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Die Gentechnik hat eine Grenze durchbrochen: Die ersten Klon-Äffchen sind da

Bisher galten Primaten – und somit auch der Mensch – als nicht klonbar. Wie es chinesischen Forschern nun gelang, zwei genetisch identische Langschwanz-Makaken zu erschaffen.
Bild: Qiang Sun, et al. | Chinese Academy of Sciences

Ende letzten Jahres wurden chinesische Forscher Zeuge eines wissenschaftlichen Durchbruchs. Denn im November und Anfang Dezember kamen die genetisch identischen Makaken Zhong Zhong und Hua Hua auf die Welt. Diese Affen sind nicht nur sehr niedlich, sondern auch die ersten Primaten, die erfolgreich mit dem sogenannten somatischen Zellkerntransfer geklont wurden. Das ist die gleich Methode, die vor rund 22 Jahren auch beim ersten geklonten Tier, dem Schaf Dolly, verwendet wurde.

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Die Forscher der Chinesischen Akademie der Wissenschaft versprechen sich vom Klonen genetisch identischer Affen bisher nie dagewesene Einsichten in menschliche Krankheiten. Doch die Geburt von Zhong Zhong und Hua Hua markiert auch einen Meilenstein für das Klonen im Speziellen und die Gentechnik im Allgemeinen. Denn in den letzten 20 Jahren haben sich Primaten gegen Klonversuche äußerst resistent gezeigt. Schuld daran ist ihr einzigartiger komplexer Zellenaufbau. Die Geburt der Klonäffchen läutet nun eine neue Ära ein, in der auch das Klonen anderer Affenarten in greifbare Nähe gerückt ist. Auch ein erster menschlicher Klon scheint nun – zumindest in der Theorie – möglich.

"Die technische Barriere zum Klonen von Primaten ist durchbrochen", sagte Qiang Sun, der leitende Wissenschaftler des Projekts, auf einer Pressekonferenz am Dienstagabend. "Grundsätzlich kann das Prinzip auch auf Menschen angewandt werden. Allerdings haben wir diese Grenze durchbrochen, um Versuchstiere zu erzeugen, die der Medizin und der menschlichen Gesundheit nützen. Es bestand keine Absicht, diese Methode auf den Menschen anzuwenden."

Hua Hua, das zweite Klonäffchen | Bild: Qiang Sun, et al. | Chinese Academy of Sciences

Beim somatischen Zellkerntransfer entnimmt man dem Tier, das geklont werden soll, den Zellkern einer beliebigen Zelle. Dieser Zellkern wird in eine befruchtete Eizelle eingefügt, deren eigener Zellkern zuvor entfernt wurde. 1996 wurde Dolly das Schaf als erstes Tier erfolgreich mit dieser Methode geklont. Allerdings kam das Klonen nicht ohne spätere Komplikationen aus: Das Schaf alterte früh und musste 2003 wegen einer Lungenentzündung eingeschläfert werden.

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In den letzten 20 Jahren wurde der Zellkerntransfer auch auf 23 weitere Tierarten angewandt, darunter Kühe, Pferde, Katzen und Schweine. Diese erfolgreichen Experimente ließen Sorgen laut werden, dass die Menschheit kurz davor stünde, Designer-Babys oder menschliche Klone für den Organhandel heranzuzüchten. Doch bald stellten die Forscher fest, dass der Sprung von einem geklonten Schaf zu einem geklonten Affen viel schwieriger als erwartet war.

Technisch gesehen war der erste Primaten-Klon ein Rhesusäffchen namens Tetra, das 1999 geboren wurde. Tetra wurde durch das sogenannte Embryonensplitting erzeugt. Bei diesem Verfahren wird eine befruchtete Eizelle geteilt, ganz ähnlich, wie es bei eineiigen Zwillingen auf natürliche Weise geschieht. Es entstehen zwei einzelne, identische Embryos, die sich eigenständig weiterentwickeln. Obwohl diese Methode bereits gut dokumentiert ist, können mit ihr höchstens vier identische Ableger aus einem Embryo gewonnen werden. Um eine größere Anzahl an Klonen zu erhalten, braucht man den Zellkerntransfer, denn bei dieser Methode können die Zellkerne beliebiger Zellen des zu klonenden Tieres verwendet werden.

