So wird künstliche Intelligenz unser Leben revolutionieren
​Bild: Universal Pictures.

FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

So wird künstliche Intelligenz unser Leben revolutionieren

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die technische Singularität unseren Alltag erobert. Wir haben mit Robotik-Forschern darüber gesprochen, welche Vorbereitungen wir treffen sollten.

Anzeige von Universal Pictures

Künstliche Intelligenz ist die vielleicht größte Bedrohung der Menschheit. Diese frohe Kunde hat kürzlich erneut ​kein Gerin​gerer als der Silicon Valley-Pionier Elon Musk verbreitet. Wir dürften uns glücklich schätzen, wenn AI-Systeme (Artificial Intelligence) uns in naher Zukunft lediglich als Haustiere versklaven, ​ließ uns der Gründer von Tesla und SpaceX netterweise wissen.

Anzeige

Mit seiner Skepsis ist Musk nicht allein. Auch Bill Gates und Stephen Hawking warnen vor der ​technologischen Singularität, dem Zeitpunkt, an dem Maschinen so intelligent sind, dass sie sich selbstständig verbessern können. Sie glauben, dass die High-Tech-Maschinen, deren Entwicklung unsere hochtechnisierte Gesellschaft gerade so eifrig vorantreibt, schon bald nicht mehr „tun, was wir wollen"—ihre Sorge brachten sie kürzlich typisch Mensch gemeinsam mit anderen prominenten Tech-Vordenkern in einem ​diplomatischen offenen Brief zum Ausdruck.

Steuern wir also blindlings in die selbstverschuldete Robo-Apokalypse? Fest steht, dass künstlich intelligente Maschinen längst nicht mehr nur Science Fiction sind: Ein australischer Roboter ​bringt sich anhand von YouTube-Tutorials kochen bei, bei Siemens haben ​smarte Systeme das vollautomatisierte Fließband übernommen, während App-Fernbeziehungen beweisen, dass ​Love-Storys zwischen Mensch und Maschine schon heute durch Bots gesteuert werden könnten.

Können wir uns in eine KI verlieben, die all unsere Sehnsüchte besser erfüllt, als jeder Mensch?

Wie genau die Veränderungen durch die Automatisierung aussehen werden, ist umstritten. Alle Robotik- und KI-Experten, die ich für diesen Artikel interviewt habe, sind zwar überzeugt, dass der Menschheit ein großer Wandel bevorsteht—aber wie genau dieser aussehen wird, bewerten sie äußerst unterschiedlich. Fest steht allerdings, dass unsere Gesellschaft moralisch denkbar schlecht vorbereitet ist. Klar ist aber auch, dass es keinen Grund zur Panik gibt, sondern wir uns realistisch anschauen sollten, was die Zukunft bringen wird.

Anzeige

Um herauszufinden, worauf wir uns—von automatisierten Chirurgen, Sexrobotern bis hin zu selbstfahrenden Fahrzeugen—wirklich einstellen müssen, habe ich Wissenschaftler aus den verschiedensten Bereichen befragt. Was können wir tun, um zu verhindern, dass Roboter die Kontrolle übernehmen—und wie sorgen wir dafür, dass KI-Maschinen zu den besten Freunden unserer Zukunft werden.

Roboter zum Verlieben

Wenn man Ray Kurzweil, dem Superstar unter den Futuristen, Glauben schenkt, dann werden Roboter schon in fünfzehn Jahren unser Level von Bewusstsein erreicht haben. Wann werden sozial kompetente Roboter zu unseren Freunden werden? Könnte sich eine breite Mehrheit mit der Liebe zu Maschinen arrangieren, gar romantischen Sex mit einer künstlichen Intelligenz haben? Oder würden all die Liebschaften platonisch bleiben?

So futuristisch das Konzept einer Roboter-Romanze heute auf den ersten Blick aussehen mag, so nah ist uns doch heute schon die unzerstörbare Liebe zu den mehr oder weniger smarten Geräten, die uns im Alltag umgeben: Wir hängen an den einfachsten Dingen und trauern um ihre Defekte, nicht nur wegen ihrer Funktionalität, sondern auch, weil wir eine Bindung zu ihnen aufbauen. Und selbstverständlich schreiben wir den Apparaten menschliche Eigenschaften zu.

