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Forscher verwandeln Atommüll in supereffiziente Diamanten-Batterien

Die radioaktiven Batterien sollen viele tausend Jahre halten und eignen sich besonders für Herzschrittmacher, Satelliten, Drohnen und Raumfahrzeuge.

Vor zwei Tagen umschloss ein riesiger Stahl-Sarkophag die strahlende Atomruine in Tschernobyl—mittlerweile der dritte Schutzmantel um den Reaktor seit 1986, in dem schätzungsweise noch 20.000 Tonnen radioaktiven Mülls schlummern.

Britische Wissenschaftler haben nun einen anderen Weg gefunden, mit unerwünschtem atomaren Abfall umzugehen. Das Team um den Geochemiker Tom Scott hat es geschafft, aus radioaktivem Material Diamanten herzustellen, die wie Batterien funktionieren: Die menschgemachten Edelsteine erzeugen aus ihrer eigenen Radioaktivität eine konstante elektrische Strömung, die—aufgrund der langen Halbwertszeit der radioaktiven Substanzen—als Energiequelle genutzt werden und bis zu mehreren tausend Jahren halten kann. „Das Diamantenzeitalter der Energieerzeugung ist angebrochen", jubelt Scott, der an der Universität Bristol in Großbritannien forscht.

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„Es ist keine Wartung erforderlich, und es gibt keine Emissionen. Nur direkte Stromerzeugung", sagt Scott. Laut der Wissenschaftler könnten damit gleich drei Probleme moderner Gesellschaften teilweise gelöst werden: die Endlagerung von Atommüll, klimaschädliche Energiequellen und schwache Batterien. Mithilfe ihrer diamantenen Methode könnte strahlender Abfall in langlebige nuklearbetriebene Batterien umgewandelt werden und damit eine „langfristige Versorgung mit sauberer Energie" gewährleisten.

Bislang konnte das Forscherteam das Wirkprinzip an einem instabilen Isotop aus Nickel demonstrieren. Das Nickel-Isotop hat eine Halbwertszeit von ungefähr 100 Jahren, was bedeutet, dass es nach 100 Jahren noch etwa 50 Prozent seiner „Ladung" besitzt.

Der Praxistext an radioaktiven Substanzen, wie sie in Atommüll vorkommen, steht jedoch noch aus—zumindest fand er bislang nur hinter verschlossenen Labortüren statt. Laut ihrer Pressemitteilung versuchten sich die Wissenschaftler bei ihren Experimenten am radioaktiven Kohlenstoff-14-Molekül, das in Kraftwerken der älteren Magnox-Generation vorkommt aber ebenso in modernen Kraftwerken wie Siede- und Druckwasserreaktoren, wie sie beispielsweise in Deutschland in Betrieb sind.

Das gasförmige Kohlenstoff-14-Molekül wird dabei unter Zufuhr von etwas Wärme und eines geringen Drucks zu einem Diamanten geformt. Die Diamanten haben die „seltsame" Eigenschaft, Strom zu erzeugen, sobald sie sich in radioaktiver Umgebung aufhalten. Und da die Diamanten bereits aus radioaktivem Kohlenstoff bestehen, bringen sie ihr radioaktives Feld sozusagen von Haus aus mit.

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Laut der Website Science Alert wurden die ersten Ergebnisse der Arbeit an den radioaktiven Kohlenstoff-Isotopen Ende November in einer Vorlesung in Bristol präsentiert. Eine Studie wurde indes noch nicht veröffentlicht, es bleibt daher offen, wie lebensfähig ihre Kohlenstoff-14-Batterien wirklich sind.

Den unmittelbaren Anwendungsbereich für die radioaktiven Batterien sehen die Forscher hauptsächlich im Niedrigenergie-Bereich. Mit der Energiedichte einer herkömmlichen AA-Batterie kann der Nuklearakku nämlich nicht mithalten, zumindest was die Energieabgabe in kurzen Zeiträumen angeht. „Eine alkalische AA-Batterie wiegt etwa 20 Gramm und hat eine Energiedichte von 700 Joules pro Gramm, die zur Verfügung steht, wenn sie kontinuierlich für etwa 24 Stunden betrieben wird", so Scott. Im Gegensatz dazu liefere eine Diamant-Batterie, die 1 Gramm Kohlenstoff-14 enthält, zwar nur 15 Joule pro Tag. Doch hochgerechnet auf ihre gesamte Lebensdauer von 5.730 Jahren kommt sie auf eine Gesamtspeicherkapazität von 2,7 Milliarden Joule (TJ).

Damit würden die Diamantbatterien vor allem dort nützlich sein, „wo es schwierig ist, herkömmliche Batterien aufzuladen oder zu ersetzen",schreibt Scott in einer Pressemitteilung. Etwa bei Herzschrittmachern, Satelliten, Drohnen oder Raumfahrzeugen.

Doch viele weitere Anwendungsbereiche sind denkbar. In ihrem Präsentations-Video rufen die Forscher die Öffentlichkeit auf, unter dem Hashtag

DIAMONDBATTERY

eigene Ideen einzubringen, wie man die Batterien in Zukunft nutzen könnte.