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Warum finden die USA noch immer Nazis auf dem Mond

Die Idee einer alternativen Geschichtsschreibung fasziniert Hollywood bis heute.

Der Plot des Blockbusters Iron Sky lebt von nur einer einzigen Fragestellung: Was wäre, wenn seit dem Ende des 2. Weltkriegs Nazis den Mond bevölkerten? Was, wenn sie zurück zur Erde kämen, hätten sie erneut die Weltherrschaft im Sinn?

Als ich den Film im Jahr 2012 zum ersten Mal im Kino sah, erstaunte mich weniger die abgefahrene Storyline, als vielmehr, wie bekannt mir das Konzept vom Mond als Rückzugsort fieser Nazi-Schurken vorkam.

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Besonders Science Fiction-Autoren lieben es, Nazis auf den Erdtrabanten zu schicken. Eines der frühesten Beispiele für diesen Topos findet sich in Rocket Ship Galileo. In Robert Hierseins Coming-of-Age-Roman aus dem Jahr 1947 reisen drei Teenager auf den Mond und entdecken dort eine geheime Nazi-Basis. In Philip K. Dicks Sci-Fi-Klassiker The Man in the High Castle wiederum haben die Nationalsozialisten den zweiten Weltkrieg gewonnen und sind dazu übergegangen, Mars und Venus zu kolonialisieren. Im Jahr 2014 kam das Videospiel Wolfenstein: The New Order auf den Markt, das sich erzählerisch stark an Dicks Roman anlehnt und ein ganzes Level auf den Mond verlegt, in dem es darum geht, eine geheime Basis zu infiltrieren. Im Manga The Legend of Konizumi schließlich findet sich der japanische Premierminister auf dem Mond wieder, wo er zu einem Mahjong-Match gegen Hitler antritt.

„(…) sie nähren den Verdacht, dass wir mit den Nazis noch nicht fertig sind, dass die Nazis mit uns noch nicht fertig sind."

Einige dieser Szenarien mögen weniger realistisch sein als andere, aber sie alle spielen mit der Idee einer fiktionalen, alternativen Geschichtsschreibung. Die Storys begeistern Leser und Zuschauer vor allem deshalb, weil die Nazis zu den furchteinflössendsten Bösewichten gehören, die Science-Fiction und Hollywood zu bieten haben. Das Motiv der „Weltraum-Nazis" funktioniert dabei so überzeugend, weil es auf gesellschaftliche Ängste vor der technologischen Überlegenheit der Nazis und auf einer speziellen historischen Nachkriegssituation aufsetzt.

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Besonders für die USA bestand die größte Gefahr während des zweiten Weltkriegs in der im technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt der Nationalsozialisten, wie der Historiker A. Bowdoin van Riper betont. Amerika und die Sowjetunion wollten sich nach dem zweiten Weltkrieg beide das Know-how der nationalsozialistischen Raketentechnologie sichern.

„Die Nationalsozialisten waren die einzigen Kriegsgegner, die die Vereinigten Staaten als technologisch ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen, wahrgenommen haben", erklärt van Riper in einer E-Mail an Motherboard. In Horrors of War: The Undead on the Battlefield, das van Riper mit herausgegeben hat, untersucht der Historiker die Narrative hinter den US-amerikanischen Kriegen.

Nazi-Deutschland hatte im Raketen-Wettlauf dank der V2-Rakete die Nase weit vorn. Das Geschoss konnte eine Höhe von 80 Kilometern über der Erde erreichen und gilt somit praktisch als erste Weltraumrakete. Schätzungen zufolge starben in Großbritannien über 2.700 Menschen, als die V2 in den 1940ern dort eingesetzt wurde. Nach dem Krieg haben sich die Siegermächte um sie gerissen. Amerika wurde das Glück zuteil, Wernher von Braun zu schnappen, den Erfinder der Rakete.

Die Mond-Basis der Nazis in Iron Sky. | Bild: energiaproductions/YouTube

„Klar, wir hatten Robert Goddard [den ersten Menschen, dem der Start einer Flüssigkeitsrakete glückte] in den Jahren zwischen den Kriegen", so Rafeeq McGiveron, Historiker, Literaturwissenschaftler und Autor von Rocket Ship Galileo. „Aber von Braun hat sie erst richtig zum Leben erweckt."

Nach dem Krieg flohen viele Nazi-Offiziere, darunter Adolf Eichmann und Josef Mengele, nach Südamerika. Es ist unklar, wie viele NS-Verbrecher entkommen konnten, aber einem Bericht der Daily Mail zufolge könnten es bis zu 9.000 gewesen sein. Was aber, wenn die Nazis nicht nach Südamerika flohen, sondern ganz woanders hingingen? Angesichts der Rätsel um Flucht und Verbleib so vieler Nationalsozialisten ist es kein Wunder, dass Nazi-Zombie-Filme wie Dead Snow florieren.

„Diese Kreaturen und die Filme, die sie bevölkern, gehören zwar nicht zu den Schreckensszenarien, die man normalerweise mit dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung bringen würde. Aber sie nähren den Verdacht, dass wir mit den Nazis noch nicht fertig sind, dass die Nazis mit uns noch nicht fertig sind", schreibt Professor James Ward vom Cedar Crest College, einer der Autoren von Horrors of War: The Undead on the Battlefield.

Außerdem, so Herausgeber van Riper, hätten Nazis diesen bestimmten ästhetischen Appeal attraktiver Schurken. Generationen von Medien- und Filmemachern hätten einen Look für diese Bad Guys geschaffen, gar kultiviert.

In bestimmter Hinsicht also gehören Nazis auf den Mond. Amerikanische Filmschaffende und Autoren kombinierten die alte Angst, weltverändernde Technologien könnten in die falschen Hände geraten, mit der neuen Angst vor Terrorismus und unserem unermüdlichen Drang, hinter die Grenzen des uns Bekannten zu schauen. Auch nach 60 Jahren noch ist dies ein Narrativ, das funktioniert. Vor allem mit verrückten deutschen Wissenschaftlern.