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Ein Transhumanist möchte hungernden Kindern mit seinem DIY-Soylent helfen

Mit einem selbstgemixten Nahrungsmittelersatz möchte ein Ingenieur aus Kalifornien die Mangelernährung Stamms auf den Philippinen bekämpfen.
Tanzende Alangan-Magyan. Bild: Colin und Sarah Northway / Flickr | Lizenz: CC BY 2.0

Es gab Zeiten in denen Ernährungsprogramme für Entwicklungsländer sich aus wenigen simplen Zutaten zusammensetzten: Skelettartige Afrikaner, Getreidesäcke, die aus Flugzeugen abgeworfen werden und Predigten von Bob Geldorf. Auch heute noch gibt es mehr als genug hungernde Menschen, denen wir zu Hilfe eilen sollten—nur erlaubt uns unser technischer Fortschritt inzwischen die unterschiedlichsten Dinge auch einfach in die sogenannte Dritte Welt zu verschicken.

Die reiche Ernte des Silicon Valleys verbreitet sich überall auf der Welt: Im vergangenen Jahr waren es Laptops und W-Lan-Ballons. Nun können wir offiziell DIY-Soylent in das Angebot mit aufnehmen. Zumindest wenn es nach Hank Pellissier geht. Der frühere Leiter des progressiven Think Tanks Institute for Ethics and Emerging Technology ist heute Chef von BrighterBrains.org—einem „Think and Do Tank“, dem es darum geht die geistige und neurologische Gesundheit zu verbessern.

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„Eine Milliarde Menschen auf der Welt leiden an Darmbakterien, die ihr Gehirn angreifen. 850 Millionen Menschen leben in extremer Armut und sind unterernährt“, erklärt Pellissier: „Das sind eine Menge überflüssiger Hirnschädigungen.“

Pellissier möchte zunächst an 140 Kindern des Alangan-Magyan Stamm zwei Tonnen selbstgemachten Soylents schicken. Der Stamm, der am äußeren Rand der Mindoro Insel in den Philippinen lebt, soll also in den Genuss des nährstoffreichen Breis kommen, der das Silicon Valley im Sturm erobert. Pellissier hat schon seit über 10 Jahren mit den Dorfbewohnern der Magyan zu tun. Er kaufte sieben Hektar Land, auf dem auch die Mindoro leben und versuchte bereits dort Hühnerfarmen einzuführen, was den Indigenen eine verlässliche Proteinquelle verschaffen sollte.

Auf seinen jüngsten Plan hat ihn der Soylent Entwickler Rob Rhinehart gebracht. Und als Soylent den Vorschlag Pellissiers ablehnte Essen für die Philippinen zu spenden, wandte er sich an die DIY-Szene von Powderedfoods.com. Schließlich initiierte er eine Crowdfunding-Kampagne, um die etwas mehr als 4.000 Euro aufzutreiben, für das Material und die Portokosten.

Ich finde es eine Schande, dass Menschen zum Mars reisen wollen, aber vergessen, dass Millionen andere Menschen hungern leiden.

Pellissier spricht sich allerdings nicht für Soylent als vollständigen Ersatz für die Inselbewohner aus, aber zumindest als sinnvolle Ergänzung: „Ihre Ernährung ist äußerst reich an Kohlehydraten und arm an Proteinen. Ich denke, dass die flüssige Nahrung dabei helfen wird die Proteine zu liefern, die vor allem nötig sind um verbreiteten Krankheiten wie Tuberkolose zu begegnen.“

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Ob die Mangyan-Dorfbewohner allerdings einen Brei zu sich nehmen werden, der wie ungebackener Pfannenkuchenteig schmeckt, bleibt abzuwarten. „Vielleicht werden sie am Anfang etwas zurückhaltend sein“, gibt Pellissier zu: „Ich musste sie aber am Anfang auch von der Wurmkur-Medizin überzeugen.“

Sie sind nicht die einzigen, die es mit Skepsis beäugen könnten, Millionen Kalorien in Form von experimenteller Nahrung an hungernde Kinder zu schicken. Mariette Abrahams ist selbst Ernährungswissenschaftlerin und Diätexpertin und agiert außerdem als Pressesprecherin der britischen Diätiker-Vereinigung. Sie ist schockierte über den Vorschlag. „Was die da gerade planen könnte wirklich ernste Konsequenzen haben“, sagte sie. „Kinder haben ganz andere Ernährungsbedürfnisse als Erwachsene. Ausserdem sind diese Kinder unterernährt und leben unter schlechten hygienischen Bedingungen. Das Wasser dort wäre nicht sicher, was die Gefahr von Durchfall erhöht.“

Ihre Hauptsorge gilt dem Rückfütterungs-Syndrom, einer so wenig intuitiven wie gefährlichen Reaktion des Körpers von Menschen, die dem verhungern nahe sind. „Wenn du über lange Zeit nicht genügend Nahrung zu dir genommen hast und du dann so etwas wie diesen Shake mit konzentrierten Nährstoffen kriegst, kann das den Körper so belasten, dass der Hungernde an der Nahrung stirbt. Das kann sogar bei leichter Unterernährung passieren.

Wer übernimmt die Verantwortung, wenn etwas schief läuft?

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Sie steht auch der kurzen Zeitspanne des DIY Soylent-Projects skeptisch gegenüber. Obwohl zwei Tonnen nach viel klingt, reicht es gerade mal aus, um die Kinder über zwei Wochen zu ernähren. „Was wollen die denn nach den zwei Wochen tun? Die Kinder zurück in die Mangelernährung schicken?“, fragt sie.

Ich legte Pellissier diese ethischen Sorgen, um das Projekt vor. Deine Ernährung auf einen ungetesteten Nahrungsersatz umzustellen, mag für einen Ingenieur aus Kalifornien eine bewusste Wahl sein, aber unterernährte Kinder haben da kaum eine Wahl. Abrahams merkte kritisch an: „Sind Ärzte beteiligt? Die Regierung? Kontrollieren die lokalen Ernährungsprogramme die Aktion? Wer übernimmt die Verantwortung, wenn etwas schief läuft?“

Pellissier gab zu, dass er nicht viel darüber nachgedacht habe wer alles Zustimmen könnte oder müsste. Aber, fügte er hinzu, „Leute haben alle möglichen Gründe nicht für einen guten Zweck zu spenden. Für mich klingt das wie ein weiterer dieser Gründe.“

Pellissiers ernst gemeinter Wunsch, den Alangan-Mangyan zu helfen, kann keiner in Zweifel ziehen. Als ehemaliger Katholik und Transhumanist sieht er sich nun als atheistischer Missionar—mit der Macht der Technologie statt jener Gottes auf seiner Seite. „Technologie hat uns alles Gute gebracht; hoffen wir, dass sie weitere Krankheiten besiegen wird, uns Weltraumreisen ermöglichen wird und vieles mehr“, begeisterte er sich. „Ich finde es ist eine Schande, dass Menschen zum Mars reisen wollen, aber vergessen, dass Millionen Menschen in dieser Welt hungern.“

Die Indigenen dieser Welt sollten gewarnt sein: Die technologische Utopie des Silicon Valley ist längst auf dem Weg auch sie zu erlösen und erretten.