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Neues Pick-up-Artist-Videospiel bringt Männern übergriffiges Verhalten bei

'Super Seducer' will Männern zeigen, dass Frauen Roboter sind, die richtige Antworten mit Sex belohnen. Steam findet das OK. Wir haben mit dem Verantwortlichen gesprochen.
Bild: Super Seducer

"Der realistischste Verführungssimulator der Welt": Nichts weniger als das soll Super Seducer werden, ein PC-Spiel, das am 6. März auf der Downloadplattform Steam erscheinen wird. Doch der "Simulator" hat ein Problem: Er kommt aus dem ideologischen Sumpf der sogenannten Pick-Up-Artists.

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Im Grunde besteht das Spiel nur aus einer Reihe von Videoclips, in denen ein Mann verschiedene Frauen angräbt. In Schlüsselmomenten muss der Spieler entscheiden, was der Mann sagt, und sieht dann direkt das Ergebnis. Super Seducer soll "Hunderte Geheimnisse aufdecken, die Verführungsmeister von anderen Männern unterscheiden" und dem Spieler beibringen, wie man eine Telefonnummer abgreift oder die dazugehörige Frau anderweitig "verführt".

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Diese Geheimnissen stammen wohl vom "renommierten Verführungsguru" Richard La Ruina, dem Autoren des Buches The Natural: How to Effortlessly Attract the Women You Want. Er leiht dem Hauptcharakter von Super Seducer Gesicht und Stimme, um solche cleveren Sprüche zu bringen: "Wenn du schon nicht kochen kannst, dann lutschst du hoffentlich gut Schwänze." La Ruina stellt allerdings auch klar, dass man so etwas nicht zu Frauen sagen sollte.

Super Seducer entspringt dem Sumpf der sogenannten Pick-up-Artist-Philosophie, kurz PUA. Dieser Denkweise nach gibt es bestimmte Dinge, die Männer sagen und tun können, damit Frauen empfänglicher für ihre Avancen sind. Dazu gehört zum Beispiel das sogenannte "Negging", also zweifelhafte Komplimente, die das Selbstbewusstsein der Frau untergraben sollen, damit sie die Aufmerksamkeit des Aufreißers sucht. Oder die "Caveman"-Taktik, bei der der Mann bewusst auf direkten Körperkontakt setzt, anstatt lange herumzureden.

Die PUA-Philosophie ignoriert nicht nur allgemein akzeptierte Standards von respektvollem Sozialverhalten, sondern wird auch regelmäßig dafür kritisiert, Frauen zu objektivieren. In der PUA-Welt gibt es vor allem zwei Arten von Menschen: Männer, die durchs Bars schleichen und Anmachtechniken ausprobieren, die sie durch Workshops und Bücher gelernt haben, und Frauen, die nichts anderes sind als Beute, deren vorhersehbares Verhalten ausgenutzt werden muss.

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Die Philosophie von PUA konnte VICE-Redakteurin Lisa Ludwig selbst erleben, als sie 2015 an einem Berliner Seminar des “Verführungskünstlers” Roosh V. teilgenommen hat. Diskutiert wurde dort unter anderem der schädliche Einfluss des Feminismus' und Methoden, um Frauen von ihrem sozialen Netz abzuschneiden, um sie besser kontrollieren zu können.

Bei der Steam-Seite von Super Seducer lassen sich zwei Herausgeber finden, nämlich RLR Training Inc. und Red Dahlia Interactive. Die offizielle Website des Spiels führt allerdings zu PUATraining.com, auf der La Ruinas Produkte angeboten werden. Überschriften besonders beliebter Artikel lauten zum Beispiel "So bekommst du deine Ex zurück (auch wenn sie dich hasst)" oder "So bringst du Frauen auf Knopfdruck zum Squirten". Das sind allerdings noch eher harmlose Themen. "Warum westliche Frauen scheiße sind und wie du eine hübsche osteuropäische Frau aufreißt", lautet hingegen die Überschrift eines Artikels, der erst vergangenen Juli unter La Ruinas Namen erschien.

Nicht alle Online-Plattformen wollen La Ruina daher eine Bühne geben. Letztes Jahr sammelten die Macher von Super Seducer Geld für das Spiel auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter. Die Kampagne wurde laut Kickstarter gelöscht. Es soll gegen eine oder mehrere Regeln der Plattform verstoßen haben, darunter: "Unangebrachte Inhalte, inklusive anstößiger oder pornografischer Materialien", "Spam oder missbrauchendes Verhalten", sowie "das Anbieten von Belohnungen, die gegen die Kickstarter-Regeln verstoßen".

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Kickstarter hat hier aber nicht zum ersten Mal ein Projekt mit PUA-Inhalten von der Seite entfernt. Bereits 2013 entschuldigte sich die Plattform offiziell dafür, dass kurz ein Crowdfunding für einen "Verführungsguide" online war. Die Seite legte fest, dass die PUA-Philosophie frauenfeindliches Verhalten fördere, und untersagte Usern künftig, Verführungsanleitungen zu veröffentlichen.

