„Freiheit der Wissenschaft kann es nur in einer freien Gesellschaft geben.“
Alle Bilder (wenn nicht anders angegeben): Lisa Ziegler

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„Freiheit der Wissenschaft kann es nur in einer freien Gesellschaft geben.“

Weltweit gingen gestern Menschen gegen „alternative Fakten“ und Verschwörungstheorien und für eine freie Wissenschaftsgesellschaft auf die Straße. Auch in Berlin waren Tausende gekommen.

Der Termin für den March or Science wurde bewusst gewählt. Seit 1990 wird nämlich am gestrigen 22. April der Earth Day begangen, der daran erinnern soll, wie überlebenswichtig es ist, dass die Menschheit Umwelt und Natur schützt. Ein Fakt, der in der US-Politik jedoch seit dem Amtsantritt von Donald Trump nicht mehr viel zählt. Erst kürzlich legte der US-Präsident einen Haushaltsplan vor, der mit seinen Kürzungen eine Katastrophe für die Wissenschaft wäre. Gleichzeitig geistern Begriffe wie „Fake News" und „alternative Fakten" seit Monaten durch die Medien und vergiften das Diskussionsklima. Der internationale March for Science stellt sich gegen diesen Trend mit einer eindeutigen Botschaft: „Wissenschaftliche Erkenntnisse sind als Grundlage des gesellschaftlichen Diskurses nicht verhandelbar", wie die Organisatoren auf ihrer Website schreiben.

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Allein in Berlin waren laut Polizeiangaben 11.000 Menschen gekommen, deutlich mehr als vom Veranstalter erwartet. In 22 weiteren deutschen Städten fanden parallel weitere Wissenschaftsmärsche statt. In Berlin ging es von der Humboldt Universität bei wechselhaftem Wetter und Wind etwa 750 Meter auf der Straße Unter den Linden bis zum Brandenbuger Tor.

In den USA waren Trump und seine Anti-Klima- und Wissenschaftspolitik der Ausgangspunkt. Von dort entstand eine weltweite Bewegung, deren Märsche zwar unabhäng organisiert wurden, aber alle unter den gleichen Prinzipien und Zielen zusammenfinden. Am Samstagnachmittag in Berlin ging es aber um viel mehr als nur den US-Präsidenten.

Hintergrund: Trumps Haushaltsplan zeigt, was er von der Wissenschaft hält

Die Veranstalter weisen darauf hin, dass Trump „nur ein Symptom einer internationalen Entwicklung" sei. Bei der Abschlusskundgebung vor dem Brandenbuger Tor hielten Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Wissenschaftskommunikation Reden zu den Themen und Herausforderungen, mit denen die Wissenschaft in den kommen Jahren konfrontiert sein wird.

„Freiheit der Wissenschaft kann es nur in einer freien Gesellschaft geben," sagte Wissenschaftsjournalist Rangar Yogeshwar vor den tausenden Wissenschaftlern und Wissenschaftsinteressierten. Diese freie Gesellschaft ist in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern glücklicherweise gegeben. Der March for Science, der weltweit in 600 Städten stattfindet, ist aber auch eine Solidaritätsveranstaltung für die an den Rand gedrängte Wissenschaftler in anderen Ländern.

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Science March Berlin

Laut Polizeiangaben nahmen über 11.000 Menschen am Demonstrationszug Unter den Linden teil. Bild: Imago

Es geht um die „politisch instrumentalisierte Eingriffe in die Freiheit kritischer Universitäten in Ungarn, die Beschneidung der Wissenschaftsfreiheit in der Türkei, die Ignoranz wissenschaftlicher Erkenntnisse in den USA;" sagte Jutta Allmendinger, die Präsidentin am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung ist.

So sah es in Washington aus: Bilder der besten Schilder vom zentralen Science March

Berlins Bügermeister Michael Müller betrat nach Yogeshwar die Bühne und bekräftigte, dass an der Freiheit der Wissenschaft nicht zu rütteln sei. Er drückte ebenfalls im Namen der Demonstrierenden seine Solidarität gegenüber den Wissenschaftlern aus der Türkei, Ungarn und den USA aus. Es komme darauf an „Brücken zu bauen, Netzwerke zu nutzen und unsere Hochschulen für verfolgte Wissenschaftler aus aller Welt zu öffnen," so Müller. Das würde an vielen Universitäten auch schon geschehen. Genau diese Internationalität war auch auf dem Wissenschaftsmarsch in Berlin zu spüren und zu sehen.

Nach Michael Müller trat unter anderen Naika Fourutan vom Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung auf die Bühne, um über die Verantwortung von Wissenschaft in Fragen der Migration und Integration von Flüchtlingen zu sprechen.

Fourutan sprach das subjektive Angstempfinden der Menschen an, das nicht einmal mit objektiven Zahlen zu beruhigen sei. „Wir als Wissenschaftler müssen lernen, zu den Zahlen Erzählungen und Narrative zu transportieren," forderte die Sozialwissenschaftlerin.

Den Abschluss bildete der Chor Unität aller Berliner Hochschulen, um zusammen mit den Demonstranten das Volkslied Die Gedanken sind frei zu singen. Der Text, „Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen. Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei," fasst zusammen, was hier heute alle denken. Ohne eine freie Wissenschaftsgesellschaft kann es keine funktionierende Demokratie geben.