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Neurowissenschaftler riskiert seine Forschung um diese Bilder zu veröffentlichen

Ein Hirnforscher veröffentlicht bei Motherboard Bilder seiner Forschung. Auf Grund ihrer Schönheit und wegen seiner Kritik am wissenschaftlichen Publikationszirkus.
Bild: Anonym | Mit Genehmigung des Urhebers

Man sollte denken, dass, wenn ein Wissenschaftler die Ergebnisse seiner Experimente veröffentlichen will, es nur darauf ankommt, ob seine Ergebnisse schlüssig und signifikant sind. Doch die Welt wissenschaftlicher Zeitschriften ist eine Bruderschaft mit Eintrittspreis, in der ein Forscher schon mal an die 730 Euro zahlen muss, um in einem Open Access Journal ein paar Seiten zu ergattern.

Zwar sind die Preise bei Abo-basierten Zeitschriften geringer, dann aber auf Kosten des offenen Zugangs, so dass oft nur Abonnenten an wissenschaftlichen Institutionen Zugriff haben. Ein Abo kann dabei Zehntausende Euro kosten, wie das Beispiel der Zeitschrift Tetrahedron für organische Chemie zeigt. Andere Nutzer müssen bis zu 35 Euro zahlen, um einen einzigen Artikel lesen zu dürfen.

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Diese beschränkte Situation hat die Open Access Debatte angefeuert, die sich um die zentrale Frage dreht, wie Wissenschaftsjournale ein Gleichgewicht zwischen öffentlichem Zugang, Qualität der Inhalte, Urheberrecht und Gebühren finden können. Dabei bereitet das Urheberrecht wohl die größten Sorgen, denn generell behalten sich die Verlage die Rechte an allem vor, was sie einmal gedruckt haben. Und sie haben auch keine Hemmungen diese Rechte einzuklagen, wie der Urheberrechts-Kampf von Aaron Swartz deutlich gemacht hat.

Doch was, wenn ein Wissenschaftler beginnt über sein Werk so zu denken wie ein Künstler über seine Kunstwerke? Was, wenn er sich dagegen entscheidet, dafür zu zahlen, die Rechte an seiner Arbeit einem profithungrigen Verlag zu überlassen, wie im klassischen Publikationsweg vorgesehen?

Ein Hirnforscher von einer kalifornischen Eliteuniversität wandte sich an Motherboard, um auf diese Fragen aufmerksam zu machen. Er bat uns auch einige der Bilder zu zeigen, die er während seiner letzten Experimente geschossen hatte.

Alle Bilder: Anonym | Mit Genehmigung des Urhebers

Weil die meisten Journale sich weigern bereits veröffentlichtes Material zu drucken, unser Forscher aber seine Chancen auf eine klassische Publikation und die damit verbundene Anerkennung seiner Leistung nicht ganz aufgeben will, bat er uns seinen Namen nicht zu nennen. Nennen wir in also einfach  Dr. Paul.

„Der Wortlaut von Publikationsverträgen ist vage und die Konsequenzen hart genug, dass ich schon gegen die Richtlinien der meisten Verlage verstoße, wenn ich Bilder meiner Forschung aus meinem 'geschützten' Instagram Feed nehme und sie online veröffentliche", schrieb mir Paul in einer Email.

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Paul steht damit vor einem praktischen Rätsel: Wenn er seine Diagramme und Bilder erst online veröffentlicht, um etwa Rat von anderen Forschern einzuholen, nimmt er sich damit die Chance, dieselben Inhalte später in einem Journal zu zeigen. Veröffentlich er sie jedoch erst in einem Journal, verliert er das Recht auf Vervielfältigung und damit auf die Rückmeldungen einer breiteren Leserschaft.

„Besonders unglücklich ist diese Konstruktion, weil gerade Instagram sich als wichtige Quelle erwiesen hat, um Crowd-Feedback sowohl von meinen visuell begabten als auch meinen wisseschaftlich geübten Bekannten zu erhalten, zum Beispiel zum Design meiner Diagramme", sagte er.

Weiteren Diskussionsbedarf sieht er in der Forschungsförderung. Im Jahr 2013 verabschiedete das Parlament ein Budget für Forschung und Entwicklung von rund 95 Milliarden Euro. Das Budget wird der Amerikanischen Forschungsgemeinschaft zufolge an zwölf Regierungsbehörden verteilt. Neben diesen öffentlichen Geldern ruht die Forschung auf Spenden philanthropischer Organisationen (wie der Gates Foundation). Doch derselben Öffentlichkeit, die mit diesen Mitteln die Forschung erst ermöglicht, wird später der Zugang zu den Forschungsergebnissen verwehrt.

„Die Gelder für meine eigenen Experimente werden aus einem Bundesbudget von über 30 Milliarden Dollar bewilligt. Das sind Steuergelder!", sagte er. „Die Steuerzahler sollten wirklich das Recht haben, meine Arbeit zu begutachten!"

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Dr. Paul hat zehn von Experten geprüfte Artikel in wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht, die meisten davon als Hauptautor. Doch wie viele andere Forscher frustrieren ihn die Einschränkungen und die Kosten, denen er sich unterwerfen muss, um seine Entdeckungen mit der wissenschaftlichen Gemeinde zu teilen. Besonders, weil er seine Arbeit nicht als getrennt von Ästhetik und Schönheit empfindet.

„Wenn ich Anträge für Forschungsgelder lese, sehe ich oft das Wort 'Innovation' aber selten das Wort 'kreativ' ", erzählte mir Paul. „Tatsächlich ist künstlerische Kreativität genauso entscheidend beim Aufbau eines Versuchs, beim Ablichten der Wirklichkeit und bei der Datenanalyse wie das Durchhaltevermögen beim Lösen von Problemen. Seine Bilder entstünden genauso aus Vertiefung, Selbstaufgabe und Hingabe wie alle Kunstwerke.

Mit der Veröffentlichung seiner Bilder bei Motherboard hofft Paul, die Marktstrukturen zu umgehen, die den Zugang zu Information regeln. Gleichzeitig möchte er sicher stellen, dass seine Kunst eine Rezipientenschaft erreicht, die sonst niemals erfahren würde was sein Leben bereichert.

Er bat uns jedoch nicht zu genau zu beschreiben, was seine Bilder zeigen, denn „die Welt der Forschung ist sehr klein". Doch auch ohne Analyse sind sie faszinierend anzuschauen.

„Während ich diese Bilder machte und analysierte ergriff mich die der Hirnanatomie und Evolution innewohnende Schönheit. " schreibt Paul. „Mit der Zeit entwickelte sich in mir das Gefühl, dass diese Bilder meine persönlichen Kunstwerke sind: Arbeiten, auf deren Urheberschaft ich stolz bin. Deshalb fühle ich mich so unwohl bei dem Gedanken Geld zu bezahlen, um diese Werke abzugeben".

Diese Werke auf einer ästhetisch orientierten Ebene zu verstehen, könnte seine Arbeit auch einer anderen Sorte von Experten zugänglich machen: den Kunstkritikern. Und die Freiheit, der nicht-wissenschaftlichen Welt deinen eigenen Beitrag zur Welterkenntnis zu zeigen, sei die zusätzliche Kritik allemal wert.

„Meine eigenen Forschungsergebnisse als Kunst zu bezeichnen setzt mich der Kritik aus, subjektiven Meinungen und einer Prüfung, die weit über die Ziele meiner neurowissenschaftlichen Forschung hinausgeht. Aber das ist ok". schreibt Paul.