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Tim Cannon: DIY-Cyborg

In unserer Video-Dokumentation begleiten wir den Biohacker Tim Cannon, als ihm der erste selbstgebaute nicht-medizinische Chip implantiert wird und er sich selbst zum Cyborg aufrüstet.

Die Technologisierung des menschlichen Körpers schreitet unaufhaltsam voran und deine biologische Behandlung und Aufrüstung könnte dir vielleicht schon sehr bald ungeahnte Möglichkeiten bieten:

- Dank Bioprinting können inzwischen 3D-gedruckte künstliche Organe hergestellt werden, und vielleicht werden diese sogar irgendwann billig

- die Quantified-Self Bewegung hat sich ihre Selbst-Vermessung zwecks Leistungssteigerung zum Hobby gemacht

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- Abtreibungen kannst du inzwischen dank Tele-Medizin online durchführen lassen

- in Deutschland befindet sich ein Cyborg e.V. in der Gründungsphase.

Und das sind nur einige Beispiele, die heute schon absehbar sind.

Tim Cannon jedenfalls hat die Zeichen der Zeit erkannt, und ist schon auf dem Weg sich selbst zum Cyborg zu machen. Dafür ist er bereit einiges auf sich zu nehmen. Implantationen ohne Betäubung zum Beispiel. Dank Abhärtung durch Punk-Jungend, zwischenzeitlichem Leben auf der Straße und ausreichend Tattoo- und Piercing-Erfahrung, ist das aber für Tim keine große Herausforderung.

In Essen ließ sich der US-Amerikaner jetzt den ersten selbsthergestellten nicht-medizinischen Computer-Chip der Welt implantieren.

Anders als die Anhänger der Quantified-Self Bewegung reicht es Tim nicht, etwas ums Handgelenk zu tragen oder eine App zu benutzen, um seine biometrischen Daten aufzuzeichnen. Er treibt die Verschmelzung zur Mensch-Maschine einen Schritt weiter und lässt sich seine Daten direkt von einem Gerät unter der Haut via Bluetooth übertragen. Auch die Aufladung der kleinen Batterie für den Chip, funktioniert drahtlos.

Der Circadia in seiner Entwicklungsphase vor der Implantation in Tim Cannon. Bildrechte: Grindhouse Wetware

Tim ist ein Bio-Hacker, und hat wie andere aus der Grinder oder Bio-Punk Community, die Standard-Ausstattung eines implantierten Magneten im Ringfinger, der ihm die Wahrnehmung elektro-magnetischer Wellen erlaubt. Als er von dieser Möglichkeit eines sechsten Sinns von einem seiner Vorbilder, Lepht Anonym, die Cybernetics für die Massen proklamiert, hörte, ließ er sich den Magneten nur Wochen später sofort einbauen.

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Tim glaubt an die Technik als Schlüssel zur Lösung aller menschlicher Probleme, aber auf die etablierte Medizin oder akademische Forschung allein möchte er sich nicht verlassen. Theoretische Debatten oder Reflektionen sind seine Sache nicht und so betreibt er mit anderen Enthusiasten seine Firma Grindehouse Wetware, und schraubt neben seinem Job als Programmierer, in seiner Freizeit in Pittsburgher Kellern und Garagen an Geräten für die Cyborg Zukunft.

Auch den Eingriff in Essen ließ Tim nicht von einem normalen Arzt durchführen. Stattdessen vertraute er auf die Expertise von Steve Haworth einer Koryphäe auf dem Gebiet der Body Modifications. Normale Ärzte würden sowieso ihre Lizenz verlieren, ganz abgesehen davon, "dass sie mich für verrückt halten und nicht mit mir Reden wollen, wenn ich sie nach Hilfe für das Frage, was ich vorhabe," erzählte mir Tim.

Steve Haworth führte den Eingriff ohne Betäubungsmittel durch. Mehr noch als seine 20 jährige Erfahrung und seine Vorgeschichte als Ingenieur eigener medizinischer Werkzeuge, beruhigte mich und Tim seine Versicherung, dass die "Betäubung durch Eis fantastische und völlig ausreichende Wege bietet."

Da es sich um die erste Operation dieses Chips handelte, war der Eingriff aber so delikat und geheim, dass wir nicht nur nicht dabei sein durften, sondern noch nicht einmal erfahren haben, wo genau die Implantation in Essen überhaupt stattfand.

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Wir haben Tim aber vor und nach dem Eingriff begleitet und uns erklären lassen, was es mit seiner Vision einer Do-It-Yourself Implantationstechnik auf sich hat, und wie er die Perfektionierung des fehlerhaften menschlichen Körpers lösen möchte. Außerdem hat Tim uns geduldig und begeistert den Chip demonstriert.

Hacking spielt sich jedenfalls längst nicht mehr nur in digitalen Welten ab, sondern hat den Körper selbst erreicht. Vielleicht wird die Aufrüstung der Evolution ja tatsächlich einmal zu einer Option für jeden, und dann könnte ausgerechnet ein Eingriff in Essen und ein blinkender Chip als wichtiger Schritt gegen die Mittel der etablierte Medizin in die Geschichte eingehen.

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