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Dieser 107-Millionen-Moloch ist ein Vorgeschmack auf unsere Stadt der Zukunft

In seiner Simcity-Metropole hat Peter Richie schon mal die urbane Überbevölkerung von morgen simuliert.
107 Mio. Einwohner. Screenshot von Youtube: Peter Richie

Unsere Zukunft liegt in Megastädten. Die Rechnung ist einfach: Da wir nur eine Erde haben und gleichzeitig ein unendlich boomendes Bevölkerungswachstum erleben, werden immer mehr Bewohner ländlicher Regionen der (wirtschaftlichen) Anziehungskraft des Großstadtlebens erliegen—wenn nicht zuvor alles in einem urbanen Sprawl implodiert ist.

1990 gab es auf der Welt zehn Megacities mit mehr als zehn Millionen Einwohnern, während es heute bereits 28 sind, wie ein aktueller Bericht der Vereinten Nationen feststellt. 16 davon befinden sich in Asien. Eine Stadt in dieser Größenordnung am Laufen zu halten ist schon Herausforderung genug, aber was passiert, wenn die Metropole zu einer riesigen, ausufernden Region mit zehn mal so vielen Einwohnern anwächst?

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Das Video oben gibt uns einen Einblick, selbst wenn der auf einem elf Jahre alten Computerspiel basiert—einem ziemlich realistischen allerdings. Peter Richie verbrachte acht Monate mit der Planung und Konstruktion einer Megacity in SimCity 4 und das Endergebnis ist haarsträubend. Das sage ich vor allem auch als erfahrener früherer Gaming-Bürgermeister. Die Statistiken der 107 Millionenmetropole sprechen für sich:

  • 81 große Simcity Planquadrate, die eine Mega-Landschaft bilden
  • 26,542 km gepflasterte Straßen
  • 8,626 km U-Bahn-Schienen
  • 324 Fusionskraftwerke (6,000,000 Megawatt Energie)
  • 486 Müllverwertungsanlagen 
  • 512 große Wasserpumpen
  • Über 2,000 Grund- und weiterführende Schulen
  • 81 Universitäten, 162 Colleges

Richie kam im vergangenen Dezember auf die Idee, eine Region mit 100 Millionen Einwohnern „ganz ohne Mods und Cheats" zu erschaffen. Er plante ein paar Monate und begann im März mit der Umsetzung.

Pendeln in ultrabrutal. Bild: Peter Richie

Wer eine virtuelle Stadt erschaffen will, hat natürlich den Riesenvorteil, ganz von vorne und am Reißbrett anfangen zu können. Einfach wird es dadurch trotzdem nicht unbedingt.

„Der Verkehr ist ein Albtraum, sowohl oberirdisch als auch unterirdisch", erzählte mir Richie. „All die ganzen U-Bahn-Linien und Stationen sind immer noch völlig überfüllt, und zwar den ganzen Tag über in allen Stadtvierteln in jedem einzelnen Gebiet der Megastadt. Die Straßen sind permanent verstopft, aber die Menschen versuchen immer noch hartnäckig, sie zu benutzen."

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Die Straßen sind permanent verstopft, aber die Menschen versuchen immer noch hartnäckig, sie zu benutzen.

„Die Umweltverschmutzung konnte ich in gewissem Maße steuern", erzählte mir Richie. „Gebäude, die die Umgebung stark belasten, habe ich zwischen den vier Megacities angesiedelt, genauso Flughäfen und die Energieinfrastruktur. Das mindert die Auswirkungen der schlimmsten Verschmutzung für die Bewohner."

Und jetzt stellt dir vor, du musst als Bürgermeister mit dem boomenden Wachstum echter Städte mithalten, obwohl du im echten Leben mit viel weniger diktatorischer Macht ausgestattet bist—und keinen Pauseknopf zum Überdenken deiner Konzepte hast. Selbst wenn Roboterbauern uns alle irgendwann ernähren, stellt uns das erwartete, atemberaubende Wachstum der Zukunft immer noch vor enorme Herausforderungen.

