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MIT-Physiker entschlüsseln das Geheimnis extrem fester Knoten

Eine neue Studie analysiert die Topologie des zehnfachen Überhandknotens.
Bild: flickr, Marcus Povey | CC BY 2.0

Das Gros unserer Gesellschaft verfügt über ein recht überschaubares Wissen hinsichtlich der Kunst des Knotenbindens. Segler, Chirurgen, Fischer oder Bühnenarbeiter stechen zwar positiv aus der grauen Masse heraus, doch die meisten von uns binden ihre Schuhe wohl noch immer nach der altbewährten Routine, die uns unsere Oma vor vielen Jahren beigebracht hat. Gardeschlinge, Schotstek oder Trompetenknoten sagen den meisten in etwa soviel wie die Quantenphysik des Multiversums.

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Doch Knoten sind eine historische Kunst, die sich erst im Lauf der Jahrhunderte durch permanentes Ausprobieren und Verbessern, sowie intuitiven Vorstellungen von Symmetrie und Eleganz entwickelte. Grundsätzlich gilt: Je „hässlicher" und chaotischer ein Knoten aussieht, desto weniger hält er.

Nun haben MIT-Ingenieure und Forscher der Pierre et Marie Curie University in Paris ausführlich untersucht, welche Mechanik und Physik hinter einem besonders festen Knoten steckt. Die in Physical Review Letters veröffentliche Studie vergleicht verschiedene Knoten anhand der Beziehungen von Topologie, Mathematik räumlicher Strukturen und den grundlegenden Gesetzen von Reibung und Geschmeidigkeit.

„Der einfachste Knoten, den wir jeden Tag selbst binden, ist der Überhandknoten", erklärt Khalid Jawed, Co-Autor der Studie. „Die Topologie des Überhandknotens definiert sich in der Anzahl der Entknotungen n (die Menge der Entschlaufungen, die benötigt wird, um den Knoten aufzulösen). Schnürsenkel werden üblicherweise mit einem Kreuzknoten zusammengeschnürt, bei welchem zwei Überhandknoten mit jeweils n=1 nötig sind. Wir kombinieren Experimente mit mechanischen Erkenntnissen zu Überhandknoten und versuchen damit die Frage zu beantworten, wie viel Kraft aufgewendet werden muss, um den Knoten festzuzurren."

Die Kraft, also die sogenannte „Stärke" des Knotens, beruht auf verschiedenen zusammenhängenden Faktoren. Das erste Faktor ist dabei die Reibung. Wenn wir das Seil wiederholt verschlingen, vergrößert sich dadurch der Oberflächenkontakt und somit die nötige Reibungsenergie, um den Knoten zu lockern. Die Reibung muss nun mit den anderen entscheidenden Kräften eines Knotens, wie Spannung und generelle Biegsamkeit des Seils, zusammengerechnet werden.

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Die Wissenschaftler maßen die Stärke der Knoten mit Hilfe zweier spezieller mechanischer Arme, die die Seile festzogen. Diese „Arme" kann man sich im Versuchsaufbau als zwei horizontale Waagen vorstellen, welche nicht das Gewicht, sondern den Widerstand messen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass ein zehnmal in der Überhandmethode verschlungener Knoten 1.000 mal so stark war wie seine einfach verschlungene Variante.

Pedro Reis, Professor für Ingenieurswesen am MIT und Hauptforscher der Studie, wollte mit der Untersuchung ursprünglich auf den Theorien des Franzosen Basile Audoly aufbauen. Audoly hatte eine Theorie über die mechanischen Kräfte in Überhandknoten aufgestellt, die sich auf experimentelle Beobachtungen von einfachen und doppelten Schlingen stützt. Dabei schlussfolgerte er, dass dieselbe Theorie auch für die Vorhersage der Stärken von mehrfach verschlungenen Knoten angewandt werden kann. Wie Reis herausgefunden hat, verhält es sich hier jedoch ein wenig komplizierter.

Audoly selbst kommentierte die neuen Ergebnisse in einem neuen Statement des MIT: „Als mir Pedro Reis seine Experimente mit mehr als zehnfach verschlungenen Knoten zeigte und sagte, dass sie solch enormen Kräften standhalten, erschien mir das fern jeglicher simplen mathematischen Gleichungen", erzählte Audoly. „Dann dachte ich, das könnte eine nette Herausforderung darstellen."

Wie die Quantenphysik beweist, dass wir in einem Multiversum leben

Es stellte sich heraus, dass das Verhältnis zwischen Schlingen und der Knotenstärke nicht linear ist: Die Kraft, die in einen Knoten hineingegeben wird (Schlingen) verhält sich nicht unmittelbar proportional zur Stärke des Knotens.

„Diese Theorie hilft uns, die mechanischen Reaktionen von Knoten unterschiedlicher Topologie vorauszusagen", so Reis. „Wir beschreiben die Kraft, die aufgebracht werden muss, um eine Schlaufe zu schließen, was ein Indikator für die Festigkeit des Knotens ist. Mit diesen Erkenntnissen könnten wir dann ganz simple Sachen erklären—zum Beispiel warum sich dein Kopfhörerkabel immer verheddert oder wie du deine Schuhe noch geschickter zubinden kannst, aber wir können auch chirurgische Verfahren verbessern."