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Google könnte schon bald dein Gesicht vom Weltall aus erkennen

Am Mittwoch wurde der erste Satellit ins All geschossen, der hochauflösendere Bilder aufnehmen wird als bisher erlaubt war. Und Google plant schon eine „Cloud für die Erde.“
Bild: flickr/Mapbox | Lizenz: CC BY 2.0

Google und andere Web-Giganten werden schon bald über das nötige Know-how verfügen, dich gestochen scharf vom Weltall aus zu beobachten. Zumindest theoretisch.

Nach reichlich Lobbyarbeit vonseiten der größten Satellitenfirma in Nordamerika, DigitalGlobe, hat die US-Regierung vor zwei Monaten ihre Beschränkungen für Satellitenbilder aufgeweicht: Nun dürfen Bilder mit einer Auflösung von 25 cm pro Pixel auch an die Privatwirtschaft herausgegeben werden dürfen—diese Bilder wären dann doppelt so scharf wie bei der zuvor zulässigen Grenze von 50 cm pro Pixel.

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Auch wenn damit noch keine detaillierte Gesichtserkennung à la Staatsfeind Nummer 1 möglich ist, so wird eine verbesserte Sichtbarkeit und Überwachung möglich, mit der es aus dem Weltall möglich sein soll „deinen Briefkasten zu sehen", wie DigitalGlobal stolz auf seiner Webseite angibt. Dank der extrascharfen Bilder vom Worldview-3 wird es digitalen Kartendiensten wie zum Beispiel Google Maps möglich so detaillierte Darstellungen anbieten, dass auch 25 cm große Objekte separat sichtbar werden.

Der erste kommerzielle Satellit, der solch hochauflösende Bilder aufnehmen wird, ist der  Worldview-3 von DigitalGlobe, der diesen Mittwoch ins All geschossen wurde. Wichtig: Nach einem halben Jahr können dann auch Privatunternehmen entgeltlich auf diese extrem scharfen Fotos und Videos zugreifen.

Zu diesen Firmen gehört natürlich auch Google.

Aber nicht nur Google ist Stammkunde bei DigitalGlobe. Auch Microsoft, die NASA sowie zahlreichen US-Bundesbehörden wie die National Geospatial-Intelligence Agency, die eine entscheidende Rolle beim Auffinden von Osama Bin Laden gespielt hat, greifen gerne auf die Dienste der Firma zurück. Im Februar dieses Jahres hat Google einen  mehrjährigen Vertrag mit dem Satelliten-Riesen unterzeichnet, um dessen Satellitenbilder für firmeneigene Anwendungen wie Google Earth, Maps und Street View nutzen zu können.

Wenn du also im Urlaubsflieger sitzt und dich plötzlich die Frage überkommt, ob du auch wirklich die Kaffeemaschine ausgeschaltet hast, hat Google in Zukunft die nötige Auflösung parat, um deinem Haus en détail beim Abbrennen zuschauen zu können.

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In der Zwischenzeit macht sich der Satellitenriese dafür stark, die Regelungen dergestalt weiter aufzuweichen, dass sogar eine Auflösung von nur 10 cm pro Pixel erlaubt wird.

DigitalGlobe hat momentan fünf Satelliten im Orbit, und einer davon, GeoEye-1, kann schon jetzt Bilder bei einer 41-cm-Auflösung schießen. Die Firma hat für eine Lockerung der Restriktionen intensive Lobbyarbeit betrieben, um sich so erfolgreich mit ausländischen Firmen messen zu können, die bald eigene Satelliten ins Weltall schicken werden. Reuters zufolge könnte die Möglichkeit, derart hochauflösende Bilder an Interessenten in der Privatwirtschaft zu verkaufen, DigitalGlobe rund 300 Millionen Euro mehr Umsatz in die Kassen spülen.

Auch Google selbst hat sich übrigens inzwischen eine eigene Satellitenfirma, Skybox Imaging, zugelegt—passenderweise kurz nachdem die US-Regierung im Juni die Restriktionen für Satellitenbilder gelockert hat.