Manche Kleinkinder freunden sich schon heute lieber mit Robotern an als mit den klassischen, ​leblosen Teddybären. Und was ist mit den Erwachsenen? Auch die entwickeln zumindest zeitweise eine Leidenschaft für Bots. Beim diesjährigen SXSW Festival ​in Austin gelang es einer virtuellen Person, vielen den Kopf zu verdrehen: Der Tinder-Chatbot ist zwar nicht unbedingt das intelligenteste System, dass die Menschheit je entwickelte—aber er beglückt sein Publikum mit bestechend einfachem Charme.

Anzeige

Wie lang wird es aber brauchen, bis AI-Roboter unsere Gefühle erwidern? Vorerst werden die Maschinen eher in Form von Gadgets in unser Liebesleben eindringen—ob nun in Form ​lernender Vibratoren oder Siri-ähnlichen Gestalten.

Es könnte noch Jahrzehnte dauern, bis Künstliche Intelligenz das Mysterium der Liebe versteht, was selbst wir Menschen meist kaum begreifen. Die Roboter müssten so viel lernen, wobei Experten durchaus glauben, dass all das im Rahmen ihrer Möglichkeiten liegt: Gefühle beobachten und ausdrücken; verstehen, ob die Liebe echt oder simuliert ist; und dann noch charmant flirten.

Das sind die Gefahren: 

Wir verlieben uns in Maschinen, die all das perfekt erfüllen, was wir Menschen von ihnen erwarten und uns erträumen. Am Ende jedoch brechen sie uns wegen so banalen Bugs wie Akkulaufzeit oder Systeminkompatibilität unser Herz.

Die schönsten Veränderungen, die uns intelligente Liebesmaschinen bescheren werden:

Statt einsam Tagebuch zu schreiben, können wir uns mit Bots unterhalten und sie im Idealfall einfach muten, wenn es uns nicht gefällt. Und, ganz ehrlich, viele der  Gespräche auf Tinder und Okcupid brauchen nicht viel künstliche Intelligenz, um in ihrem heutigen Tiefgang übertrumpft zu werden.

Roboter als Ärzte

Künstliche Intelligenz ist längst auch als Sekretärin auf dem Weg ins Ärztezimmer. Ähnlich ausgestattet wie der IBM-Supercomputer Watson, der die Fragen beim Jeopardy! Quiz meistert, könnte Gesundheits-AI auch in der Praxis mit den immer richtigen Antworten weiterhelfen. IBM arbeitet dabei unter anderem auch mit Apple zusammen, die ja wiederum mit der Smartwatch das vielleicht praktischste Gadget zur persönlichen Gesundheitskontrolle ans Handgelenk gebracht haben.

Anzeige

Schon heute unterstützen intelligente Datenbanken das Pflegepersonal dabei, die ​richtigen Infos im Beratungsgespräch parat zu haben. Bisher zielen all weitergehenden Programme darauf ab, menschliche Fehler zu reduzieren, oder Ungenauigkeiten im OP-Saal zu vermeiden. Viele Tech-Giganten mischen im Gesundheitssektor mit: Erst vor wenigen Wochen hat auch Google für die Weiterentwicklung von solchen intelligenten Doktoren einen​ Deal mit Johnson & Johnson abgeschlossen.

Doch auch in der Pflege kümmern sich schon heute technische Systeme um die Menschen. Wie zum Beispiele diese wunderbare Baby-Robbe, die nicht nur ​das zynische Herz unsere US-Kollegen auf der Tech-Messe CES im vergangenen Jahr erweichte, sondern auch schon erfolgreich in der Therapie von Demenz-Patienten eingesetzt wurde. Bisher sind solche maschinellen Pflegeassistenten nicht mit Datensätzen oder einer eigenen Intelligenz verbunden. Was soll erst passieren, wenn Pflegesysteme mit einem künstlichen Bewusstsein ausgestattet sind.