Steam leitet allerdings keine solchen Schritte ein und auch auf der PlayStation 4 soll Super Seducer erscheinen. Motherboard-Anfragen an Valve, die Firma hinter Steam, und an Sony, die Betreiber der PlayStation, wie die Unternehmen dazu stehen, blieben unbeantwortet. Trotzdem stilisiert sich sich La Ruina in einer Pressemitteilung als Opfer:

"Wir als Unternehmen, das Männern Verführungskünste beibringt, mussten schon häufig gegen Diskriminierung kämpfen", schreibt er. "Wir können kaum Werbung bei Google oder Facebook schalten und bekommen keine positive Presse. Niemand will unsere Inhalte veröffentlichen. Im derzeitigen Klima der Political Correctness gilt es als abscheulich, wenn Männer lernen wollen, besser mit Frauen umgehen zu können. Gleichzeitig spielen Teenager viele gewalttätige Spiele mit Szenen, die auch aus einem nicht jugendfreien Film stammen könnten. Eine surreale Doppelmoral."

Wir fragen La Ruina, ob er wirklich befürchtet, nach Kickstarter auch auf Steam und dem PlayStation-Store gesperrt zu werden: "Nein, Sony und Steam sind im Gegensatz zu Kickstarter seriöse Unternehmen", schreibt er zurück. "Ich glaube, Steam hat noch nie ein Spiel gelöscht und Sony in letzter Zeit auch nicht." Das ist nicht ganz korrekt. 2014 verbat Steam den Shooter Hatred, auch pornographische Spiele entfernte die Plattform bereits.

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Bei Motherboard: Geheimnisse einer Sex-Autorin


Wir wollen von La Ruina ebenfalls wissen, was er über die Kritik an der PUA-Philosophie denkt. Er erzählt uns, dass Super Seducer eine Herangehensweise vertrete, die garantiert nicht schädlich sei. Alle Spieler, die es bereits ausprobieren konnten, sowie die Frauen in den Videos seien "cool damit".

"Es gibt unterschiedliche Männer, die die Pick-up-Artist-Szene ausmachen. Da gibt es zum einen natürlich die, die es den Frauen heimzahlen wollen dafür, dass sie ihr ganzes Leben nicht zum Zug gekommen sind. Aber es gibt auch die 'netten Jungs', die so liebenswert sind wie Will Smith im Film Hitch – Der Date Doktor", so La Ruina. "Das PUA-Game war zwischen 2006 und 2009 mal richtig cool, aber gerade hat es auch dank der #metoo-Bewegung keinen guten Ruf. Zwar hieß mein Geschäft damals 'PUA Training', aber inzwischen bin ich verheiratet. Ich habe schon immer das natürliche Verführungsspiel gelehrt, ein ehrlicher Ansatz. Ich finde es also nicht gut, dass mir dieses Label immer noch anhaftet."

Wie es zu diesem "Label" gekommen ist, könnte unter anderem an einem Artikel vom 25. Juli 2017 liegen, der als Verfasser La Ruina angibt und mit dem Satz titelt: "WHY WESTERN WOMEN SUCK AND HOW TO PICK UP A LOVELY EASTERN EUROPEAN LADY". Im ersten Absatz heißt es:

"Der Feminismus ist schuld, dass Frauen in der westlichen Welt bei One-Night-Stands schwanger werden. Sie schlafen ungeschützt mit verschiedenen Männern, konsumieren regelmäßig Alkohol und Drogen. Sie zerstören familiäre Werte, weil sie nicht zu Hause bleiben und die Mutterrolle einnehmen."

La Ruina erklärt, dass er diesen Post nicht selbst verfasst hätte: "Mir gehören die Website und das Unternehmen. Das wäre so, als würde ich den Besitzer von VICE nach allen Inhalten der Website beurteilen", schreibt er uns. "Ich selbst habe seit Jahren keinen Artikel mehr verfasst.” Aber warum steht sein Name über dem Artikel? "Wir haben für das Blog nur einfach keinen neuen Autoren angelegt. Blogger schreiben die Inhalte, Marketing-Material verfasst unser Marketing-Experte und wieder jemand anderes ist für unsere E-Mails verantwortlich. Das ist ein richtiges Unternehmen mit Millionenumsatz, deshalb produziere ich auch nicht alles, was daraus hervorgeht."

Wir fragen, ob er persönlich westliche Frauen schlimm findet. La Ruina verweist auf seinen Auftritt im britischen Morgenfernsehen. Darin behauptet er, Britinnen seien im Vergleich zu Russinnen fett und überheblich geworden.

Aber eigentlich braucht es alle diese Beispiele und Erklärungen zur PUA-Philosophie gar nicht. Das beste Beispiel ist immer noch Super Seducer. Es drückt die Logik der PUA-Philosophie perfekt aus: Pick-up-Artists bezeichnen ihre "Verführungskünste" als "Spiel" und behandeln andere Menschen wie die computergesteuerten Figuren eines Rollenspiels. In solchen Spielen besitzt Computercharaktere immer nur eine begrenzte Anzahl an Reaktionen und Antworten. Der Spieler muss dann nur noch die richtige Auswahl treffen, um die gewünschte Reaktion hervorzurufen. Genau das ist das Prinzip der PUA-Philosophie und genau so spielt sich Super Seducer auch.

Update, 7. März 2018: Sony hat sich dazu entschlossen, das PUA-Game 'Super Seducer' doch nicht für die PlayStation 4 anzubieten. Das bestätigte das Unternehmen gegenüber Motherboard. Auf Steam ist das Spiel seit gestern verfügbar.