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Grober Patzer: US-Behörde verrät aus Versehen, dass Assange offenbar längst angeklagt wurde

Unvermittelt taucht der Name des WikiLeaks-Gründers in einer bisher unbeachteten Gerichtsakte auf. Die Enthüllungsplattform wittert eine Copy-Paste-Verwechslung.
Julian Assange: graue

Die USA haben WikiLeaks-Gründer Julian Assange offenbar angeklagt. Dass die Nachricht von der Anklage an die Öffentlichkeit gelangte, liegt womöglich an einem groben Fehler: Wie die Washington Post berichtet, hatten Staatsanwälte aus dem US-Bundesstaat Virginia es in einem ganz anderen, nicht mit Assange in Verbindung stehenden Gerichtsdokument versehentlich erwähnt.

Bei dem Dokument handelt es sich um einen Antrag auf Geheimhaltung einer Strafanzeige. In dem Schreiben heißt es, Dokumente müssten "wegen der Raffinesse des Angeklagten und der Publicity des Falls" weiterhin unter Verschluss gehalten werden, bis Assange verhaftet sei. Außerdem könne nur so "geheim gehalten werden, dass Anklage gegen Assange erhoben wurde". Das Eigenartige: In dem Verfahren geht es überhaupt nicht um Assange, sondern um einen der Öffentlichkeit bisher unbekannten Mann namens Seitu K.. Der hat aber überhaupt nichts mit Wikileaks oder deren Aktivitäten zu tun.

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Wie die Passagen in das Schreiben gelangten, ist unklar. Ebenfalls unklar ist, was Assange vorgeworfen wird. Eine offizielle Bestätigung der Anklage von Seiten der Behörden steht ebenfalls noch aus.


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Wikileaks griff den Fall prompt auf Twitter auf, postete den Link zur mutmaßlichen Gerichtsakte und ließ verlauten, die US-Justiz hätte "versehentlich" die Assange-Anklage enthüllt. Laut WikiLeaks handelt es sich dabei um einen "cut-and-paste-Fehler". Damit legt die Plattform nahe, dass es tatsächlich eine Anklage gegen Assange gibt, die unter Verschluss ist, und dass ein Teil des Antrags auf Geheimhaltung in die Akte in Seitu K.s Fall kopiert wurde, ohne dabei die Namen anzugleichen.

Laut dem Guardian ist es eine weit verbreitete Praxis unter Staatsanwälten derartige Textbausteine von einem Dokument in das andere zu kopieren. Dabei würden aber im Regelfall personen- und fallbezogene Details angepasst werden.

Schon seit Jahren wollen US-Behörden gegen Assange vorgehen, weil er über seine Plattform WikiLeaks 2010 geheime Dokumente aus den Kriegen in Afghanistan und Irak veröffentlicht hat. Zudem soll WikiLeaks mit in den US-Wahlkampf 2016 eingegriffen haben, indem sie geleakte E-Mails von Demokraten veröffentlichten. Laut Washington Post haben Menschen, die mit diesen Ermittlungen um WikiLeaks vertraut sind, die Echtheit der Enthüllung bestätigt, aber auch darauf hingewiesen, dass sie nicht beabsichtigt gewesen sei. Joshua Stueve, Sprecher der Staatsanwaltschaft in Ost-Virginia, wo der Fall schon seit längerem von der Staatsanwaltschaft verfolgt wird, teilte der Washington Post mit, dass es sich bei der Veröffentlichung des Dokuments um einen Fehler handele. "Es war sicher nicht der beabsichtigte Name für diesen Antrag." Ob die Anklage tatsächlich existiert, geht aus seiner Aussage nicht hervor.

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Assanges Anwalt Barry Pollack sage der Washington Post, er habe keine Ahnung, ob Assange denn nun wirklich angeklagt wurde und für was überhaupt. Dem Guardian schrieb er in einer E-Mail: "Die Nachricht, dass Mr. Assange offenbar angeklagt wurde ist noch beunruhigender als die planlose Art, auf die diese Information enthüllt wurde."

So kam die Nachricht von Julian Assanges angeblicher Anklage ans Licht

Der Antrag auf Geheimhaltung, der am 22. August 2018 gestellt wurde, betrifft eigentlich Seitu K., der wegen sexueller Nötigung einer 15-Jährigen angeklagt wurde und "erhebliches Interesse an terroristischen Aktivitäten" haben soll. Der Fall K. war bis zum frühen September laut Washington Post eine Verschlusssache, habe aber generell nur wenig Aufmerksamkeit erregt. Dadurch wurde die Nachricht über Assange lange nicht bekannt.

Bis Seamus Hughes, der stellvertretende Direktor eines Programms zu Extremismusforschung an der George Washington University in Washington sich am Donnerstagnachmittag auf Twitter über den Fehler lustig machte.

"Ihr Leute solltet wirklich öfter Gerichtsakten aus Ost-Virginia lesen", schreibt er in seinem Tweet, "das ist billiger als ein Zeitungs-Abo". Angeheftet war ein Foto des Abschnitts, in dem Assange erwähnt wird.

Seit sechs Jahren hält sich Assange in der Botschaft Ecuadors in London auf, um nicht in die USA ausgeliefert zu werden – oder nach Schweden. Denn dort war er wegen Vergewaltigung angeklagt worden, der Vorwurf ist mittlerweile jedoch verjährt. Von Schweden aus – so befürchtete Assange – hätte man ihn an die USA ausliefern können. Dort befürchtete er weit schlimmere Strafen zu erhalten, denn er hatte auf seiner Enthüllungsplattform Wikileaks 2010 geheime US-Dokumente aus den Kriegen in Afghanistan und Irak veröffentlicht. Bisher hatten US-Behörden aber nie gesagt, dass sie ihn dafür anklagen würden. Sollte er tatsächlich von den USA wegen Geheimnisverrats angeklagt und verurteilt werden, droht Assange die Todesstrafe.

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