Diese Stadtkarten zeigen dir, wo Einheimische am liebsten Fotos machen
​Paris. Alle Bilder: ​Eric Fischer |   ​CC BY-SA 2.0

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Diese Stadtkarten zeigen dir, wo Einheimische am liebsten Fotos machen

Vergiss den langweiligen Eiffelturm und konzentriere dich auf die blauen Flecken in Eric Fischers Geotagging-Karten—sie verraten dir, wo die Einheimischen der weltweiten Metropolen am liebsten Fotos schießen.

​Schlittert der Einheimische schwungvoll durch Kotzepfützen und zersplitterte Bierflaschen zur Arbeit, wird er dabei zumindest in Großstädten wie Köln oder Berlin gern den gemeinen Touristen verfluchen, der in immer größeren Horden zum gepflegten Absturz in die Stadt einfällt oder staunend die Gehwege des Zentrums verstopft.

Zwar ist nicht überall das Verhältnis von Einwohnern und Besuchern so gestört wie in der deutschen Hauptstadt, doch Tourismus bleibt ein ewiges Paradoxon: Jeder will ein einzigartiges, authentisches Erlebnis, niemand mag sich dort aufhalten, wo alle anderen auch sind, und doch bereisen und fotografieren die Urlauber immer die gleichen ausgelutschten Orte.

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Eric Fischer hat aus diesen allzumenschlichen Bewegungen in jahrelanger Arbeit ein vorbildliches Datenprojekt gemacht: Er siebte geogetaggte Informationen aus Metropolen auf der ganzen Welt aus, legte sie über Stadtkarten und vergleich dann die Orte, an denen Einheimische (blau) und Touristen (in rot) ein Foto machten. So verwandelte er trockene Daten in schöne Visualisierungen, die die großstädtischen Parallelwelten in Zeiten von Billigfliegern und ​Geotag-Kameras als kleines Kunstwerk abbilden.

Berliner knipsen viel lieber im Osten als Touristen, die die Straße des 17. Juni und Unter den Linden zur Fotoschneise machen.

Sein ​Flickr-Album für dieses Projekt hat bereits 136 Karten für die beliebtesten Touristenziele der Welt. Von Sydney über Berlin und London bis Kuala Lumpur sind alle wichtigen Metropolen verzeichnet. Fischers System ist dabei so einfach wie effektiv: Als Einheimischer wurden die jenigen klassifiziert, die in den letzten Monaten Bilder von dem gleichen Ort geschossen hatten.

Nicht in allen Städten machen die Bewohner überhaupt Fotos von ihrer Heimat. Kaum ein Einwohner von Las Vegas schert sich beispielsweise um eine Abbildung der Glitzerlichter am Sunset Strip—ganz im Gegenteil zu Hochzeits-, Spieler- oder Junggesellen-Touristen (außer den überschwänglichen Lichtern der Casinos und Theater gibt's ja auch nicht viel zu fotografieren in der Wüste von Nevada).

Selbst eine pittoreske Stadt wie Rom wird kaum von Menschen fotografiert, die über einen längeren Zeitraum dort leben. Eine Erklärung für den Mangel an Bildern könnte einem wachsenden Bewusstsein der Privatsphäre geschuldet sein— diese lästige Geotagging-Funktion lässt sich schließlich auch ganz einfach deaktivieren.

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Londoner sind gern im Norden unterwegs und meiden (zumindest mit ihrer Kamera) die Themse. 

Diese fast ausschließlich von Besuchern bildlich festgehaltene Stadt ist Rom.

Tokioter Einwohner mögen Shinagawa und meiden Roppongi. Ebenfalls auffällig: Es fehlt ein echtes Zentrum.  

Zu Fischers Projekt gibt es mittlerweile auch eine​ interaktive Plattform, mit der du die menschlichen Bewegungen und visuell eingefrorenen Momente in jeder Stadt direkt vergleichen kannst.

Dabei lassen sich durchaus Überraschungen feststellen: Zum Beispiel in Vancouver, wo der Nudistenstrand nicht mehr nur ein Pünktchen, sondern als leuchtend roter Fleck eine echte Touristenattraktion zu sein scheint. Dafür begeben sich die Einheimischen lieber nach Downtown und verteilen sich für lohnende Bilder in den schnurgerade angelegten Straßen, in die sich Touristen überhaupt nicht verirren.

Downtown Vancouver ist bildgewaltig—aber nur, wenn du dich schon auskennst.

Downtown Vancouver ist bildgewaltig—aber nur, wenn du dich auskennst. 

In New York machen sowohl Einwohner als auch Touristen massenweise Fotos, aber auch hier nicht in den gleichen Gegenden. Die roten Flächen und blauen Knotenpunkte überschneiden sich nur selten: Orte wie Ellis Island sind überlaufene Orte, die die Einheimischen unter allen Umständen zu meiden versuchen. Statt sich von Wolkenkratzern in manhatten beeindrucken zu lassen, fotografieren die New Yorker verstärkt in den anderen Boroughs wie Queens. Ausnahme in New York City: Das riesige, rote Rechteck, das den Central Park nachzeichnet, wird sowohl von Besuchern als auch von Einwohnern mit Kameras frequentiert.

Touristen lieben Ellis Island und SoHo, die New Yorker fotografieren aber lieber in Queens. 

Und wie kann man die Karten nun benutzen? Beispielsweise als Reiseführer: Warum nicht einfach mal dort hinfahren, wo die Einheimischen sich wirklich gern aufhalten, statt immer nur die selben Attraktionen abzuklappern? In Tokio beispielsweise fehlt ein Zentrum, doch die Einheimischen schienen eine ganz besondere Vorliebe für Shinagawa zu haben. Wenn du als globaler Jetsetter das nächste Mal vor Ort bist, schau dich doch dort um.

Es ist zwar nicht ganz einfach, sich dem Sog der weltberühmten Sehenswürdigkeiten zu entziehen, aber man verpasst sicher nicht allzu viel jenseits im Weg stehender Menschenmassen—und wahrscheinlich hat sicher schon jemand vor dir ein tolleres Bild davon gemacht.