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The Moral Compass Issue

Vergesst die Indianer

Die meisten Serienmörder Kanadas konzentrieren sich auf indigene Frauen, weil es der Polizei einfach egal ist.

Geschichten von gewaltgeplagten Indianerreservaten wie das von der Samson Cree First Nation, wo vor Kurzem ein fünfjähriges Kind in einer Schießerei getötet, oder das der Sandy Bay First Nation, wo eine Frau enthauptet wurde, zeigen wie abgefuckt das Leben in den Reservaten Kanadas ist. In einigen der Reservate sieht es mittlerweile so aus wie in den brasilianischen Favelas: Es gibt immer häufiger Schießereien, die HIV-Raten gehören zu den höchsten der Welt und ein Drittel der Bewohner hat keinen Schulabschluss. Den Rest von Kanada kümmert das einen Scheiß. Die Regierung hat keinerlei revolutionäre Pläne im Ärmel und das Ministerium für Aboriginal Affairs and Northern Development ist ein finanzielles schwarzes Loch. Es ist kein Zufall, dass sich die meisten Serienmörder Kanadas auf indigene Frauen konzentrieren, weil sich die Bullen keinen Deut um sie scheren. Bevor der berühmteste Serienmörder des Landes 2002 geschnappt wurde (Robert Pickton, ein Schweinezüchter aus Vancouver, der für den Tod von 50 Frauen verantwortlich gemacht wird), wandten sich indigene Prostituierte mit Informationen an die Behörden. „Eine meiner Freundinnen ging schon 1998 zu den Bullen und erzählte ihnen alles über Picktons Farm“, sagt die Anishinaabe-Aktivistin Audrey Huntley, die in Vancouver mit Prostituierten arbeitet. „Sie haben ihr nur gesagt, sie sei eine Junkie-Nutte.“ Man kann die Zahlen nicht schönreden: Amnesty International sagt, dass es fünfmal wahrscheinlicher ist, dass indigene Frauen einem Gewaltverbrechen zum Opfer fallen. Nicht zu vergessen, dass junge Männer sich massenhaft Gangs anschließen, was zu ständigen Bandenkriegen führt. Der Polizei wurde vorgeworfen, dass sie sich nicht um die Kriminalität unter der indigenen Bevölkerung kümmert. Statt sich des Problems anzunehmen, besteht die Regierung darauf, archaische Regelungen durchzusetzen, wie den Indian Act aus dem 19. Jahrhundert. „Bei zehn Prozent der Fälle geht es um Indigene und das sind auch die Fälle, die am schwersten aufzuklären sind“, sagt ein ehemaliges Mitglied der Royal Canadian Mounted Police. „Zeugen wollen nicht aussagen, die Gangs erzwingen Schweigen und generell misstraut man der Polizei. Sie glauben, dass die Polizei der Feind ist. Manchmal kann ich ihnen das nicht verübeln.“

Foto von Corey Adcock