Warum sich Primaten bisher nicht klonen ließen

Ein wichtiger Faktor, warum es bisher mit dem Zellkerntransfer bei Primaten nicht klappen wollte, ist die besondere Struktur ihrer Eizellen. Der Spindelapparat, ein Gebilde aus Proteinfasern, das bei der Zellteilung für die korrekte Trennung und Ausrichtung der Chromosomen sorgt, befindet sich in den Eizellen von Primaten zentriert nahe der Chromosomen. Bei anderen Säugetieren sind die Spindeln hingegen gleichmäßig über die gesamte Eizelle verteilt.

Die Forscher stellten fest, dass der Spindelapparat verletzt oder durcheinander gebracht wurde, wenn der Zellkern – und somit alle Chromosomen – aus der Eizelle eines Primaten entfernt wurde. Somit waren die Spindeln nicht mehr in die Lage, die Chromosomen des injizierten Zellkerns während der Zellteilung korrekt auszurichten. Den Forschern gelang es zwar in mehreren Fällen, Primatenembryonen zu erzeugen, doch durch die fehlerhafte Zellteilung überlebte keines von ihnen länger als ein paar Wochen im Mutterleib.

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Zhong Zhong und Hua Hua | Bild: Qiang Sun, et al. | Chinese Academy of Sciences

"Es gab bereits zahlreiche Versuche, um nichtmenschliche Primaten zu klonen", sagte Sun während der Pressekonferenz am Dienstagabend. "Doch sie sind alle gescheitert. Daraus entwickelte sich die Theorie, dass der somatische Zellkern von Primaten nicht in der Lage ist, die Gene auszubilden, die für die Entwicklung eines Embryos nötig sind."

In ihrer Studie, die am Mittwoch im Fachmagazin Cell erschienen ist, beschreiben Sun und seine Kollegen, wie sie diese Hürde überwinden konnten. Sie optimierten die Methode, mit der der Zellkern transferiert wird, um so die Schäden an der Eizelle zu minimieren. Außerdem fügten sie der Eizelle menschliche RNA zu. Aufgabe dieser RNA war es, die Gene zu beeinflussen, die ansonsten die Entwicklung des Embryos gestört hätten. Um es in Suns Worten auszudrücken, wurde der Zellkern so "programmiert", dass er die Gene ausprägte, die für die Entwicklung des Embryos benötigt werden.

Trotzdem dauerte es eine Weile, bis die Forscher mit dieser Methode Erfolg hatten. Sie nutzten nach eigenen Angaben die Zellkerne von erwachsenen Zellen, um Klone in 42 Affenweibchen zu erzeugen, von denen 22 schwanger wurden. Von diesen Schwangerschaften resultierten jedoch noch nur zwei in Lebendgeburten – beide Babys starben jedoch wenige Stunden später.


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Die Namen der beiden Affen sind selbstverständlich politisch

Mehr Glück hatten die Forscher, als sie den Zellkern aus dem Bindegewebe eines abgetriebenen Affenfötus verwendeten. Diese Klonzellen wurden 21 Makakenweibchen injiziert, bei vier von ihnen trat eine Schwangerschaft ein. Zwei dieser Schwangerschaften endeten innerhalb der ersten zwei Monate in Fehlgeburten, die anderen beiden führten jedoch zu der Geburt von zwei gesunden, genetisch identischen Makaken. Die Forscher behaupten, dass sich die Affenbabys auch fast zwei Monate später bester Gesundheit erfreuen. Die Namen Zhong Zhong und Hua Hua wurden übrigens nicht zufällig gewählt, den "Zhonghua" heißt übersetzt so viel wie "Chinesische Nation".

Auch wenn man mit der Zellkern-Transfermethode nun theoretisch Klone in Serie produzieren könnte: Der Aufwand zur Erschaffung bleibt unverhältnismäßig. "Wir haben verschiedene Methoden ausprobiert, aber nur eine führte zum Erfolg", sagte Sun in einem Statement. "Es gab viele Fehlversuche, bevor wir erfolgreich einen Affen klonen konnten."

Laut Sun könnte die Methode, mit der die Makaken geklont wurden, auch auf Menschen angewandt werden. Er halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Regierung das Klonen von menschlichen Zellen zulassen würde. Von der ethischen Kontroverse einmal abgesehen, hatte die Methode bislang auch eine sehr niedrige Erfolgsquote bei den Testprimaten. Trotzdem sei der Zellkerntransfer eine vielversprechende Methode, um große Populationen genetisch identischer Primaten zu erzeugen, die laut Sun und seinen Kollegen genutzt werden könnten, um menschliche Krankheiten zu erforschen. Sie rechnen damit, dass so weniger Versuchstiere für dieselben Studien gebraucht werden, weil man die Verfahren dank der Klone besser testen und schneller standardisieren könnte.