Fahrt in eine beliebige Megacity—Shanghai, São Paulo, Mumbai, New York City—und das Problem liegt überall auf der Hand: Enorme, schnell wachsende Bevölkerungszahlen üben massiven Druck auf die Energieversorgung, die Sanitär- und Transportinfrastruktur aus. Wenn jetzt irgendwas schief geht, dann richtig.

Stadtplanern ist es selbstverständlich auch in der Wirklichkeit möglich für eine größere Anzahl an Einwohnern zu planen und auch Umweltaspekte, wie den steigenden Meeresspiegel und extreme Wetterbedingungen zu berücksichtigen. Aber wie in der Simulation diktatorisch über Großinvestitionen verfügen zu können, ist noch einmal eine ganz andere Sache. Wie mir ein Stadtplanungsforscher Anfang des Jahres erzählte, stellt sich, selbst bei einer korrekten Problemanalyse und den richtigen Lösungsvorschlägen, immer noch „die große Frage: Wer wird dafür bezahlen?"

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Sieht ein bisschen aus wie Sao Paulo, oder? Bild: Peter Richie

Der erwähnte Bericht der Vereinten Nationen macht das Problem überdeutlich: In diesem Jahr lebten 54 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Zentren und für das Jahr 2050 wird erwartet, dass diese Zahl auf 66 Prozent steigen wird. Dank dieses Wachstums wird die „Stadtbevölkerung um weitere 2,5 Milliarden Menschen bis 2050 ansteigen, wobei fast 90 Prozent dieses Zuwachses in Asien und Afrika stattfinden wird."

Die UN prognostiziert, dass Tokio, momentan die weltgrößte Stadt mit ungefähr 38 Millionen Menschen, bis 2030 leicht schrumpfen wird, während Städte in Indien und China weiterhin einen ungebremsten Boom erleben.

Und es ist zu erwarten, dass die Bevölkerung Delhis—die jetzt bei 25 Millionen liegt—noch einmal um 11 Millionen in den nächsten 16 Jahren wachsen wird; ein riesiges Problem angesichts der vielen Einwohner, für die  schon jetzt kaum grundlegende Infrastruktur zur Verfügung steht. Anderen Städten in ähnlicher Größenordnung geht es nicht anderes.

„Die Bevölkerungsdichte ist das Hauptproblem, denn es gibt fast keinen Platz für weitere Entwicklung. Die Megacities sind aufwärts statt nach außen gebaut", beschrieb Richie seine eigene virtuelle Megalopolis. „Freiraum gibt es rund um die zehntausenden U-Bahn-Stationen, trotzdem wünschen sich die Einwohner mehr grüne Flächen unter freiem Himmel."

Richie spielt seit zehn Jahren SimCity 4, und sieht die Metropolenentwicklung der Zukunft mittlerweile ziemlich optimistisch. „Ich bin eigentlich sehr zuversichtlich, was unsere zukünftigen Städte anbelangt. Ich glaube, wir stehen kurz davor, sehr große, aber auch sehr nachhaltige Städte zu bauen, in denen die heutige Verschmutzung wahrscheinlich so gut wie nicht existent ist."

Es ist nicht so einfach, daran zu glauben, während Städte schon  Geruchskäseglocken über ihre Zentren stülpen, um die Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen. Andererseits haben wir immer wieder gesehen, dass Bestrebungen zur Verbesserung unserer städtischen Umwelt rapide Wirkung zeigen können. Und wenn der lange Weg zu mehr Nachhaltigkeit weltweit langsam doch Fahrt aufnimmt, können wir ja doch noch hoffen, mit unseren Städten nicht in einer Kowloon Walled City fürs 21. Jahrhundert zu enden. Andererseits ist pure Hoffnung vielleicht das Allerletzte, was wir brauchen.