Skybox plant,  bis 2018 insgesamt 24 Satelliten ins All zu schießen, mit dem Ziel, unseren Planeten dreimal am Tag komplett abzufotografieren. Das wird zweifelsohne über kurz oder lang auch dazu beitragen, dass sich die Bildqualität bei den Google-Kartendiensten deutlich verbessert. Googles eigene Satelliten schaffen derzeit 90-sekündige Videoclips und Bilder mit einer Bildfrequenz von 30 BpS. Aber wie viel kann Google auf ihnen wirklich erkennen?

Auf jeden Fall deutlich weniger als auf den Fotos, die der Worldview-3 schießen wird. Skybox-Satelliten liefern hochauflösende Bilder „mit 1-m-Auflösung und besser", so Sara Blask, eine Pressesprecherin des Unternehmens, „weswegen du klar und deutlich Straßenmarkierungen oder die Farbe von Autos erkennen kannst."

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Auch Skybox-Gründer  Dan Berkenstock hat das noch einmal in einer TED-Rede—kurz vor Abschuss des SkySat1—bestätigt: „In unseren eigenen Computersimulationen haben wir schnell feststellen können, dass wir bei einer Mindestauflösung von einem Meter zum ersten Mal die Motoren unserer Weltwirtschaft zählen konnten, also all die Autos, LKWs und Containerschiffe da draußen. Gleichzeitig war es uns praktischerweise noch nicht möglich, auch Personen auszumachen."

Doch genau die letzte Aussage ist der Knackpunkt: Die Satelliten von Skybox können noch nicht Details wie etwa Nummernschilder oder Gesichter erkennen. Doch die von  DigitalGlobe vielleicht eben schon. Bei einer 25-cm-Auflösung werden die Bilder klar genug sein, um Automarken identifizieren zu können. Und bei noch lockereren Regelungen würden dann auch Nummernschilder und menschliche Gesichter deutlich zu erkennen sein.

Erwartungsgemäß lösen solche Szenerien schon Sorgen um den Schutz unserer Privatsphäre aus. Denn wie genau die Firma aus dem Silicon Valley die detailreichere Darstellung unserer Erde nutzen will, ist  eine noch unbeantwortete Frage.

Google behauptet auf jeden Fall, dass es seine verbesserten Satellitenbilder und Videomöglichkeiten zum Wohl der Allgemeinheit anwenden will. So kann die Technologie etwa extrem nützlich bei der Katastrophenhilfe sein und zudem Orte mit dem Internet verbinden, die zuvor noch vom World Wide Web abgeschnitten waren.

Mit aller Wahrscheinlichkeit hat Google Skybox nicht übernommen, um uns auszuspionieren, sondern um endlich einen  eigenen wettbewerbsfähigen Cloud-Service auf den Markt zu bringen. Skybox will seine unzähligen Satellitenbilder mit bereits gesammelten öffentlichen Daten (wie etwa vergangene Klima- und Wetterdaten) verbinden, um daraus ein riesiges Archiv bzw. eine „Cloud für die Erde" aufzubauen, die andere Firmen dann für ihre Software und Algorithmen nutzen könnten.

Dies ruft natürlich weitere Fragen auf den Plan: Was für Firmen werden diese sogenannte „Cloud für die Erde" nutzen wollen? Was könnten sie mit diesem riesigen Wissens- und Datenfundus anfangen wollen, der bisher nur Supermächten oder Geheimspionen in Actionfilmen zugänglich schien? Wenn Google das technische Know-how besitzt, um unsere Gesichter vom Weltall aus zu erkennen, wird es diese Möglichkeit dann auch ausschöpfen? Und wenn ja zu welchem Zweck?

Auch wenn viele von uns recht sorglos mit ihren persönlichen Daten im Internet umgehen—denk nur an all die Fotos und Informationen, die wir in den sozialen Medien mit anderen Nutzern teilen—ist es vielleicht mal an der Zeit, dass wir uns alle an einen Tisch setzen und über diese neuen technologischen Entwicklungen sprechen, die unsere Welt und Privatsphäre in ihren Grundfesten erschüttern könnten. Denn heute gilt mehr denn je: Nach oben sind keine Grenzen gesetzt.

Update: Eine frühere Version dieses Artikels legte nahe, dass die neuen hochauflösenden Aufnahmen automatisch eine genaue Erkennung des Gesichts erlauben. Wir haben die Möglichkeiten der neuen Satellitenaufnahmen inzwischen deutlicher herausgestellt und bedauern eventuelle Missverständnisse.