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Day Zero naht: In Kapstadt entsteht gerade ein Schwarzmarkt für Wasser

Die Lage in Südafrika spitzt sich immer weiter zu: Während das Wasser so knapp ist wie noch nie zuvor, versuchen gerissene Online-Händler Profit aus dem Notstand zu schlagen.
SS
Übersetzt von Sandra Sauerteig
Bewohner von Kapstadt stehen Schlange, um ihre Kanister mit Trinkwasser aufzufüllen
Bewohner von Kapstadt stehen Schlange, um ihre Kanister mit Trinkwasser aufzufüllen | Bild: shutterstock | Mark Fisher 

Day Zero, der Tag Null: Das ist der Tag, an dem in Kapstadt die Wasserhähne zugedreht werden. Es ist der Tag, an dem voraussichtlich offiziell das Wasser ausgehen wird. Ab dann wird es in der Stadt verteilt nur noch 200 Entnahmestellen für Trinkwasser geben. Sie sollen von Polizei und Militär geschützt werden, um sicherzustellen, dass jeder der rund 4 Millionen Einwohner der südafrikanischen Metropole nur 25 Liter pro Tag abzapft. Was wie ein Horrorszenario klingt, wird nach aktuellen Berechnungen der Stadtverwaltung am 16. April Realität werden.

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Kapstadt kämpft bereits seit drei Jahren mit einer anhaltenden Dürre. Dass die Situation nun zu eskalieren droht, hat verschiedene Gründe. Die schlechte Planung seitens der Regierung ist ein Faktor, der Klimawandel verschlimmert die Situation weiter. Inzwischen halten die Stauseen und Wasserspeicher, die die Millionenstadt versorgen, so gut wie kein Wasser mehr. Bis vor Kurzem durfte jeder Bewohner der Touristenmetropole noch 87 Liter pro Tag verbrauchen, inzwischen haben die Behörden die Wasserration auf 50 Liter pro Tag gesenkt. Die Regierung hofft, dass sich Day Zero doch noch abwenden lässt, wenn alle diesen Bestimmungen folgen. Wer sich nicht an diese Begrenzung hält, dem drohen jetzt sogar Geldstrafen.

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Während die Stadt sich also auf den Ernstfall vorbereitet, wittern einige gewiefte Geschäftsleute ihre Chance, Geld mit der Wasserknappheit zu verdienen, wie Time zuerst berichtete. Auf Internetseiten für Kleinanzeigen wie Gumtree oder Junk Mail bieten inzwischen Dutzende Verkäufer Wasser, Wassertanks, Wasserpumpen und Filter zum Verkauf an – damit scheinen sie eine Versorgungslücke zu füllen, die die Regierung nicht schließen kann.

Auf Gumtree werben verschiedene Anbieter mit Wasserlieferungen, entweder für den Trinkwasservorrat oder auch Nachschub für den geliebten Swimmingpool. Hinter den Angeboten scheinen meist kleine Unternehmen oder Einzelpersonen zu stehen, die Wasser aus Bohrlöchern oder Regendepots abpumpen und dann tausende Liter in Tanklastern ausliefern. Eines der Unternehmen, Water@Langerbergkaas, wurde beispielsweise erst vor einem Monat von zwei Brüdern gegründet, die laut ihrer Website etwa 225 Kilometer außerhalb Kapstadts leben.

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Die ersten Annoncen für Wasser tauchten auf Gumtree im vergangenen November auf. Tendenz steigend.

Screenshot: Gumtree

Ein Post auf Junk Mail spricht die Krise direkt an: "Zieht die Dürre dich runter?", heißt es dort. "Wir können dir helfen, indem wir ein oder zwei Wasserspeicher in deinem Haus installieren." Ein anderer Anbieter, der ansonsten vor allem Feuerholz vertreibt, titelt: "Trickse die Wasserbegrenzungen aus", und bewirbt so einen Wassertank.

Auch in anderen Städten wie Johannesburg oder Pretoria sind bereits Annoncen für Tanklaster und Wasserfilter aufgetaucht, die versprechen, Wasser von schädlichen Stoffen zu reinigen.

Die Wasserpreise auf diesen Seiten variieren stark. Einige Verkäufer bieten Trinkwasser für 1,7 Südafrikanische Rand pro Liter an, was umgerechnet etwa 11 Cent entspricht. Andere verlangen mit 0,5 Südafrikanischen Rand nur etwa 3 Cent für einen Liter Wasser. Zum Vergleich: In Deutschland kostet ein Liter Wasser aus dem Wasserhahn durchschnittlich 0,2 Cent. Ein Verkäufer auf Gumtree, der anonym bleiben möchte, sagte gegenüber Motherboard in einer WhatsApp-Nachricht, dass er bereits seit mehreren Wochen Wasser für 65 Südafrikanische Cent pro Liter verkaufe. Seinen Vorrat beziehe er aus Klapmuts, einer Stadt in der Provinz Westkap, in der auch Kapstadt liegt. Er sagt, dass er sich für eine Wasserlizenz beworben habe, um diese Dienstleistung anbieten zu können.

