Eine Vereinssitzung des Berliner Biotinerking-Berlin e.V.i.G. Bild: Verena Hefner
Ich manövriere mich durch einen vollgestellten dunklen Raum voller leuchtender Bildschirme und blasser Männer. Hier hackt unter Anderem der CCC vor sich hin, und es sieht genauso aus, wie es aussehen soll: Die Luft besteht zu 80 Prozent aus Zigarettenqualm und LED-Leuchten blinken in vorprogrammierten Abständen. Wie eine verspätete Erfüllung eines 90er Jahre Hacker Films. „Die Biologen sitzen draußen!" wird mir zugerufen und als ich ins Freie klettere sehe ich zehn Menschen, die zwischen Blumenkübeln ihre Köpfe zusammen stecken. Der Unterschied zwischen den zwei Szenen ist erfreulich eindeutig. Es ist doch immer schön, wenn man etwas so vorfindet, wie man es sich vorgestellt hat.Doch der idyllische hochsommerliche Anblick täuscht. Hier haben Leute Großes vor. Die Zehn auf der Terrasse sind Deutschlands erster offizieller DIY-Biologie Verein, der Biotinerking-Berlin e.V.i.G.2005 schrieb Rob Carlson vom Brenner's Molecular Sciences Institute in einem Artikel in der Wired „Wir stehen vor der Ära der Garagen-Biologie. Willst du mitmachen?" Und viele wollten es. Drei Jahre später gründeten Jason Bobe vom Personal Genoma Project der Harvard Medical School und Mackenzie Cowell, eine Webentwicklerin aus Cambridge, die erste offizielle DIY-Bio-Gruppe.Wie alle guten Revolutionen startete auch diese in einer Bar. Im Asgard Irish Pub in der Nähe des MIT um genau zu sein. Auf ihre erste Einladung kamen 25 Leute. 2010 zählte die E-Mail Liste von DIY-Bio bereits mehr als 2000 Abonnenten. Ihre Website ist noch immer die erste Anlaufstelle für alle, die sich für Biologie Marke Bastleransatz interessieren.Die do-it-yourself Biologen streben eine Demokratisierung der Wissenschaft an. Die Bewegung ist damit eine Ausprägung der Open-Science Bewegung, die einen offenen Austausch von Daten, Publikationen und Material fördert und ihren Ursprung in dem Vorstoß der Open-Source Software in den 90ern hat. Es geht darum, außerhalb der institutionalisierten Wissenschaft Experimente und biologische Projekte umzusetzen und einer breiten Öffentlichkeit Zugang zu Wissen zu beschaffen.Auch der Berliner DIY-Bio-Verein sieht darin seine Hauptaufgabe. Unter dem Motto „Freies Forschen für neugierige Menschen" möchten sie einen Raum schaffen, in dem interessierte Menschen ihre Ideen verfolgen und umsetzen können. Dazu möchten sie ihre Expertise und einen Grundstock an Labormaterialien bieten, die man sich so alleine zuhause nicht anschaffen will oder möchte.Die meisten der Mitglieder sind aus der richtigen Laborarbeit geflüchtet. Sie beklagen schlechte Arbeitsbedingungen und fehlende Karrierechancen. Die Liebe zur Wissenschaft der Biologie ging ihnen jedoch trotzdem nicht verloren und so sehen sie die Bewegung als Möglichkeit ihre Faszination für die Lebenswissenschaft frei auszuleben. „Es hat auf jeden Fall etwas Emanzipatorisches" sagt Rüdiger Trojok, eines der Gründungsmitglieder. Und Juliane Cuccato, eine der wenigen, die noch immer täglich im Labor steht, erklärte mir gegenüber:„Einer unserer Grundgedanken ist, die biologische Forschung und das angesammelte Wissen möglichst transparent an möglichst viele Leute weiterzugeben ohne künstliche Hierarchien zu schaffen. Einfach zu sagen: „So hier, probiert euch aus!""Noch ist der Verein eine sehr homogene Gruppe—die meisten haben Lebenswissenschaften studiert. Langfristiges Ziel ist es jedoch, Menschen aus ganz unterschiedlichen Richtungen zusammenzubringen und als offener Raum für den Austausch verschiedener Disziplinen zu dienen. Etwas, das in der institutionellen Academia so oft nicht möglich ist.Die Projekte und Ideen des Berliner Vereins muten dabei weniger an wie trockene Wissenschaft, sondern mehr wie Kunst oder Philosophie. Jessica Bernds möchte beispielsweise mit leuchtenden Bakterien Bilder auf große Agarplatten malen und Trojoks Traum ist es, eine transgene molekulare Oper zu schaffen. Der Biologe als Dirigent—schönes Bild. Zudem steht der Verein im Kontakt mit der Künstlerin Karolina Sobecka, die in ihrem Projekt „Sky+" Wolken hackt.Auch wenn diese Projekte nicht unbedingt in neue Sphären der Molekularbiologie vordringen, sind sie kreative Variationen des Hacker-Prinzips. Auch die Vorhaben von Meredith L. Patterson, die von vielen als die Doyenne der DIY-Biologie Bewegung angesehen wird, wirken eher wie kreative Wissenschaftsspielereien. Sie stellte im Dunklen leuchtenden Joghurt her, in dem sie die darin enthaltenen Bakterien so manipulierte, dass diese fluoreszierende Proteine produzierten.Obwohl die meisten der DIY-Bio-Projekte eher harmlos sind, musste die Bewegung immer wieder gegen Angst und Vorurteile ankämpfen. Der Gedanke, dass ein Haufen Biohacker in Garagen Anthrax herstellen könnte, rief 2009 das FBI auf den Plan. Sie begannen Vertreter der Abteilung für Massenvernichtungswaffen zu DIY-Bio Konferenzen zu schicken. Angst haben muss man nun aber nicht, wie Jessica Bernds in ihren Statements deutlich macht:„Ich möchte verstehen, was um mich herum passiert und vielleicht einen Beitrag dazu leisten, was in der Academia passiert und das möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Mehr nicht."Bevor irgendwelche Experimente gemacht wurden hat sich die globale Szene auf zwei Konferenzen getroffen und ethische Grundregeln aufgestellt. Darauf basiert der Syn Bio Oath, der auch den Berliner DIY-Biologen als ethischer Rahmen dient:
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Aus der Kneipe zur demokratisierten Forschung
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Anthrax-Panik auf DIY-Bio-Konferenzen
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- I know I don't know everything.
- I learn from nature and will make use of the knowledge gained responsibly.
- I respect all living systems, their complexity and dynamics and recognize my responsibility towards them.
- I recognize the power of synthetic biology and will apply it for the benefit of humankind.
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- I carefully listen to concerns and questions expressed by the public or members of the community and respond honestly.
- I emphasize the open sharing of ideas, knowledge and data.
- I adhere to local law.
- I adopt established scientific procedures and safe practices.
- I will never allow financial gain, competitiveness, or ambition cloud my judgment in the conduct of ethical research and scholarship.
- I faithfully transmit this code and the ethical principles upon which it is based to all who are or may become engaged in the conduct of life science.