Das sind die Gefahren:

Wenn so viele intime und persönliche Informationen in einer Maschine zusammenlaufen, gibt es viel Spielraum, dass die Apparate und die dahinter liegenden Systeme missbraucht werden, wie ​die Juristin Margot Kaminski warnt. Versicherungen, Big-Data-Händler und andere Institutionen könnten auf Kosten von Patienten mit den persönlichsten Informationen ihr Geld verdienen.

Anzeige

Die schönsten Veränderungen, die uns schlaue Gesundheitsmaschinen bescheren werden:

Jedes System, das die menschlichen Grenzen erweitert, verschafft uns auch Autonomie. Sei es der Treppenlifter oder eine Vorrichtung, die uns in die Badewanne heben kann. Wer möchte sich dagegen schon wehren?

Roboter, die für uns kämpfen und töten

Auch wenn all diese blumigen AI-Szenario vielversprechend klingen, so ist das Militär die wichtigste Front, an der Künstliche Intelligenz entwickelt wird. Der Rechtswissenschaftler Frank Pasquale fasst die Gefahr prägnant zusammen: „Wenn das so weitergeht, sind wir auf dem besten Weg zu einer Zivilisation, in der eine kleine Elite ihre konzentrierte Kontrolle über die Technologie dazu missbraucht, um die anderen zu unterwerfen."

Killer-Roboter, die bei ihren Handlungen ohne menschliche Eingriffe auskommen, gibt es schon heute. Die KI-Expertin Yvonne Hofstetter hat das anhand des südkoreanischen Systems SGR-A1 illuster erläutert: ‚Schon zwei Meilen, bevor Sie die Grenze erreichen, hat Sie die KI „gesehen". Sollten Sie sich weiter nähern, fordert Sie der Roboter auf, die Hände zu heben. Dafür haben Sie 30 Sekunden Zeit. Wenn Sie dem nicht folgen, sind Sie innerhalb von Sekunden tot.'

Nationen wie Großbritannien, die USA, Russland, China und Israel befeuern längst mit großen Budgets die technologische Entwicklung von automatisierten Waffensystemen. „Sie wurden nur noch nicht im Konflikt eingesetzt", erklärt mir Noel Sharkey. Er leitet die Organisation ICRAC (International Committee for Robot Arms Control), die seit zwei Jahren ​die Kampagne ‚Stop Killer Robots' anführt. Er sieht moralisch ein großes Dilemma auf uns zukommen, wenn nicht mehr klar ist, wer den Abzug betätigt: Ist es eine Software, die künstliche Intelligenz, das Subjekt des Roboters oder der Ingenieur selbst? Es sind die selben moralischen Ambivalenzen, die ​sich derzeit schon bei den Drohnen stellen.

Anzeige

Aktuell wird bei der UN in Genf über die Moral von autonomen, tödlichen Waffen ​verhandelt. Bisher können sich die teilnehmenden Staaten nicht darauf einigen, was es bedeutet, dass es ‚meaningful human control' gibt. „Wir sind optimistisch, dass wir es schaffen werden, in den kommenden Jahren international verbindliche Verträge aufzustellen, die autonome Waffensysteme verbieten", erklärte mir immerhin Noel Sharkey. Dieses Jahr wird das allerdings nichts. ​Großbritannien stellt sich gegen ein solches Verbot quer.

Das sind die Gefahren:

Ein unilateraler Krieg, bei dem sich eine Seite gemütlich in ihrem Kokon entspannt, während automatisierte Maschinen ihre Ziele festlegen und scheinbar sauber morden.

Die schönsten Veränderungen, die uns schlaue Kriegsmaschinen bescheren werden: 

Künstlich intelligente Soldaten könnten womöglich endlich gewissenhaft sicherstellen, dass keine überflüssigen und tödlichen Schüsse abgefeuert werden.

Roboter, die für uns fahren und Feuer löschen

Bild: Google

Künstliche Intelligenz ist schon heute auf unseren Straßen präsenter als wir denken. Das beginnt mit den Kalman Filtern für Abstandsmessungen: „Die Technologie selbstfahrender Autos wird massiv an Bedeutung gewinnen", prognostiziert Hofstetter: „Google, Apple, Uber und auch Tesla entwickeln derzeit disruptive Autos. In zehn Jahren werden wir Wagen sehen, die dann wahrscheinlich nur noch die Hülle eines BMW oder Audi haben." Wir in Europa hinken den USA allerdings bei der Entwicklung intelligenter Robotersysteme um rund zehn bis fünfzehn Jahre hinterher.

