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Plasmaphysiker wollen bis 2018 Fusionsreaktor für den Heimbedarf bauen

Ein Forschungsteam aus New Jersey wähnt sich nah am Durchbruch der Fusionsenergie und versucht das Prinzip per Crowdfunding in einem Reaktor für den Heimbedarf zu verwirklichen.
Der Versuchsaufbau des Focus Fusion Projekts. Bild: Lawrenceville Plasma Physics Inc. (Pressebild)

Beim Begriff regenerative Energie denkst du vielleicht an Solarparks, Windräder, Wasserkraftwerke oder eine Mischung aus all dem. Doch Fusionsforscher versuchen schon lange, die Urquelle all dieser Energieformen anzuzapfen: die Fusion von leichteren zu schwereren Atomen, wie sie sich auch in der Sonne ereignet.

Das Projekt Focus Fusion möchte mit Hilfe von Crowdfunding in den nächsten drei Jahren einen Reaktor bauen, der nicht viel größer als ein Wandschrank ist und dabei all die unschlagbaren Vorteile der Fusionsenergie in Bestform bündelt: Regenerative Energie, direkter Stromgewinn ohne Umweg über Turbinen, nahezu beliebig großes Reaktorformat—und kein strahlender Abfall.

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Mit 50 Millionen Dollar könnten wir bis 2018 einen Prototypen mit 5 Megawatt Leistung bauen.

Im Video zu ihrer Indiegogo-Kampagne bitten die Forscher der Firma Lawrenceville Plasma Physics aus New Jersey um insgesamt mindestens 200.000 Dollar. Mit elf verbleibenden Klingelbeuteltagen und bereits gesammelten 135.000 Dollar scheint das Projekt auf einem guten Weg zu sein, um zumindest schon einmal das finanzielle Ziel zu erreichen.

Das technologische Ziel des Projekts ist nicht weniger als der heilige Gral aller Fusionsforscher: mehr Energie aus einem Reaktor herauszukriegen als sie reinstecken müssen, um ihn am Laufen zu halten:

„Unser erstes Ziel ist es nachzuweisen, dass wir einen Energieüberschuss produzieren können—in etwa einem Jahr. Mit angemessener Finanzierung—vielleicht 50 Millionen Dollar— könnten wir bis 2018 einen funktionieren Prototypen mit fünf Megawatt Leistung bauen"

Die nüchternen Zahlen, von denen mir der Projektleiter Erik Lerner in einer E-Mail berichtete, würden nicht weniger als die Möglichkeit eröffnen, Fusionsenergie in kleinem Maßstab für den Heimgebrauch betreiben zu können. Und genau diese Dezentralisierung eines alten utopischen Energietraums ist tatsächlich das Ziel der bunten Truppe aus erfahrenen Physikern, jungen Plasmaforschern und Aktivisten.

Bei der Wasserstoffbombe hat das Prinzip funktioniert, aber die kontrollierte Verwendung als Energiequelle scheitert bis heute.

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Dass zwei Atomkerne zusammengepresst werden können um, unter Abgabe von Energie, neue, schwerere Atomkerne zu bilden wurde schon 1920 von Francis William Aston entdeckt. Der britische Physiker hatte festgestellt, dass zwei Protonen und zwei Neutronen zusammen mehr wiegen als ein Heliumatom (was aus allen vier Teilchen besteht). Die verlorene Masse des Heliumatoms musste in Form von Energie verschwunden sein.

1939 gelang dann dem deutsch-amerikanischen Physiker Hans Bethe tatsächlich der Beweis, dass die Sonne als Urquelle unserer regenerativen Energien Wasserstoff zu Helium fusioniert. Dafür bekam er später den Nobelpreis für Physik. Zwar konnte das Fusionsprinzip unkontrolliert und grauenvoll in Form von Wasserstoffbomben genutzt werden, aber an der kontrollierten Nutzung zur Energiegewinnung beißen sich die Experimentalphysiker seither die Zähne aus.

Der Kernfusionsreaktor im Hobbykeller

In der Sonne und in den Fusionslaboren dieser Welt werden Gasatome durch hohe Temperaturen ihre Elektronen entrissen. Die entblößten Atomkerne bilden zusammen das Plasma, in dem sich Elektronen und Atomkerne frei Bewegen können. Plasma übernimmt zum Beispiel bei Blitzen die Rolle eines Stromleiters in der ansonsten isolierenden Luft. Dieses Plasma kontrolliert zu verdichten, damit Atomkerne konstant und mit genügend Energie zur Fusion zu bringen ist für die Forscher die große Herausforderung.

Das besondere am Reaktor Focus Fusion-1 von Lawrenceville Plasma Physics ist, dass er sich gerade die Ungleichmässigkeiten im Plasma zu Nutze macht, die in grossen Reaktoren wie dem ITER unterdrückt werden sollen. In einer Niederdruck-Kammer wird dabei eine Gasmischung zwischen einem elektrisch positiv geladenen zentralen Stab und mehreren darum verteilten negativ geladenen Stäben zum Plasma gemacht.

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Darstellung des Reaktor-Kerns des Focus Fusion-1. Bild: Lawrenceville Plasma Physics Inc. / Flickr | Mit freundlicher Genehmigung

Um die Spitzen der Stäbe herum bilden sich bald Fäden von dichterem und damit heisserem Plasma, die sich schliesslich in der Spitze des zentralen Stabs zu einem ultradichten Plasmaball, einem Plasmoid, zusammenfügen. Eine Darstellung vom Plasmoid kannst du unten sehen.

Dort kann dann ein Teil der Atomkerne im Plasma fusionieren und dabei Energie, in Form eines Stroms geladener Teilchen, abgeben. Diese sogenannten Pinch-Ereignisse sind hier die Folge der Unregelmäßigkeiten (Fäden) im Plasma. „Das starke elektrische Feld, das die Instabilität des Plasmoide erzeugt, beschleunigt die Ionen in eine Richtung und die Elektronen in die andere", erklärte mir Lerner.

Darstellung eines Plasmoiden in dem die Fusion stattfindet. Bild: Focus Fusion / Flickr | Mit freundlicher Genehmigung

Im Pinch ist das Plasma dann sage und staune 1.7 Milliarden (!) Grad Celsius warm. Am heißesten Punkt der Sonne sind es dagegen erfrischende 15,7 Millionen Grad.

Es gibt einige entscheidende Vorteile dieses Dense Plasma Focus (DPF) genannten Ansatzes. Fusion im Plasmoiden erzeugt selbst einen Fluss geladener Teilchen (sprich: Strom). Damit fällt der Umweg über Wasserdampf und Turbinen weg. DPF-Systeme können leicht miniaturisiert werden: zum Plasma-Durchlauferhitzer für deine Etagenwohnung. Und es entsteht keinerlei radioaktiver Müll. Atomkraft, ja bitte?

Um das DPF als Antriebsoption zu erforschen erhielt Lawrenceville Plasma Physics bereits finanzielle Unterstützung von der NASA. Und außerdem gab es moralischen Rückenwind von einem Review-Kommittee bestehend aus mehreren Experten aus dem Plasma-Forschungsfeld: „Aus Sicht des Kommittees ist ihr Ansatz für Fusionsenergie, der auf den Erkenntnissen des DPF basiert, es Wert stark ausgebaut zu werden", schliesst das Review. Sollte das DPF-Prinzip nun auch euch überzeugt haben, dann könnt ihr per Crowdfunding gleich euren persönlichen Förderbeitrag zur High-Tech-Forschung leisten.