Nerf Guns & Kondome: Das IS-Handbuch für junge Dschihadis im feindlichen Westen
Bild: Memri JTTM

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Nerf Guns & Kondome: Das IS-Handbuch für junge Dschihadis im feindlichen Westen

Wie überlebt man im Feindesland? Der IS hat Tipps nun in einem E-Book für junge Mudschaheddin zusammengefasst. Das Ergebnis liegt irgendwo zwischen Abenteuerhandbuch der Mickey Mouse und Anarchist Cookbook.

Das unermüdliche Al-Hayat-Medienhaus des IS ist auf dem besten Wege, sich zu einer festen Größe im internationalen Verlagswesen zu mausern. Nun wurde über bereits suspendierte Accounts auf Twitter ein Survival-E-Book für den orientierungslosen Nachwuchskämpfer im feindlichen Westen veröffentlicht, das freundlicherweise vom arabischen Mediendienst Memri Jihad and Terrorist Threat Monitor ausführlich rezensiert wurde.

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Die Rekruten sollten das E-Book mit dem aufregenden Titel „How to survive in the West" aber äußerst sorgsam auf ihrem Computer ablegen: Die IS-Redaktion empfiehlt, das knapp 100-seitige Machwerk unter einem unauffälligeren Titel wie „Wie man Kuchen backt" abzuspeichern.

Trainiere mit Nerf Guns, bescheiße das Sozialamt, habe immer ein Kondom dabei und geh nicht in Armeekleidung joggen.

In dem Buch finden sich natürlich Bombenbauanleitungen, ein bisschen Küchenpsychologie über das angeblich sündhafte Leben des gemeinen Westlers, Ausstattungs- und Tarnungstipps und höchst amüsante Pfadfindertechniken. Wir lernen unter anderem: Trainiere mit Nerf Guns, bescheiße nach Möglichkeit das Sozialamt, hab immer ein Kondom dabei und geh nicht in Armeekleidung joggen.

Twitter-Analysten entlarven die grausame Spießigkeit des IS

Der IS propagiert eine Ideologie, die von sich behauptet, für eine Religion zu sprechen. Das aufwendige E-Book-Kompendium beweist aber ein weiteres Mal, dass das IS-System vor allem darauf abzielt, durch die Verbindung möglichst effizienter Terrorwerkzeuge und eine perfekt orchestrierte Social Media-Propaganda ihre mörderische und unheilige Botschaft zu verbreiten.

Mehr als die verklärenden Reden von Terroristenführer Al-Baghdadi spricht zum Beispiel das plumpe Abfeiern der Charlie Hebdo-Schützen (denen ein ganzes Kapitel gewidmet wird) Bände über die faschistische Ideologie der Extremisten und ihr beschränktes Weltbild. Veröffentlichungen wie „How to survive in the west" bieten somit neben ihrer Absurdität auch einen wertvollen Erkenntnisgewinn für Analysten der verwirrten Dschihadisten.

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Jenseits der grausamen Realität liest sich das Buch aber auch als absurde Survival-Sammlung zwischen Abenteuerhandbuch und Anarchist Cookbook für Schläfer zu lesen. Es bietet sich daher geradezu an, die terroristische Verbissenheit der Lächerlichkeit preiszugeben. Wir haben ein paar Highlights für euch aufgearbeitet:

Verschleiere deine extremistischen Identität mit allen Mitteln

Der clevere Extremist tut so, als sei er ein Nicht-Muslim, um seine Umwelt zu täuschen. Das bedeutet auch, sich äußerlich dem westlichen Lotterleben anzupassen und den Bart im Zaum zu halten—oder sich einen falschen anzukleben. Die Yankee-Tarnung ist fast perfekt:

Bild: aus dem E-Book geklaut. Soll mich der IS doch auf Copyrightverletzung verklagen!

Auch für die Ladies gibt es ein paar praktische Hinweise: „Wenn du einen Hijab trägst und durch die Flughafenkontrolle musst, trag keinen schwarzen, sondern lieber einen bunten." Auch ein westlicher Spitzname (Jihadi John?) wirke Wunder, um an Jobs in Schlüsselpositionen zu gelangen. Doch das reicht noch nicht: Der Nachwuchs-Mudschaheddin soll möglichst auch noch freundlicher und weltoffener wirken, als er eigentlich ist. Und am Telefon seine Stimme mit einem Tuch über dem Mund verstellen—wieso auch immer.

Einfache Ideen, um an Geld zu kommen

Auch der Dschihad kostet richtig Kohle. Zum Glück muss der Mudschaheddin keine weltlichen Gesetze befolgen. Daher hat die IS-Redaktion ein paar Tricks im Ärmel, um den Geldfluss ein wenig zu beschleunigen: „Wenn du ein Experte in Kreditkartenbetrug oder Ebay-Scams bist (…), nutz deine Fähigkeit. Wenn du Steuern hinterziehen oder staatliche Leistungen beziehen kannst, mach das." Als Best-Practice-Beispiel werden anschließend einige Legenden von Kämpfern angeführt, die isrealische Kreditkarten gehackt haben, um sich damit nach Syrien abzusetzen.

