beschrieben wird, ermöglicht eine Speicherdichte von 500 Terabits pro Quadratzoll. Theoretisch könnte man mit dem Gerät also den gesamten Inhalt der Library of Congress in einem 0,1 Millimeter breiten Würfel speichern—praktisch hatte der Prototyp, der von der Gruppe für den Wirksamkeitsnachweis benutzt wurde, jedoch nur eine Kapazität von einem Kilobyte.

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Physiker sind bereits seit 25 Jahren imstande, die Speicherkapazität einzelner Atome zu beeinflussen und zu nutzen, doch gibt es bei den bestehenden Verfahren einige Probleme, die der praktischen Umsetzung eines Speichermediums auf atomarer Ebene bislang im Weg stehen. Erstens verhalten sich Atome bei Temperaturen, die normalerweise in Rechenzentren entstehen, nicht gerade ruhig und zweitens gibt es da noch das Problem, ein passendes Speichermaterial und ein Verfahren zu finden, dass das Erkennen und Verändern der Atome einfach möglich macht.

Das Bearbeiten der auf dem Atom abgelegten Informationen wurde im Fall der Delfter Forscher mit Hilfe eines Rastertunnelmikroskops (RTM) erreicht. Dieses wertvolle Instrument ist beispielsweise für die Bildanalyse von Oberflächen auf atomarer Ebene nicht mehr wegzudenken. Bereits 1990 gelang es dem berühmten Physiker Don Eigler, mit einem RTM aus 35 Xenon-Atomen den Schriftzug „IBM" zu formen. Die Gruppe von der TU Delft hingegen hat ihre Informationsspeicherung über eine Art umgekehrten Ansatz erlangt: Statt Atome auf unterschiedliche Weisen anzuordnen, sind hier Lücken im Atomgitter, an denen sich Atome befinden sollten, die Grundlage.

„Das Gesamtlayout besteht aus 12 Mal 12 Reihen rechteckiger Datenblöcke. Jeder dieser Blöcke setzt sich aus einem Gitter aus dunklen Punkten zusammen, deren Positionen stark variieren", erklärt Steven Erwin, ein Materialwissenschaftler vom Naval Research Laboratory, in einem Kommentar in der aktuellen Nature-Ausgabe. „Im Gegensatz zu den Xenon-Atomen, aus denen der ‚IBM'-Schriftzug bestand, sind diese dunklen Stellen nicht die Atome sondern fehlende Atome—das heißt Lücken in einem Gitter aus Chloratomen auf einer Kupferunterlage. Die Lücken können leicht gefüllt werden, indem man mit der Spitze eines RTMs eines der vier angrenzenden Atome verschiebt."

Die Lücken-Methode weist gegenüber den bisherigen Verfahren einige erheblich Vorteile auf. Da die Lücken relativ stabil sind, muss das Speichergerät nicht ganz so stark gekühlt werden—statt flüssigem Helium (-210°C) braucht man jetzt „nur" noch Flüssigstickstoff (-196°C). Außerdem konnten die Physiker die Chloratome vollautomatisch und mit einer Zuverlässigkeit von 99 Prozent auf den gewünschten Platz schieben

Bild: Otte

„Nachdem der Bereich gescannt wurde, werden alle Lücken per Bilderkennung ermittelt", schreiben die Wissenschaftler im Paper der Universität Delft. „Anschließend berechnet ein Algorithmus die 'building sequence' [also die Reihenfolge, in der das Muster, das die Information speichert, angelegt wird] und führt die Lücken an ihre jeweiligen Endpositionen. Die Marker für angrenzende Blocks werden dabei automatisch erstellt, die übrig gebliebenen Lücken werden zur Seite geschoben und für die nächsten Blöcke benutzt. Die Konstruktion eines solchen Blocks dauert etwa zehn Minuten."

Doch trotz der revolutionären Technik gibt es noch einige Hürden, bevor die atomare Speicherung praktisch angewendet werden kann. Die Temperaturen in Rechenzentren liegen nämlich normalerweise bei deutlich mehr als -196°C. Die Notwendigkeit für Flüssigstickstoff ist also eine dieser Hürden. Auch bei der Geschwindigkeit gibt es noch Verbesserungsbedarf: Das Auslesen eines Blocks dauert bisher noch etwa ein bis zwei Minuten. Das niederländische Forscherteam merkte jedoch an, dass es mit den bereits verfügbaren Hochfrequenz-Rastertunnel-Technologien theoretisch möglich sein sollte, eine Geschwindigkeit von 1 Megabit pro Sekunde zu erreichen.