Anzeige

Dennoch sollen die selbstfahrenden Autos in fünf Jahren langsam zur Normalität zu werden, erklärt Chris Urmson, Leiter des Google-Car Projekts. Elon Musk wiederum spricht von einem Zeitrahmen von fünfzehn Jahren. Mit völlig automatisierten Autos gehen noch eine Reihe an legalen Fragen einher, die bisher vollkommen unklar sind: Wie werden die Systeme zwischen Sachschaden und Personenschaden abwiegen und sich im Zweifel entscheiden? Wer trägt die Verantwortung für Unfälle?

In Hongkong entwickelte das Start-Up „Insight Robotics" ein auf KI basiertes System der Feuerdetektion, das bereits in fünf Provinzen und ​sieben Städten in China genutzt wird. In Japan wiederum gibt es Pläne, die Feuerwehr zumindest teilweise durch Roboter zu ersetzen—bis 2018 soll das gelingen. Die Feuer-Roboter sollen die gefährliche Arbeit übernehmen, ​während menschliche Kollegen nur noch zur Unterstützung dabei sind.

Das sind die Gefahren:

Bei Unfällen bewegen wir uns in einer rechtlichen Grauzone. Versicherungsvertreter werden noch mehr Papierarbeit als je zuvor haben.

Die schönsten Veränderungen, die uns schlaue Fahrzeuge bescheren werden:

Wir können uns zurücklehnen statt zu lenken und einfach die Aussicht genießen—und nebenbei mit unseren Roboterfreunden rumknutschen.

Roboter, die uns die Jobs wegnehmen und in die Hängematte schicken

Könnte es etwas Schöneres geben als ein Leben in der Hängematte, während die Roboter für uns die Arbeit erledigen. Uber-CEO Travis Kalanick brachte kürzlich als Antwort auf die Frage nach Gehältern für seine aus dem Kollektiv akquirierten Fahrern die ​Idee von Roboter-Fahrern ins Spiel. Wenn sich die Produktionsmittel, wie in der Sharing-Economy, wo jeder einen Teil seines Besitzes als Produktionsmittel einbringt, so einfach technisch delegieren lassen, dann liegt die Frage nahe: Wer braucht noch die Arbeiter (oder Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte), wenn sich alle Aufgaben viel besser mit technisch intelligenten Systemen lösen lassen?

Jurist Frank Pasquale hat eine knappe Antwort für den Uber-Chef: Angesichts all der peinlichen und unmoralischen Faux-pas, die sich Uber als Unternehmen im Jahr 2014 geleistet habe, wäre es gleich besser gewesen, „wenn ein Roboter das Unternehmen geleitet hätte". Tatsächlich gab es schon den Versuch, Venture-Kapitalisten durch Algorithmen zu ersetzen: Schon 2013 wurde erstmals offiziell ein Algorithmus in einen Aufsichtsrat berufen.

Roboter könnten unsere Leben so viel einfacher machen, wie der Berliner Hacker Frank Rieger in seinem Buch „Automatisierungsdividende" ausführlich analysiert hat. In seiner Vision sollten wir die Autonomisierung und die Möglichkeiten von KI so weit vorantreiben, bis die Wirtschaftlichkeit unserer Gesellschaft ein Ausmaß erreicht, in dem die Maschinen all unsere Aufgaben erledigen und uns ein Leben in Komfort und Würde ermöglichen. Laut Frank Rieger ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Zeitpunkt kommt—und dann werden es die Maschinen sein, die die Utopie des ​bedingungslosen Grundeinkommens verwirklichen.

Die Zukunft kann kommen—doch bis dahin haben wir Menschen noch viele Vorbereitungen zu treffen, die weniger technischer, sondern vor allem ethischer Natur sein werden.

Filmstart von „Ex Machina" in Deutschland ist der 23. April 2015.