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mottenplage im em-finale

„Ich hatte in meiner Kamera-Tasche 50 Stück sitzen”—ein Fotograf über die Mottenplage beim EM-Finale

Während wir uns über die Mottenplage beim EM-Finale lustig machten, kämpften die Fotografen hinter den Werbebanden mit Mottenleichen, Rückenkrabbeln und Wollmützen.
Foto: Imago/MIS

Ob auf Cristiano Ronaldos Stirn, auf den Werbebanden oder in der Kamera-Linse: Das gestrige EM-Finale im Pariser Stade de France wurde von einer Mottenplage heimgesucht. Wie ein französischer Journalist berichtet, wurde die Arena in der Nacht zuvor durchgängig beleuchtet. Mit dieser Maßnahme sollten Terroristen abgeschreckt werden. Während sich die Zuschauer in den sozialen Netzwerken über das Naturphänomen lustig machten, erschwerte die Plage gestern jedoch nicht nur den Spielern auf dem Feld die Arbeit. Wir sprachen Sportfotograf Patrick Scheiber, der für Foto Huebner beim Endspiel direkt hinter der Werbebande mit Mottenleichen, Rückenkrabbeln und sowieso schon kampflustigen Kollegen zu kämpfen hatte.

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VICE Sports: Wann hast du gestern das erste Mal gemerkt, dass es ein mottenreicher Arbeitstag wird?
Patrick Scheiber: Als ich nachmittags in den Presseraum im Keller des Stadions ankam, hingen an einem Kollegen schon zwei oder drei Motten. Weil es mehrere und sehr große Tiere waren, fand ich das alles schon sehr merkwürdig. Als wir dann gegen halb sieben in den Innenraum gingen, habe ich mit jedem zweiten Schritt schon eine auf dem Boden erwischt. Da lagen schon Tausende, die aber noch nicht herumgeflogen sind.

Auf den TV-Bildern sah man vor allem mit Motten befallene Werbebanden…
Eben dort war mein Arbeitsplatz. Auf meinem Stuhl hinter der Bande saßen schon beim Ankommen einige Motten. Drumherum war auch alles voll. Spätestens da wussten wir, dass heute etwas nicht stimmt.

Hat die Uefa euch dazu etwas erklärt?
Eine offizielle Info oder Hilfe für uns gab es nicht. Wir wussten aber, dass es die Sicherheitsbestimmung gab, dass eine Nacht vor dem Spiel das Flutlicht zur Abschreckung von Terroristen anbleibt. Das zog die Motten an und hat glaube ich alle Menschen überrascht.

Von wie vielen Motten sprechen wir eigentlich?
Es waren Hunderttausende. Sie hingen an der Eckfahne, an den Banden und im Zuschauerbereich. Wirklich in jeder Ecke des Stadions saßen sie. Kollegen haben auf dem Dach Kameras angebracht und uns Videos gezeigt, wie vor ihnen mit jedem Schritt ganze Mottenschwärme hochgeflogen sind.

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MOTHS have invaded the pitch at the Stade de France prior to kickoff of the @UEFAEURO final! pic.twitter.com/YXENLArx1F
— Eleven Sports SG (@ElevenSportsSG) 10. Juli 2016

Hat die Plage deine Arbeit beeinträchtigt?
Es war richtig nervig und vor allem eklig. Manche Tiere waren bestimmt vier Zentimeter groß. Es hat überall gekrabbelt. Sie sind ständig in die Linse, ins Gesicht und auf die Kamera geflogen. Und ständig bin ich auf welche draufgetreten und hatte lauter Leichen um mich herum liegen. Nach dem Spiel hatte ich in meiner Kameratasche allein 50 Stück sitzen. Wir mussten alles einmal ausschütten. Wenn ich nachher mein Equipment auspacke, warten aber bestimmt noch einige auf mich—versteckt in den kleinen Taschen.

Gab es Tricks, um sie loszuwerden?
Man konnte sich nicht schützen und wir konnten auch nicht weglaufen—sie waren ja überall. Unser Insektenspray hat auch gar nichts gebracht. Wir waren also sehr damit beschäftigt, mit den Händen zu wedeln und sie vom Notebook herunterzuschnippen. Irgendwann hab ich mir eine Kappe angezogen, neben mir saßen sogar Kollegen mit viel zu warmen Wollmützen. Die Uefa hat mit Besen immer mal wieder die Banden gesäubert und versucht, mit Staubsaugern zumindest die Spielerbänke von den Motten zu befreien. Das hat natürlich gar nicht funktioniert.

Foto: Imago/MIS

Wie war die erste Reaktion der Mannschaften?

Die Spieler und Trainer waren vor dem Spiel schon sehr genervt und sind auch nach der Platzbesichtigung sofort wieder in die Kabine. Beim Aufwärmen haben die Spieler dann genauso gewedelt wie wir. Anfangs sah es ganz lustig aus, wie die ersten Bälle ganze Schwärme vom Rasen verscheucht haben.

Konnten Kollegen von dir wegen der Tiere nicht arbeiten?
Es war zwar nervig, aber auch amüsant. Einige Kollegen waren auch sehr angeekelt, aber mit Insektenphobie oder Allergie habe ich niemanden gesehen und es hat sich auch niemand großartig beschwert. Wir sind bei dem Job ja einiges gewohnt.

War es deine bisher ekligste Erfahrung in einem Finale?
Es war mein erstes EM-Finale und das werde ich nicht mehr vergessen. Das war schon Arbeiten unter erschwerten Bedingungen und grenzwertig eklig. Einerseits ist bei einem EM-Finale der Druck sowieso schon höher. Gerade am Ende ist die Rangelei um die besten Bilder von Ronaldo mit dem Pokal immer hitzig. So manch ein Kollege packt da auch die Ellbogen aus. Nun war es also ein Kampf gegen die Kollegen. Und lieber Motten, als Stechmücken.

Das Interview führte Benedikt Niessen, folgt ihm bei Twitter: @BeneNie