Privatsphäre im Internet

Zuhause soll bitte „nichts dschihadistisches in der Computer getippt" werden, um die Camouflage einer sauberen Home-IP aufrechtzuerhalten. Ach was: Am besten gleich gar nichts „islamisches" zu Hause suchen, das fiele nur auf. (Das Paranoia-Level scheint bereits entsprechend fanatisch aufgeladen zu sein). Für den Rest empfiehlt der IS Tor und für „einen ersten Überblick über den Dschihad" den satellitenübertragenen Fernsehsender Al-Jazeera aus Qatar.

Pumpen für den IS

Training für den IS ist ein integraler Bestandteil deiner Ausbildung. Du musst in Form sein, um für den Gottesstaat zu kämpfen, lautet die Message. Das bedeutet: Trainiere mit Nerf-Guns! Für die Feinmotrik empfiehlt der IS das Spiel Call of Duty explizit zur Vorbereitung auf den Kampfeinsatz.

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Auch die befremdlichen Praktiken des Westens werden kurz umrissen: „Laufen gehen im Park wird als normal betrachtet. Allerdings sieht Armeekleidung und das Tragen von Gewichten und Rucksack komisch aus". Für die Schwestern bleibt das Laufband zu Hause und der Frauentag im Fitnessstudio. Großen Wert wird auch auf das korrekte Klettern gelegt, das der „urbane Krieger" auch an beliebigen Wänden trainieren könne. Etwas faul heißt es dazu: „Such auf wikihow.com nach den perfekten Sprungtechniken."

Für den informationshungrigen Gotteskrieger in spe ist dieser Teil allerdings eine kleine Enttäuschung, denn die Tipps und Tricks für einen islamistischen Waschbrettbauch wurden zum Großteil bereits in dem etwas zähen Bestseller „Der Islamische Staat" veröffentlicht (möglicherweise kann man das in eine Onlinerezension beim Al-Hayat Medienhaus einfließen lassen).

Das Überlebens-Set!

Hier wird es spannend: Der Islamische Staat umreißt nämlich hier ein essentielles kleines Abenteuer-Kit für unvorhergesehene Expeditionen im Wilden Westen, auf den Fähnlein Fieselschweif und MacGyver stolz wären.

Man nehme eine „blecherne Zigarettenschachtel" (vom sonntäglichen Nippes- und Trödelmarkt) und verbringe den Rest des Tages damit, diese insh'allah mit folgenden Dingen zu füllen: Streichhölzer, Kerzen, Lupe, Nadeln, kleine Angelhaken, Schnur, Feuerstein, ein LED-Lämpchen zum Kartenlesen im Dunkeln, Draht, eine biegsame Säge, ein komplettes Erste-Hilfe-Set, chirurgische Klingen, wasserdichte Pflaster, Wasserentkeimungstabletten, Kondome (natürlich nur, um einen Liter Wasser zu transportieren—was dachtet ihr?), Kompass und ein bisschen Baumwolle.

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Leider schweigt sich das Handbuch über die erforderlichen Dimensionen des magischen Behälters aus. Hat man diese Gegenstände nun alle in einer Zigarettenschachtel untergebracht (viel Glück, Leute!), steht dem erfolgreichen Pfadfinder-Glaubenskrieg mit dieser Allzweck-Ausrüstung im kompakten Packmaß nun nichts mehr im Wege.

Bomben basteln in der Küche, Waffentransport und Spionage

Auch beim Bomben basteln, dem sich ein Kapitel in großer Auführlichkeit widmet, möchte der IS den Längeren haben. Nicht drei (wie in den Al-Qaida-Postillen), sondern gleich sechs Bombenanleitungen finden sich in dem handlichen Guide. Eine mörderische Ideologie braucht eben Optionen. Es folgt ein Lob auf Geheimverstecke in Autos, mit denen man Waffen und Bargeld transportieren kann. Guter Tipp: Lass die unteren Ränge die Drecksarbeit machen und sich mit den Grenzern herumärgern.

Abschließend wird noch ein bisschen Paranoia gefördert und die Fragen beantwortet: Wie erkenne ich einen Spion? Woher weiß ich, ob mir jemand folgt? Was passiert bei einer Hausdurchsuchung (Antwort: „Sie werden alles mitnehmen, was arabisch aussieht, selbst das kleine iPad deines Kindes")? Der IS empfiehlt, viel im Kreis zu laufen, um sich zu vergewissern, unbeobachtet zu sein.

Sichere Flucht

Vielleicht auch ganz interessant für Sicherheitsbehörden: Das Kapitel beschreibt, wo sich Terroisten nach der Tat verstecken können und wie man ohne Pass nach Syrien geschmuggelt werden kann. Şanlıurfa in der Türkei scheint ein beliebtes Ziel als Sammelpunkt zu sein—vielleicht mag die türkische Armee ja dort mal vorbeifahren. Zum Teil sind die Routen en detail mit Landkarten beschrieben, die mit Paintbrush-Kreisen verschönert sind. Spannend daran, auch für uns: Die inspirierende Idee, sich gegenüber Nichtmuslimen doch einfach als freiberuflicher Journalist auszugeben.