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FDP - Fackel der Potheads

Die Kiffnummer von Lindner, gestern zu sehen in der Talkshow von Benjamin von Stuckrad-Barre auf TELE5, hat eine tiefere Dimension als zunächst sichtbar.
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Ach Deutschland, was ist nur mit deinen Parteien los? Der viertmeistgenannte Name in der Piratenkommunikation ist Adolf Hitler, wie kürzlich eine Studie des Heinrich-Böll-Instituts zeigte. Die SPD und die CDU kommen sich in ihrem Kampf um die Mitte so nahe, dass es bitter nach Inzest stinkt. Die Grünen haben sich längst verraten, was sie andererseits natürlich zur perfekten neuen Partei der Mitte macht, und die FDP—ach die FDP, was ist mit euch eigentlich los? Euch geht’s so beschissen, dass sich euer Fraktionsvize schon öffentlich bekiffen muss, um die Lage einigermaßen auszuhalten. Zumindest sieht das DER STERN so. Doch die Kiffnummer von Lindner, gestern zu sehen in der Talkshow von Benjamin von Stuckrad-Barre auf TELE5, hat doch eine tiefere Dimension als zunächst sichtbar. Spitzfindig könnte behauptet werden, Lindner wolle jene verkifften Protestwähler der Piraten für die FDP gewinnen. Andererseits schreit jetzt natürlich wie auf Knopfdruck die Drogenbeauftragte der Bundesregierung laut auf: „Eine Verharmlosung des Cannabiskonsums in der Öffentlichkeit sendet ein völlig falsches Signal aus“, kommentierte Mechthild Dyckmans, passenderweise von der FDP. Doch darum geht’s hier nur vordergründig. Viel mehr im Fokus sollte das programmierte Kalkül stehen, mit dem hier ein „Skandal“ herbeigeführt werden wollte. Medial ist das am besten, wenn du dich als Politiker dem durchschnittlichen Niveau des RTL-2-Zuschauers angleichst. Klar werden jetzt alle drauf anspringen. Es wird diskutiert werden, ob Lindner—der Haudrauf der FDP—überhaupt noch tragbar ist. Andere, wie die Süddeutsche, nennen Lindner jetzt groß Kifferkapitalist. Das ist gut für die Klicks auf den Artikel. Dahinter verbirgt sich dann nicht viel. Natürlich kann auch argumentiert werden, Lindners Aktion zeige im Grunde ja ein „liberales“ Gesellschaftsverständnis. Denn weiche Drogen illegal zu halten, erhöhe nur die Beschaffungskriminalität. Doch gegenwärtig zeigt es nur an, dass die FDP sich selbst gänzlich verloren hat. Denn diese Einstellung war die Grundüberzeugung des neoliberalen Obergurus Milton Friedman. Er und seine Schergen haben durch ihre Theorien seit den 1980er Jahren gezielt dazu beigetragen, dass „liberal“ heute nicht mehr politisch, sondern nur noch wirtschaftlich verstanden wird. Die Auswirkungen dieser „Politik“ zeigen sich am schärfsten in Amerika und England, wo der Neoliberalismus seit Reagan und Thatcher ungehindert wütet. Vielleicht wird aber zum Fall Lindner auch bei Günther Jauch oder Maybrit Illner schön oberflächlich und nichts aussagend diskutiert werden, ob Marihuana und andere „weiche Drogen“ nicht vielleicht doch legalisiert werden sollten. Natürlich wird diese Diskussion—wie immer—ins postdemokratische Nichts führen, während sich weiterhin jeder 16-jährige bei Norma für 4,99 Euro eine Flasche feinsten Wodka Fürst Uranov kauft, um sich damit Speiseröhre und Leber zu verätzen. Aber genau in der nun folgenden medialen Aufregung liegt der Kern dieses Schmierentheaters: Politik ist längst zur Unterhaltung verkommen. Die Sendung von Stuckrad-Barre war eine Aufzeichnung. Der Sender gab vorher en Detail bekannt, was passieren wird. So konnte sich die Presselandschaft schon perfekt darauf vorbereiten, wie man darauf reagieren würde. Mit Kalkül kann nun die mediale Verwertungsmaschine angeschmissen werden. Fehlt eigentlich nur noch Westerwelle mit seinem Guidomobil. Doch im Endeffekt ist es scheißegal. Wir sind zurück bei Brot und Spiele, die FDP—die Partei eines Genschers, Lambsdorffs, Heuss’ und Scheels—hat TELE5-Niveau erreicht. Da hilft wirklich eigentlich nur noch Tilidin.

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