Doch können diese Unternehmen überhaupt legal sein? Das kommt ganz darauf an. Auch wenn sich jemand einen Tanklaster zulegt, ist es mitunter illegal, Wasser von Abfüllanlagen abzupumpen. Außerdem ist es definitiv verboten, dieses Wasser an andere Leute zu verkaufen. "Der Verkauf von Wasser ist illegal", sagte der Sprecher von Kapstadts Wasser- und Abwasserbehörde gegenüber der Sunday Times. "Selbst unsere Behörde verkauft kein Wasser. Die einzige Ausnahme zu dieser Regel sind abgefüllte Trinkwasserflaschen."

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Einige Verkäufer nehmen auf diese gesetzliche Grauzone in ihren Angeboten Bezug. Mr. Water Deliver, der 2.500 Liter Wasser für umgerechnet 185 Euro anbietet, stellt sich auf Gumtree als ethischer Wasserlieferdienst dar. Gleichzeitig warnt er vor anderen Dienstleistern, die kommunales Wasser aus Kapstadt beziehen.

Tatsächlich gibt es keine Möglichkeit, die Qualität der angebotenen Waren zu überprüfen. Und das letzte, was Kapstadt gerade gebrauchen kann, sind eine Reihe fragwürdiger Wasserfilter oder verseuchter Wassertanks, die das kostbare Wasser unbrauchbar machen würden. Auch die zusätzlichen Kosten könnten den Bewohnern schwer zu schaffen machen. Nach Angaben der UN braucht jeder Mensch im Durchschnitt 50 bis 100 Liter Wasser pro Tag, das durchschnittliche Einkommen lag 2015 in der Stadt bei durschnittlich 1.180 Euro im Monat.

Im Gespräch mit Motherboard betonte Patrick Reed, Professor für Bauingenieurwesen an der Cornell University, dass ein unregulierter Wassermarkt gefährlich sein kann. Dabei verwies er auf die Krise in Puerto Rico, die nach dem Hurrikan im September 2017 auftrat: Wegen beschädigter Wassersysteme konnten sich Krankheiten leicht verbreiten. Es wundert Reed allerdings nicht, dass Leute in Gebieten, in denen ein Wassernotstand bevorsteht, nach alternativen Lösungen suchen.

"Meiner Meinung nach ist es nicht unbedingt hilfreich, dass sich unkontrollierte, illegale Zweitmärkte herausbilden, aber natürlich muss man die Krise irgendwie abschwächen", sagte er. "Die Menschen wollen Wasser. Und sie werden irgendwie an das Wasser kommen, selbst wenn sie sich damit einem Risiko aussetzen."

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Gleichzeitig versuchen auch gemeinnützige Gruppen, mithilfe von Spendengeldern Wasser in Kapstadt zu verteilen. Deon Smit, der Leiter von Water Shortage South Africa, schrieb Motherboard in einer E-Mail, dass die Organisation am 25. Januar einen Truck mit 28.000 Litern Wasser erhalten habe, der aus öffentlichen Spendengeldern und Uber South Africa finanziert wurde.

"Wir wissen von schätzungsweise 12.000 Menschen, die nicht in der Lage sein werden, die Wasserentnahmestellen zu erreichen. Diesen Menschen versuchen wir zu helfen", sagte er.

Einige Einwohner Kapstadts koordinieren sich auch auf Facebook in Gruppen wie Water Shedding Western Cape. Hier teilen sie die neuesten Regeln zum Wasserverbrauch, passende Memes und Tipps zum Wassersparen.

"Es gibt viele Städte, die mit Wasserknappheit zu kämpfen haben", fügte Reed hinzu. "Aber wenn eine Stadt in der Größe von Kapstadt an den Punkt kommt, wo entschieden werden muss, was passiert, wenn das Wasser tatsächlich aufgebraucht ist – das ist ein außergewöhnlicher Moment." Aus den Bemühungen der freiwilligen Organisationen, der Regierung, Online-Gruppen und auch dem blühenden Wasserschwarzmarkt wird deutlich, dass der drohende Day Zero alle beschäftigt.

Update vom 2. Februar 2018, 14:30: Im Artikel hatte sich ein Umrechnungsfehler eingeschlichen, der 0,5 Rand als "den Bruchteil eines Cents" beschrieb. Tatsächlich entspricht dieser Betrag rund 3 Euro-Cent. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.